Beitrag in Jahrbuch 2014

Automatisierungstechnik Assistenz- und Automatisierungslösungen

Kurzfassung:

Kurzfassung Der Einsatz von Assistenz- und Automatisierungslösungen bei modernen Landmaschinen schreitet immer weiter voran. Neue und komplexere Sensorik, optimierte Algorithmen, güns-tigere Elektronik und permanent steigende Rechnerleistung haben allein in den letzten zwei Jahren zu einer Vielzahl neuer Lösungen am Markt geführt. Dabei kann zwischen rein über-wachenden Systemen, die informieren oder Empfehlungen ausgeben, sowie regelnden As-sistenzsystemen unterschieden werden, die den Fahrer bei komplexen, monotonen oder hochdynamischen Aufgaben unterstützen. Nachfolgend wird eine exemplarische Übersicht verschiedener Systeme gegeben die in den vergangenen zwei Jahren präsentiert wurden.

Volltext

Einleitung

Die letzten Jahre waren bei den Landtechnikherstellern vor allem durch die Erfüllung der verschärften Abgasrichtlinien geprägt, was große Teile der Entwicklungskapazitäten gebun-den hatte. Mittlerweile tritt wieder zunehmend der Bereich der Automatisierungs- und Assis-tenzsysteme in den Fokus der Entwickler. Ökonomische, ergonomische aber auch ökologi-sche Aspekte sind hier die treibenden Faktoren. Daneben sollen die Systeme auch weniger versierten Fahrern mit entsprechend digitaler Unterstützung helfen, gute Arbeitsergebnisse während der zum Teil sehr kurzen Ernteperioden zu erzielen. Die Rolle des Maschinenführers verlagert sich daher immer stärker vom klassischen Arbeiter hin zu einem Manager, der die zunehmend automatisierten Arbeitsprozesse nur noch kontrolliert und Entscheidungen trifft. Bei den folgenden Beispielen für Assistenz- und Automatisierungslösungen wird zwischen informierenden Systemen, die die Arbeitsprozesse überwachen und Empfehlungen ausgeben sowie regelnden Systemen unterschieden, die die Prozesse selbsttätig anpassen und optimieren.

Informierende Systeme

Ein Beispiel für ein informierendes System ist das im Jahr 2011 von der Firma Claas für Mähdrescher entwickelte CEMOS. Bei modernen Mähdreschern müssen vom Fahrer per-manent über ein Dutzend Prozessgrößen beobachtet werden, um die mehr als 50 verschie-denen Maschinenparameter zur Einstellung der Arbeitsorgane anzupassen und somit eine optimale Arbeitsqualität zu erreichen. Da dies zum einen sehr viel Erfahrung vom Fahrer erfordert und über einen längeren Zeitraum anstrengend ist, liefert das CEMOS System auf Basis aktueller Sensordaten eine Empfehlung zur optimalen Maschineneinstellung. Der Fah-rer kann anschließend selber entscheiden, ob er die Empfehlung annimmt oder die bisherigen Einstellungen beibehält. In einer weiteren Ausbaustufe kann das System die Einstellungen auch selbsttägig anpassen, ohne weiteren Fahrereingriff. Neben einer deutlichen Fahre-rentlastung wird somit auch ungeübten Fahrern ermöglicht, gute Arbeitsergebnisse zu erzie-len. Parallel zum CEMOS wurde von Claas vor zwei Jahren ein Online-Simulator für Mäh-drescher vorgestellt. Mit solchen Systemen sollen die Fahrer bereits im Vorfeld der Ernte-kampagne unter virtuellen Bedingungen für die Arbeit auf dem Mähdrescher geschult und trainiert werden. Je nach eingestellten Umwelt- und Erntebedingungen bekommt der Nutzer simulierte Messdaten vom Arbeitsprozess und dem Erntegut angezeigt. Durch Änderung der Maschineneinstellungen ändern sich auch diese Messdaten und der Fahrer kann nachvoll-ziehen, welche Einflüsse seine Änderungen auf den Arbeitsprozess haben und wie er das Arbeitsergebnis optimieren kann [1].

Ebenfalls als neues Assistenzsystem von Claas im Mähdrescher wurde eine Kamera zur Erfassung von Bruchkorn und Nichtkornbestandteilen präsentiert. Die "Grain Quality Camera", eine im Getreidestrom integrierte hochauflösende Kamera, erfasst zerbrochene Getreidekörner sowie Fremdpartikel und stellt die Ergebnisse dem Fahrer grafisch dar. Um die sich schnell bewegenden Körner scharf abbilden zu können sind kurze Verschlusszeiten der Kamera erforderlich. Daher wurde eine zusätzliche Belichtungseinheit mit in das Ge¬häuse integriert. Anstelle der bisherigen subjektiven Einschätzung mittels Blick in den Korntank können die Arbeitsorgane nun auf Basis objektiver Messdaten besser eingestellt werden als bisher [2].

 

Bild 1: Grain Quality Camera (links) und verarbeitetes Bild (rechts) [2]

Figure 1: Grain Quality Camera (left) and processed image (right) [2]

Von der Firma Kotte Landtechnik wurde unter dem Namen "Flow Check" ein System zur Prozessüberwachung präsentiert. Beim Gülleaustrag mittels Schleppschläuchen kann es zu einer Verstopfung der Schläuche kommen, die bei der Gülleunterfußdüngung nicht direkt erkannt wird. Um die nötige Prozesssicherheit zu gewährleisten muss der Durchfluss in den Verteilschläuchen permanent überwacht werden. Dabei nutzt man den Umstand, dass die Schläuche beim Gülledurchfluss ein charakteristisches akustisches Spektrum emittieren, das von installierten Mikrofonen aufgezeichnet werden kann. Ändert sich dieses Signal infolge einer Verstopfung, so erkennt dies eine nachgeschaltete Auswerteeinheit und schlägt Alarm. Da das Verfahren berührungslos arbeitet, muss kein Sensor unmittelbar in den Flüssigkeits-strom eingreifen [3].

Regelnde Systeme

Neben den vorgestellten überwachenden und informierenden Assistenzsystemen gab es in den letzten Jahren auch eine Vielzahl von Neuentwicklungen bei den regelnden Systemen. Diese sollen den Fahrer in den Bereichen unterstützen, in denen der Prozess zu komplex, zu monoton oder zu schnell abläuft. Ein Beispiel dafür ist die Regelung der Austragsmenge für eine Feldspritze bei der Kurvenfahrt. Durch unterschiedliche Winkelgeschwindigkeiten be-wegen sich die kurvenäußeren Düsen sehr viel schneller als die Kurveninneren. Daher wird der Sollwert an zu applizierendem Spritzmittel unter- bzw. überschritten. Daher muss jede Düse in Abhängigkeit ihrer Winkelgeschwindigkeit einzeln geregelt werden, um eine gleich-mäßige Austragsmenge auf der Fläche zu erreichen. Unter dem Namen "Curve Control Ap-plication" wurde von der Firma Dammann eine solche automatisierte Teilbreitenschaltung für Feldspritzen vorgestellt. Mit Hilfe eines Drehratensensors und der aktuellen Fahrgeschwin-digkeit kann die Winkelgeschwindigkeit für jeden Punkt entlang des Gestänges abgeleitet werden. Daraus wird in einem zweiten Schritt die erforderliche Austragsmenge berechnet und die Düsen werden adaptiv geregelt. Eine wesentlich gleichmäßigere Verteilung ist das Resultat [4].

Auch für eine aktive Schwingungstilgung des Spritzgestänges wurde im letzten Jahr unter dem Namen "Swingcut" ein neues System der Firma Lemken präsentiert. Die durch Wind, Bodenunebenheiten, Beschleunigen oder Kurvenfahrten auftretenden horizontalen Schwin-gungen des Gestänges werden mittels zwei 3D Time-Of-Flight Kameras erfasst. Auf Basis der erfassten Schwingungsfrequenzen werden die Bewegungen des Gestänges mittels aktiver elektro- bzw. magnetorheologischer Dämpfer im Bereich der Aufhängung gezielt getilgt [5].

Neben Assistenzsystemen für eine optimierte Verteilung von Spritzmitteln wurden ebenfalls neue Systeme zum verbesserten Austrag bei Düngerstreuern vorgestellt. Während das Streubild hier bislang manuell geprüft werden musste, verwendet die Firma Rauch beim "Axmat" vier Radarsensoren, die unabhängig von Staub und Witterung zyklisch das aktuelle Streubild erfassen. Diese Daten werden mit dem idealen Streubild verglichen und die Ein-stellungen des Düngerstreuers werden entsprechend adaptiv angepasst. Somit wird eine ideale Verteilung des Düngers gewährleistet [6].

Bild 2: Radarbasierte Regelung des Streubilds bei einem Düngerstreuer [6]

Figure 2: Radar based closed loop control for an optimized fertilizer distribution [6]

Auch für die adaptive Verteilung von Spreu und Stroh nach dem Häckselprozess bei einem Mähdrescher wurde im vergangenen Jahr von Claas eine Automatisierungslösung vorgestellt. Das Arbeitsergebnis des Radialverteilers am Mähdrescher wird signifikant vom Seitenwind und der Geländetopographie bestimmt. Bislang obliegt es dem Fahrer zu prüfen, ob das Material gleichmäßig verteilt wird oder ob die Wurfrichtung manuell angepasst werden muss. Bei dem neuen System sind zwei pendelnd aufgehängte Leitbleche an den Beleuch-tungsarmen am Maschinenheck montiert. Diese werden sowohl durch den Seitenwind als auch durch die Hangneigung ausgelenkt. Über entsprechende Filteralgorithmen können Windböen oder kurzfristige Windabschattungen berücksichtigt werden. Auf Basis der Mess-werte werden im Anschluss die Paddel am Radialverteiler angepasst, so dass das Stroh stärker gegen den Seitenwind bzw. Hangaufwärts geworfen wird. Durch die permanente An-passung wird der Fahrer deutlich entlastet und ein besseres Arbeitsergebnis erzielt [1].

 

Bild 3: Adaptive Verteilung von Häckselgut und Spreu [1]

Figure 3: Adaptive distribution of chopped straw and chaff [1]

Maschinenübergreifende Systeme

In der Vergangenheit wurden durch den Einsatz des ISOBUS vielfältige Systeme zur Auto-matisierung ermöglicht. Bislang greift der im Anbaugerät verbaute Jobrechner per ISOBUS auf die Einstellungen vom Terminal sowie die relevanten Fahrzeugdaten des Traktors, wie z.B. Fahrgeschwindigkeit oder Lenkwinkel zurück. Zukünftig soll das Anbaugerät jedoch auch in der Lage sein, diese Stellgrößen am Traktor gezielt zu beeinflussen, beispielsweise um die Fahrgeschwindigkeit oder die Fahrrichtung anzupassen. Für dieses als Tractor-Implement-Management (TIM) bezeichnete Verfahren wurden in den letzten Jahren die ersten Systeme präsentiert, wie z.B. eine Quaderballenpressen-Traktor-Kombination der Firma Claas. Durch eine Erfassung der Leistungsdaten an der Ballenpresse, wie beispielsweise der Pick-Up oder des Schneidrotors, kann die Auslastung der Presse bestimmt werden. Je nachdem ob maximale Qualität oder maximale Leistung gewünscht ist, wird die Fahrgeschwindigkeit des Traktors von der Presse geändert. Auch herstellerübergreifend könnten solche Systeme in Zukunft funktionieren. Dazu präsentierte die Firma Pöttinger einen Ladewagen in Kombination mit einem Traktor der Firma John Deere. Auch hier kann der Ladewagen die Geschwindigkeit des Traktors gezielt beeinflussen um ein optimales Arbeitsergebnis zu erzielen. Über zusätzliche Ultraschallsensoren an der Traktorfront kann die Schwadstärke frühzeitig erfasst werden, um genügend Reaktionszeit zum Beschleunigen und Verzögern vorzuhalten. Jedoch ist gerade bei Kombinationen von Geräten unterschiedlicher Hersteller die Haftungsfrage bei einem Versagen des Systems noch nicht abschließend geklärt, denn nicht immer lässt sich im Nachhinein rekonstruieren, welches Gerät zum Fehlerfall geführt hat [1; 7].

Bild 4: Intelligente Traktor-Ladewagen Kombination [7]

Figure 4: Intelligent Tractor-Loading Wagon Automation [7]

Zusammenfassung

Die dargestellten Assistenz- und Automatisierungslösungen stellen nur einen kurzen Abriss der in den letzten Jahren neu entwickelten Systeme dar. Durch neuartige Sensoren, leis-tungsfähigere Rechner und bessere Algorithmen sind in den nächsten Jahren jedoch weiter-hin große Zuwächse in diesem Bereich zu erwarten. Sollte diese Prozessautomatisierung weiterhin in dem Tempo voranschreiten wie es schon bei der automatischen Spurführung der Fall war und kann die erforderliche Sicherheit gewährleistet werden, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten fahrerlosen Maschinen die Felder bearbeiten [8; 10; 11].

Literatur

[1] CLAAS KGaA mbH: URL http://www.claas.de/. Harsewinkel, 05.01.2015.

[2] Escher, M.; Krause, T.: Grain Quality Camera. In: Proceedings of the 4th International Conference on Machine Control and Guidance (MCG) 19th - 20th March 2014 - Tech-nische Universität Braunschweig, Germany.

URL: http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00056119.

[3] Kotte Landtechnik GmbH & Co. KG: URL http://www.garant-kotte.de/. Rieste, 05.01.2015.

[4] HERBERT DAMMANN GmbH: URL http://www.dammann-technik.de/. Buxtehude-Hedendorf, 05.01.2015.

[5] LEMKEN GmbH & Co. KG: URL http://lemken.com/. Alpen, 05.01.2015.

[6] Rauch Landmaschinenfabrik GmbH: URL http://www.rauch.de/. Sinzheim, 05.01.2015.

[7] Alois Pöttinger Maschinenfabrik GmbH: URL http://www.poettinger.at/. Grieskirchen - Österreich, 05.01.2015.

[8] Hertzberg, J.: Autonome Systeme in der Landwirtschaft. In: Tagungsband Vernetzte Landtechnik - Nutzen für die Betriebsführung; KTBL-Tagung 1-2.04.2014 in Potsdam, pp 57-63, KTBL Darmstadt

[9] Bernardi, A., et. al.: Intelligente Wissenstechnologien für das öffentlich private Wis-sensmanagement im Agrarbereich - Schlussbericht iGreen (2014). http://www.igreen-projekt.de/iGreen/fileadmin/Download/iGreen_Schlussbericht_Verbund_final.pdf, letzter Zugriff 05.01.2015

[10] Albert, A.: Autonome Systeme in Haus und Hof / auf Feld und Straße. VDI-Arbeitskreis LANDTECHNIK in Köln, 09.12.2014, http://www.f09.fh koeln.de/imperia/md/content/ltre/forschung/publikationen/vortraege/vdi/vortrag_autonome_systeme_2014_bosch_albert.pdf, letzter Zugriff 15.02.2015, Köln 2014

[11] Reiter, H.: Vom Dieselross zum autonomen Traktor - Intelligente Assistenzsysteme für die Landtechnik, Fachtagung Automobilwoche 15.05.2014, http://www.automobilwoche-konferenz.de/beitraege/pdf/reiter.pdf , letzter Zugriff 15.02.2015, München 2014

Empfohlene Zitierweise:
Robert, Markus: Assistenz- und Automatisierungslösungen. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2014. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2015. – S. 1-7

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