Beitrag in Jahrbuch 2013
Technik für den Hackfruchtanbau Kartoffeltechnik
Kartoffeltechnik
Michael Klindtworth und Johannes Sonnen,
Grimme Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG
Kurzfassung
Der weltweite Anbau und die Ernte von Kartoffeln sind von zunehmender Mechanisierung und Professionalisierung geprägt. Die Bodenbearbeitung erfordert größere Arbeitsbreiten für mehr Schlagkraft. Bei Legemaschinen stehen die Ablagegenauigkeit der Knollen bei höheren Fahrgeschwindigkeiten und die Verteilung der Knollen auf der Fläche zur Diskussion. Weiter-entwickelte elektronische Assistenzsysteme entlasten den Fahrer bei Routinearbeiten. Während der Feldarbeit im Frühjahr gilt dies besonders für komplexe Maschinen, mit denen in einer Überfahrt mehrere Arbeitsgänge kombiniert werden. Bei der Ernte der Kartoffeln stehen sowohl einzelne technische Komponenten als auch die Kombination von Gerät und Traktor zu einer intelligenten Einheit im Fokus der Entwicklungen. Erstmals wird ein neues pneumatisches Trenngerät auf einem gezogenen Kartoffelvollernter vorgestellt, mit dem sowohl die Trennleistung als auch die Produktschonung verbessert werden sollen.
Schlüsselwörter
Kombinierte Arbeitsverfahren, 3-reihiger Anbau, Kartoffelernte, pneumatisches Trenngerät (AirSep), angereichertes Ernteverfahren, absetziges Ernteverfahren, Einlagerung von Kartoffeln
Potato Technology
Michael Klindtworth und Johannes Sonnen,
Grimme Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG
Abstract
The global production and harvest of potatoes is characterized by an increase of mechanization and more and more professional growers. Technical developments lead to larger machines, especially for tillage and the combination of several steps in planting. With respect to harvest and storage, the technical developments focus on optimization of the whole production chain and components. For the first time a new pneumatic separator is shown on a two-row trailed harvester.
Keywords
3-row planting systems, electronic assistance systems, combined tillage planting machines, pneumatic separator (AirSep), logistics, storage and handling equipment
Einführung
Die Kartoffel ist eine der wichtigsten Kulturen für die Ernährung des Menschen. In vielen Ländern nehmen sowohl der Konsum als auch der Qualitätsanspruch zu. Dies führt zu einer verstärkten Mechanisierung des Kartoffelanbaus und damit auch zu neuen Anforderungen an die Technik. Im internationalen Vertrieb dominieren nach wie vor europäische und nord-amerikanische Hersteller. Trotz Veränderungen bei einzelnen Herstellern ist deren Anzahl insgesamt nahezu unverändert. Durch Allianzen im internationalen Vertrieb können sich auch kleinere Hersteller gegenüber dem Kunden als "Full-Liner" mit einer breiten Produkt¬palette präsentieren. Die zunehmende Spezialisierung bei den Kartoffel anbauenden Betrieben führt dazu, dass auch weiterhin die Rationalisierung und Leistungssteigerung in allen Bereichen im Vordergrund der technischen Entwicklungen steht. Ausgewählte Beispiele sollen nachfolgend vorgestellt werden.
Technik zum Legen und Pflegen der Kartoffel
Legetechnik
Die auf der Agritechnica 2013 "neu" vorgestellte Knollenablage in 3 Reihen in einem gemein-samen (separierten) Beet (Bild 1) wurde bereits in den 60er Jahren diskutiert [5]. Obwohl schon damals qualitative und ökologische Vorteile beschrieben wurden, fand das Verfahren keine Verbreitung, weil die notwendige Erntetechnik mit Aufnahmeweiten von 150 bis 170 cm und die dafür erforderliche Traktorleistung in der Praxis kaum verfügbar waren. Inzwischen gewinnt es international besonders für "salads" (kleine, gleichmäßige Speisekar¬toffeln) an Bedeutung.
Bild 1: Schematische Darstellung der Knollenverteilung beim 2-reihigen Anbau in Dämmen (A)
und beim 3-reihigen Anbau im Beet (B) bei einer Spurweite von 180 cm und einer Legedichte
von 500 Knollen/100 m² (verändert nach [5])
Figure 1: Schematic view and comparison of the individual place of tubers in 2-row (A) and 3-row-bed (B) planting systems at a track width of 180 cm and 500 tubers/100m² (modified [5])
Die Technik für eine gezielte Ablage der Knollen mit variablem Pflanzabstand in der Reihe, so genanntes "Section Control", ist sowohl für Becher- als auch für Riemenlegemaschinen verfügbar. Unter Verwendung von Positionsdaten kommt der geregelte Einzelreihenantrieb vor allem bei der Anlage von Fahrgassen und dem kontrollierten, reihenabhängigen Ein- und Aussetzen entlang einer virtuellen Linie (u.a. auf keilförmigen Flächen) zum Einsatz. Weiter-gehende Entwicklungen, bei denen sowohl die Pflanzendichte als auch die Düngung teil-flächenspezifisch realisiert werden, haben bisher kaum Eingang in die Praxis gefunden.
Kombinierte Arbeitsverfahren, Pflanzenschutz und Reihendüngung
Vor dem Hintergrund weiter zunehmender Traktorleistungen veranschaulicht Bild 2 A C zwei Tendenzen bei der Rationalisierung der Anbautechnik von Kartoffeln. Einerseits nehmen die Arbeitsbreiten der Maschinen zu und überschreiten dabei die bisher im westeuropäischen Straßenverkehr üblichen Maße von maximal 3,30 m. Als Konsequenz werden vermehrt Klapp- und Faltmechanismen bei 8-reihigen Bodenbearbeitungsgeräten (Bild 2 A) oder 8 reihigen Legemaschinen (Bild 2 B) für die Straßenfahrt angeboten. Andererseits gewinnt die Kombination von Arbeitsgängen weiter an Bedeutung. Mehrere Hersteller bieten in¬zwischen Maschinen an, bei denen eine Komponente der aktiven Bodenbearbeitung (Fräse, Kreiselegge, Kreiselgrubber) vor der eigentlichen Knollenablage integriert ist. Dies gilt sowohl für angehängte als auch für Maschinen, die im Heck getragen werden. Inzwischen gibt es aufgesattelte 8-reihige Legemaschinen mit integrierter Bodenbearbeitung (Bild 2 C).
Bild 2 A-C: Für die Straßenfahrt klappbare, 8-reihige Technik für die Bodenbearbeitung und für das Legen von Kartoffeln (Bild 2 A [6]; 2 B [7]; 2 C [9])
Figure 2 A-C: 8-row foldable technology for tillage and planting of potatoes (2 A [6]; 2 B [7]; 2 C [9])
Neben der mechanischen Kombination von Bodenbearbeitung und Legen gewinnt die "multiple-application" aus Flüssigbeizung der Knolle, Furchenbehandlung und Reihendün¬gung unter der Knolle an Bedeutung. Die besondere technische Herausforderung liegt in der kontrollierten Ausbringung trockener und flüssiger Dünge- und Pflanzenschutzmittel bei vergleichsweise hohen Fahrgeschwindigkeiten.
Der chemische Pflanzenschutz wird im Nachauflauf zunehmend durch mechanische Maßnahmen unterstützt. Dazu kommen derzeit vor allem schälende und schneidende Werk-zeuge zum Einsatz, die mit Messern mit einer Arbeitstiefe von ca. 10-15 mm an der Damm-flanke arbeiten. Die Führung erfolgt dabei über Tasträder.
Mehrjährige Feldstudien haben gezeigt, dass Kompost zur Reduzierung von Rhizoctonia solani eingesetzt werden kann [3]. Um die Aufwandmenge des Kompostes zu reduzieren, wird dieser nicht ganzflächig, sondern nur im unmittelbaren Umfeld der Knolle in Reihe ausgelegt. Hierzu wird erstmals eine kommerzielle, 4-reihige Pflanzmaschine mit Vorrats-behälter für Kompost vorgestellt [7].
Erntetechnik
Kartoffeln werden für unterschiedliche Verwendungszwecke angebaut. In Abhängigkeit der späteren Verwertung (u.a. Speise-, Stärke- oder Veredlungskartoffel) steht bei der Ernte entweder die Produktqualität (v.a. bei Speisekartoffeln) oder eher die Flächenleistung und damit die Quantität (v.a. bei industrieller Weiterverarbeitung) im Vordergrund.
Weiterentwicklung von Arbeitsverfahren bei der Kartoffelernte
Aus der Praxis ist ein vermehrtes Interesse an geteilten oder angereicherten Ernteverfahren zu verzeichnen. In beiden Fällen kommen zwei- oder vierreihige Schwadleger zum Einsatz. Beim geteilten Ernteverfahren werden die Kartoffeln zunächst aus dem Damm gerodet, dann oberflächlich abgelegt und nach einer Abtrocknungsphase von der eigentlichen Erntema-schine aufgenommen. Das Verfahren ermöglicht eine deutliche Verbesserung der Lager-eigenschaften.
Beim angereicherten Ernteverfahren werden die Knollen aus zwei oder vier Reihen gerodet und zwischen zwei bzw. vier ungerodeten Dämmen abgelegt. Im zweiten Arbeitsschritt werden dann die oberflächlich ablegten und die noch im Damm befindlichen Kartoffeln gemeinsam von der Erntemaschine aufgenommen. Neben herkömmlichen Schwadlegern mit seitlicher Ablage werden auch geschobene Modelle für die Fronthydraulik des Rodetraktors ("Frontroder") angeboten. Die Hersteller der Frontroder bieten zwei verschiedene Bauweisen an. Meist werden mittig zwei Reihen gerodet, die von einem seitengezogenen Roder aufge¬nommen werden (Bild 3).
Bild 3: Schematische Darstellung des angereicherten Ernteverfahrens mit einem 2-reihigen Roder
im Frontanbau und einem 2 -reihigen seitengezogenen Roder unter Berücksichtigung der Problematik von Lenkbewegungen.
Figure 3: Schematic view on an enriched harvesting system 2 in 2 rows. The tractors pushes a 2-row winrower in the front and pulls a 2-row off-set harvester in the back. The difficulties of steering along the row and the risk of damaged potatoes are indicated.
Alternativ werden frontseitig jeweils eine Reihe links und rechts außen gerodet und in der Mitte unter dem Traktor zwischen den beiden ungerodeten Reihen zusammengeführt. Im angereicherten Verfahren werden dann mit einem mittig gezogenen Roder ebenfalls insge-samt 4 Reihen aufgenommen. Bauartartbedingt verfügen die kurzen Frontroder nur über eine sehr begrenzte Siebleistung. Außerdem reagieren sie auf Grund der gegebenen Kinematik stark auf Lenkbewegungen des Traktors, so dass das Risiko von Damm- und Knollenbeschädigungen steigt (Bild 3). Nichtsdestotrotz ergibt sich durch das angereicherte Ernteverfahren bei Verwendung einer zusätzlichen, vergleichsweise einfachen Erntemaschi-ne eine Verdopplung der Erntemenge in einer Überfahrt.
Trenngeräte für die Kartoffelernte
Mit zunehmendem Durchsatz in den Maschinen steigen auch die Anforderungen an die Trenngeräte. Erstmals wurde ein pneumatisches Trenngerät für Steine und feuchte Kluten auf einem 2-reihigen gezogenen Kartoffelvollernter gezeigt, dass nicht saugend, sondern drückend arbeitet [9]. Pneumatische Verfahren haben generell den Vorteil verbesserter Pro-duktschonung bei hohen Durchsätzen. Im Vergleich zu den bisher aus Nordamerika bekann-ten saugenden Verfahren (so genannte "AirHeads") ist der Leistungsbedarf des neuen "AirSep" deutlich reduziert [9]. Bei dem neuen Trenngerät werden die Kartoffeln und Steine vom 2. Siebband (Bild 4, A) auf das Trenngerät übergeben. Ein Druckgebläse (B) bläst Luft von unten durch einen perforierten, oszillierenden Förderboden (C) und hebt die Kartoffeln damit aus dem Gutstrom. Die schweren Steine und große feuchte Kluten rutschen auf dem Förderboden in Richtung Beimengen-Abfuhrband (D) während die Kartoffeln in Richtung Verlesetisch (E) weitergefördert werden. Leichte Krautteile werden nach oben ausgeblasen.
Bild 4: Funktionsprinzip des pneumatischen Trenngerätes "AirSep" (verändert nach [9])
Figure 4: Principle of the pneumatic separator "AirSep" (modified [9])
Als weitere Messeneuheit wurde eine 2-reihige Erntemaschine vorgestellt, bei der alle Trenn-geräte und Siebbänder hydraulisch angetrieben werden, so dass Drehzahlen gezielt an die jeweiligen Erntebedingungen angepasst werden können. Besonderheit der Maschine ist eine hydraulisch nach außen verschiebbare Achse für die Feldarbeit bei gleichzeitiger Einhaltung einer Maschinenbreite von 3 m bei Straßenfahrt [11].
Hydraulische Antriebe haben sich in der Landtechnik insgesamt sehr bewährt. Häufig weisen sie jedoch im Vergleich zu mechanischen Antrieben schlechtere Wirkungsgrade auf. Um diesen Nachteil zu reduzieren, wurden diverse Versuche mit elektrischen Antrieben unter-nommen, denn sie gelten als besonders effizient. Im Gegensatz zur Verwendung bei anderen Erntemaschinen (u.a. Feldhäcksler, Mähdrescher) konnten die Erwartungen zur Verbesserung der Wirkungsgrade bei der Kartoffelernte bisher nur beschränkt bestätigt werden [1]. Der Autor sieht außerdem noch erhebliches Potential in der Verbesserung der Dauerbelastbarkeit der Technik, der Energiedichte und bei den Beschaffungskosten. Es ist zu erwarten, dass diese insgesamt vielversprechende Technik erst dann stärkere Ver¬breitung findet, wenn sich die Hersteller der Elektroantriebe und die Hersteller der Land¬technikbranche auf umfassende Standards geeinigt haben und die einzelnen Komponenten harmonisch auf einander abgestimmt und preiswerter verfügbar sind.
Elektronikeinsatz
Moderne Kartoffeltechnik ist ohne den Einsatz von Elektronik nicht mehr vorstellbar. Dabei wird die Sensorik der angebauten/ angehängten Maschine immer stärker mit den Regel-mechanismen des Traktors vernetzt [4]. Dies bezieht die Front- und Heckhydraulik, geförder-te Ölmengen und Zapfwelldrehzahl genauso mit ein wie Vorfahrtgeschwindigkeit und Wendemanöver am Vorgewende. Für effektives Traktor-Implement-Management (TIM) gibt es gerade im Bereich des Kartoffelbaus zahlreiche gut funktionierende Beispiele. So stehen angebaute Legemaschinen zur Verfügung, bei denen ein Sensor im Bereich des Damm-formbleches die Erde davor erfasst, um die Bearbeitungstiefe der Bodenbearbeitung unabhängig vom Füllstand des Pflanzgut-Vorratsbehälters zu regeln.
Bei Erntemaschinen übernehmen mehrere aufeinander abgestimmte Sensoren (u.a. Füll-stand des 1. Siebbandes, Schlupfüberwachung am 2. Siebband und Auslastung der Trenn-geräte) die Regelung der Vorfahrtgeschwindigkeit und die Regelung der Banddrehzahl im Trenngerät. Mechanische Tasteinrichtungen, die die Kontur und die Richtung der Dämme erfassen, entlasten den Fahrer von Routinearbeiten und übernehmen schon heute das Lenken entlang der Reihe. In der Summe sind so bereits heute "modulare Selbstfahrer" [4] verfügbar, bei denen ein moderner Traktor mit der angehängten Erntemaschine zu einer Systemeinheit vernetzt wird.
Die Praxis zeigt, dass vom Menschen gesteuerte Gespanne vorwiegend defensiv betrieben werden, um mögliche Verstopfungen der Trennorgane und damit Stillstandzeiten präventiv zu vermeiden. Elektronisch geregelte Gespanne bzw. die oben beschriebene Ausbaustufe zum "modularen Selbstfahrer" (Bild 5) nutzen die noch verfügbaren technischen Leistungs-reserven besser aus und können so ohne großen Aufwand zu einer deutlichen Leistungs-steigerung während der Erntesaison beitragen. Voraussetzung ist, dass die verfügbare Elektronik und der Datenaustausch in standardisierten Formaten (u.a. ISO 11783) auch zukünftig weiter von allen Beteiligten vorangetrieben werden.
Bild 5: Positionierung der Sensoren zur Bestimmung der Vorgabe von Fahrgeschwindigkeit und Zapfwellendrehzahl
Figure 5: Positioning the sensors to determine the standard travelling speed and p.t.o speed
Zusammenfassung
Die Technik zum Anbau und für die Ernte von Kartoffeln hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung erfahren. Der vorliegende Beitrag geht auf ausgewählte technische und verfahrenstechnische Weiterentwicklungen ein. Im Bereich der Frühjahrstechnik werden größere Arbeitsbreiten bei Bodenbearbeitung und Pflanztechnik vorgestellt. Mit der 3 reihigen Ablage im (separierten) Beet wird eine pflanzenbaulich attraktive Verteilung der Knollen auf der Fläche neu belebt. Die inzwischen gute Verfügbarkeit 2-reihiger Erntetechnik kann zur Verbreitung dieser "neuen" Technik beitragen.
Für die schonende Trennung von Kartoffeln und Steinen bei der Ernte wird ein neues, pneumatisches Trennverfahren vorgestellt. Weiterhin werden Maschinenkonzepte für das absetzige und angereicherte 2- bis 4-reihige Ernteverfahren vorgestellt und einordnend bewertet. Abschließend geht der Beitrag darauf ein, wie moderne Traktoren und angekop-pelte Maschinen auf der Basis standardisierter Elektronik effektiv vernetzt werden können.