Article in yearbook 2019
Digitization and Automation Digitization and Connectivity – Technological Change in Agriculture
Vernetzung im Fokus
Das Jahr 2019 war geprägt von einer zunehmend digitalen Vernetzung und Verknüpfung unterschiedlicher Systeme und Lösungen. Eine große Gruppe landwirtschaftlicher Interessensvertreter aus dem VDMA, Bauernverband, Lohnunternehmerverband und Landtechnik-Herstellern hat sich im Zuge der Vergabe-Regeln für die 5G-Frequenzen intensiv für den Ausbau der Mobilfunk-Abdeckung im ländlichen Raum eingesetzt [1].
Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung hat deutschlandweit 14 Experimentierfelder zur Förderung benannt, um zu demonstrieren, wie digitale Techniken optimal zum Schutz der Umwelt, Steigerung des Tierwohls, der Biodiversität und zur Arbeitserleichterung eingesetzt werden können [2]. Auch für Start-ups bietet sich hier die Möglichkeit der Zusammenarbeit. Für interessierte Praktiker sind die Experimentierfelder Anlaufstellen, sich über die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Landwirtschaft zu informieren. Zudem wurde seitens des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung eine Studie zur Analyse einer Agrar-Masterdatenplattform für einen zentralen Zugriff auf Stammdaten, wie z. B. Feldkonturen gestartet. Ebenso ist die EU sehr aktiv und hat im Rahmen einer Fördermittelausschreibung Horizon 2020 eine Auswahl an Forschungsprojekten (z.B. ATLAS [3]) in das Förderprogramm aufgenommen, um Datenaustausch und Vernetzung zu fördern.
Die Landtechnik-Hersteller arbeiten intensiv an der Vernetzung von Maschinendaten mit landwirtschaftlicher Software, wie z. B. Ackerschlag-Karteien, Flottenmanagementsystemen sowie satellitengestützten Applikationskarten-Werkzeugen. Die Prozessoptimierung von landwirtschaftlichen Tätigkeiten steht dabei im Fokus. Das Thema Datenaustausch und Vernetzung war ein Tätigkeitsschwerpunkt vieler Landtechnik- und Software-Hersteller.
Neben Technik und Software startete 2019 eine Diskussion um Drohnen und Roboter, die landwirtschaftliche Arbeitsprozesse ressourcenschonend durchführen können. Zudem haben sich die Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln im Rahmen ihrer Digitalisierungsaktivitäten vielfältige und leistungsfähige Dienste entwickelt, mit denen sich Landmaschinen optimal steuern lassen. Dazu zählen z. B. Dienste zur automatischen Erstellung von Applikationskarten zur Düngung auf Basis von Satelliteninformationen oder die Erkennung von Schädlingen auf Basis von Bildanalysen mit Herleitung von Pflanzenschutz-Handlungsempfehlungen für betroffene Felder.
Insgesamt hat die Digitalisierung der Landtechnik und Landwirtschaft sowie die Vernetzung von relevanten Maschinen, Software-Lösungen und Diensten in 2019 nochmals deutlich an Geschwindigkeit aufgenommen. Landwirte und Lohnunternehmer legen ebenso verstärkt Wert auf durchgehende Lösungen und Kompatibilität von Lösungen und Systemen. Die Selbstbestimmung der Datennutzung und Datenspeicherung steht im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung im Fokus. Steigende gesetzliche Auflagen und eine immer umfassendere Gesetzgebung (z. B. Nitratdokumentation) verstärken den Handlungsdruck der Landwirte und Lohnunternehmen, sodass die Bedeutung von Dokumentationslösungen zunimmt.
Datenmanagement: Landwirte und Lohnunternehmer entscheiden
Landwirte und Lohnunternehmen setzen auf Wahlfreiheit in Technik, Maschinen und Software. Je nach Anwendungsgebiet sollen Maschinen unterschiedlichster Hersteller mit unabhängigen Software-Lösungen kombiniert werden. Die Anforderungen der Nutzer sind umfassend. Neben der Entscheidungshoheit, welche Daten an welches Ziel übermittelt werden sollen, steht der sichere Umgang mit den Daten im Vordergrund. Oberste Prämisse hat dabei die Wahrung der Unabhängigkeit, keine herstellerspezifische Lösung darf den Entscheidungsraum der Landwirte und Lohnunternehmer einschränken.
Für die Anwender ist die Entstehung eines Ökosystems mit voller Kompatibilität und Selbst-bestimmung über die Datenflüsse das erklärte Ziel. Der Agrirouter der DKE-Data [4] leistet als neutrale herstellerübergreifende Instanz einen erheblichen Beitrag zur Kompatibilität von Maschinen mit Software-Lösungen.
Bild 1: Agrirouter der DKE-Data
Figure 1: Agrirouter of DKE-Data
Die Anzahl an Gesellschaftern und Partnern des Agrirouters hat 2019 erheblich zugenommen. Mit der Ergänzung, dass der Agrirouter nicht gewinnorientiert betrieben wird, fungiert er als zentrales Steuerungswerkzeug für Landwirte und Lohnunternehmer. Die Hersteller müssen nur eine Schnittstelle und vor allem nur eine aktive Verbindung pflegen. Der Landwirt und Lohnunternehmer stehen im Mittelpunkt sind nicht abhängig von Landtechnik-Herstellern und deren Cloud-Lösungen. Durch den Agrirouter entsteht derzeit ein offenes Landwirt-zentrisches Ökosystem für Datenmanagement und Vernetzung in der Landtechnik.
Herstellerspezifische Cloud-Lösungen mit direkten eins-zu-eins Schnittstellen wurden 2019 unter dem Namen Data Connect [5] von zwei Landtechnik-Full-Linern vorgestellt. Mittels Data Connect werden wenige ausgewählte Telemetriedaten zwischen zwei Herstellern ausgetauscht. Der Landwirt ist dabei von den Herstellern abhängig und kann seine Datenziele nicht frei wählen. Data Connect skaliert nicht zu einem offenen Ökosystem und ist somit nur ein Übergangsschritt hin zum offenen Ökosystem des Agrirouters mit durchgängiger Vernetzung und offenem Datenaustausch und hin zu unterschiedlichster landwirtschaftlicher Anwendungssoftware. Zudem ist der Agrirouter zentral durch den Landwirt steuerbar, frei von Interessen der Maschinen-Hersteller, nicht gewinnorientiert und neutral angelegt.
Arbeitserleichterung und Entscheidungsunterstützung durch Apps und Services
Große Entwicklungen konnte der Bereich der landwirtschaftlichen Software, Apps und Services erfahren. In 2019 wurden zahlreiche einfach bedienbare und leistungsfähige Apps sowie Software-Lösungen für die Landwirtschaft erfolgreich in den Markt eingeführt. Insbesondere die Hersteller von Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmitteln stellen sich durch Digitalisierungsstrategien auf den steigenden politischen Handlungsdruck in Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Die nachfolgende Illustration zeigt eine App zur Erkennung von Schädlingen auf Nutzpflanzen des Anbieters Xarvio [6].
Bild 2: Schädlingserkennung mittels Smartphone-App
Figure 2: Plant protection and anomaly detection by help of smartphone app
Neben der Erkennung von Schädlingen und der Generierung von Handlungsvorschlägen gab es 2019 einen zweiten großen Trend. Die Nutzung der Sentinell-Satellitendaten [7] zur Erzeugung von Applikationskarten wird mittlerweile von mehreren Software-Anbietern realisiert und von Landwirten und Lohnunternehmern vielfach verwendet. Hierbei werden in der Regel wöchentlich Aufnahmen der zu beobachtenden Felder aus dem Weltall vorgenommen. Mittels NIRS werden Fruchtarten, Aufwuchshöhen, Temperatursummen und die Pflanzenvitalität bestimmt. Alle aufgenommenen Daten werden zeitlich sortiert und dienen zur automatischen Ermittlung von Handlungsvorschlägen für Düngung und Pflanzenschutz. Die webbasierten Software-Lösungen generieren daraufhin Applikationskarten im ISOBUS/ISOXML Format, die z. B. mittels Agrirouter nahezu in Echtzeit auf Maschinen/Terminals unterschiedlichster Hersteller übermittelt werden können. Der Fahrer kann diese Applikationskarten dann nutzen, um automatisch und hochpräzise die notwendigen Feldarbeiten durchzuführen. Dies ist ein weiterer Meilenstein des Farming 4.0 bzw. Smart Farming.
Auf Vernetzung und Digitalisierung folgt Automatisierung
Smart Farming, die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung bietet Entwicklungspotenziale für innovative Landtechnik. Während Drohnen mittlerweile seit einigen Jahren z. B. zur Ermittlung von Feldeigenschaften oder zum Aussetzen von Schlupfwespen gegen Maiszünsler eingesetzt werden, sind zunehmend Roboter und kleine Feldschwarm-Einheiten in der Entwicklung. Das nachfolgende Bild zeigt einen Naio [8] Feldroboter, der autonom und selbstständig z. B. mechanische Unkrautbekämpfung durchführen kann.
Bild 3: Autonomer Feldroboter während der mechanischen Unkrautbekämpfung
Figure 3: Autonomous robot performing mechanical plant protection
Fachkräftemangel und zunehmender Genauigkeitsanspruch bei der Behandlung von Feldfrüchten führt zur Entwicklung autonomer Maschinen, die mittlerweile dank Hochleistungskameras und Sensoren einzelne Pflanzen während der Fahrt von Unkräutern unterscheiden können. Arbeitsintensive Feldarbeiten, die keinen Bedarf an großer Massenbewegung haben, lassen sich mittels autonomer Roboter und kombinierter Feldscharm-Technologie zukünftig immer weiter automatisieren. Der Anspruch an Vernetzung und Konnektivität steigt dadurch nochmals an. 4G/5G Mobilfunkverbindungen auf jedem Acker sind notwendig, um diese Geräte optimal einsetzen und steuern zu können.
Insgesamt steht die Entwicklung autonomer Roboter noch am Anfang, durch die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Rechnern, Kamerasystemen und Sensoren wird die Automatisierung von arbeitsintensiven Feldarbeiten weiter vorangetrieben.
Zusammenfassung
Das Jahr 2019 war das Jahr der Vernetzung landwirtschaftlicher Lösungen. Nahezu alle Marktteilnehmer haben erkannt, dass Vernetzung, Smart Farming und die Digitalisierung der Landwirtschaft ein Türöffner für Innovationen sind. Neben dem Beschluss des Ausbaus der Mobilfunk-Infrastruktur mit 4G/5G-Lösungen werden zudem lokale private Mobilfunk-Netze und WLAN-basierte infrastrukturlose Kommunikationsmedien für die Vernetzung von Mensch, Maschine und Software zum Einsatz kommen.
Der Bedarf an Smart Farming, Vernetzung und herstellerübergreifender Zusammenarbeit ist weiter gestiegen. Maschinen mit Telemetrie-Modulen, Terminals mit Online-Connectivity und moderne webbasierte landwirtschaftliche Anwendungssoftware ermöglichen die effiziente Planung, Steuerung und Nachkalkulation landwirtschaftlicher Arbeite.
Viele Maschinenhersteller haben sich durch eigene Portale „my-NAME“ (z. B. mykrone.green) [9] deutlich im Rahmen der Digitalisierung, der Geschäftsmodelle und des eigenen Dienstleistungsangebots aufgestellt. Maschinendaten, Telemetrie, Dokumentation, Service und digitale maschinenbezogene Dienste wachsen mehr und mehr und entwickeln sich zum gewohnten Funktionsumfang einer Landmaschine. Motorleistung on Demand (KRONE Xtra-Power [10]) dient als Beispiel für direkte onlinebasierte Freischaltung von Funktionen auf Maschinen in Abhängigkeit der flexiblen und situationsabhängigen Bedürfnisse der Landwirte und Lohnunternehmer.
Die Forderung nach offenen, einfachen und übergreifenden Lösungen weitet sich permanent aus. Zudem verschärfen sich gesetzliche Anforderungen für den Datenschutz, die Dokumentationsauflagen in der Landwirtschaft werden immer größer und Arbeitsprozesse komplexer.
In den nächsten Jahren wird die Standardisierung im Datenaustausch durch die Branchen-Verbände, Förderprojekte und durch das Engagement von offenen Landtechnik-Herstellern weiter forciert. Zudem wird die digitale Welt der Agrar-Software weiter rasant wachsen. Mehrwertdienste, Apps und neue Geschäftsmodelle (z. B. Pay per Use, Leistungsgarantien) werden technologische Entwicklungen mit wirtschaftlicher Attraktivität generieren. Neben den leistungsorientierten Entwicklungen und Prozess-Optimierungswerkzeugen wird der ressourcenschonende Umgang mit Dünger und Pflanzenschutz durch intelligente digitale Lösungen gefördert. Vernetzung von Maschinen, Sensoren und Pflanzenbau-Aktivitäten wird weiter steigen, Automatisierung und Autonomie werden Smart Farming maßgeblich auszeichnen.
Literatur
[1] Karliczek, A.: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig“. Berlin, 21.11.2018. URL – https://www.wiwo.de/politik/deutschland/forschungsministerin-karliczek-5g-ist-nicht-an-jeder-milchkanne-notwendig/23663688.html - Zugriff am 29.02.2020.
[2] Zuntz, R.: Digitale Experimentierfelder starten. URL – https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/_Texte/DigitaleExperimentierfelder.html - Zugriff am 17.10.2019.
[3] Rilling, S.: Smart Farming für Europa. URL – https://lu-web.de/redaktion/news/smart-farming-fuer-europa/ und https://www.iais.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/presseinformationen-2019/presseinformation-191111.html - Zugriff am 13.11.2019.
[4] Sonnen, J.: DKE-Data GmbH & Co. KG, Agrirouter Osnabrück, 08.10.2019.
[5] Feuerborn, B.: Claas und John Deere: Mit DataConnect Maschinendaten tauschen. URL – https://www.agrarheute.com/technik/john-deere-claas-dataconnect-558557 - Zugriff am 16.09.2019.
[6] Girg, A.-G. und Muff, M.: xarvio™ – Digital Farming Solutions. URL – https://www.xarvio.com/de/de.html - Zugriff am 10.10.2019.
[7] Ehrenfreund, P.: Die Sentinel-Satellitenfamilie. URL – https://www.d-copernicus.de/daten/satelliten/daten-sentinels/ - Zugriff am 15.12.2019.
[8] Severac, B.: Naio Technologies. URL – https://www.naio-technologies.com/ - Zugriff am 15.10.2019.
[9] Streif, M.: Maschinenfabrik Bernard KRONE GmbH & Co. KG. URL – https://mykrone.green/ - Zugriff am 10.11.2019.
[10] Schulz, M.: Maschinenfabrik Bernard KRONE GmbH & Co. KG. URL – https://landmaschinen.krone.de/deutsch/news/das-zeigt-krone-auf-der-agritechnica-2019/weltneuheit-xtrapower/ - Zugriff am 10.11.2019.
Autorendaten
Dipl.-Wirt.-Inf. (FH) Jan Horstmann ist Leiter der Elektronik und Produktinformatik bei der Maschinenfabrik Bernard KRONE GmbH & Co. KG in Spelle.