Beitrag in Jahrbuch 2022
Digitalisierung und Automatisierung Automatisierungs- und Robotersysteme
Technologische Schlüsselkomponenten der digitalen Transformation
Der Einsatz innovativer Technologien hat das Potenzial zur Gestaltung einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Der Einsatz technologischer Hilfsmittel wie Elektronik, Kommunikation, Sensorik, Datenmanagement oder Dateninterpretation wird häufig verkürzt als „Digitalisierung“ bezeichnet, allerdings löst die Digitalisierung eines Prozesses oder Verfahrens nicht zwangsläufig eine Problemstellung [1]. Dies wird erst durch das erfolgreiche Zusammenspiel komplexer – über die Technik hinausgehender – Themen im Rahmen einer digitalen Transformation möglich. In diesem Kapitel zur Automatisierung und Robotik werden daher zunächst die technologischen Trends für 2022 fokussiert, dies sind insbesondere die Themen digitaler Zwilling, KI und Feldroboter. Darüber hinaus prägte der Übergang vom Feldroboter zur Feldrobotik mit „neuer Interdisziplinarität“ in 2022 zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur nutzenbringenden Praxisintegration der Verfahren. Wie in den beiden vergangenen Jahren [2; 3] wird anhand eines Beispiels aus der Forschung die Vernetzung der Themen illustriert, im Projekt „Agro-Safety“ betrifft dies die Themen Autonomie, Sensorik und funktionale Sicherheit.
Technologische Schlüsselkomponenten für zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Verfahren stellen bildgebende Sensoren dar. Diese sind meist mit großen Datenmengen und hohen Datenraten verbunden, so dass leistungsfähige Verarbeitungssysteme lokal (edge computing) und/oder in der Cloud zur Ansteuerung von Aktoren mit geringen Latenzzeiten erforderlich sind. Durch die hohe Variabilität der Feld-, Pflanzen- und Umgebungsbedingungen sind Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI), insb. Neuronale Netze als Teilgebiet des maschinellen Lernens, zu wesentlichen Werkzeugen der Bilddateninterpretation in der Forschung und Entwicklung geworden, in einigen Bereichen – z.B. der Unkrautregulierung – sind diese bereits in Produkte integriert [4]. In Forschungsprojekten und –verbünden wie Agri-Gaia [5] oder NaLamKI [6] wird an Standards und KI-Diensten für eine einfachere und schnellere herstellerübergreifende Nutzung in der Praxis gearbeitet. Durch die überwiegend proprietären Datenformate, die geringe Verfügbarkeit frei zugänglicher Daten und heterogene Datenplattformen kommen die Potentiale für die Landwirtschaft – z.B. zur Entscheidungsunterstützung - noch nicht entsprechend zum Tragen [7]. Zwar werden vorhandene Standards zunehmend genutzt und weiterentwickelt [8], auch wird der Zugang zu Daten durch Lösungen im Markt (z.B. [9]) allmählich erleichtert, jedoch nimmt die Klärung zur Nutzung von Daten oder gar deren Generierung in vielen KI-Projekten noch immer viel Raum ein. Dabei sollte die Nutzung vorhandener Daten im Vordergrund stehen, auch die Steigerung des Mehrwertes nicht perfekter Messdaten durch die KI kann von Interesse sein [10].
Das realistische virtuelle Bild landwirtschaftlicher Verfahren durch „Digitale Zwillinge“ stellt den nächsten Schritt in der digitalen Transformation der Landwirtschaft dar und bietet Optionen zum Überwinden von Limitierungen bei der Entscheidungsunterstützung [11; 12]. Die Auswirkungen auf das Feldversuchswesen oder Sensorik-Konzepte wären erheblich. Auch könnten Nachteile der Neuronalen Netze – wie der Black-Box-Charakter – durch ein besseres Verständnis (Erklärbare KI) überwunden werden. Ein weiterer Nachteil, das umfangreiche, mit Unsicherheiten behaftete Labeln der Daten/Bilder, kann durch die Generierung der virtuellen Umgebung deutlich reduziert werden [5; 13].
Vom Feldroboter zur Feldrobotik
Feldroboter
In den letzten Jahren hat es eine stark zunehmende Anzahl von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu autonomen Feldrobotern gegeben. Obwohl es hinsichtlich des vollautonomen Betriebs noch ungeklärte Fragen gibt, sind erste Feldroboter zunehmend kommerziell verfügbar und werden in der Praxis erprobt, insbesondere in der (mechanischen) Unkrautregulierung [14]. In 2022 haben sich diese Aktivitäten noch verstärkt, wobei es insbesondere neue Lösungen von Unternehmen (incl. mehrerer Startups) gibt. Im Folgenden werden drei Beispiele verschiedenartiger Systeme vorgestellt.
- NeXaT-Systemtraktor (Kalverkamp, [15]): Der NeXaT-Systemtraktor ist ein Trägerfahrzeug für alle Arbeiten in der großflächigen Pflanzenproduktion, in welches die jeweiligen Geräte – z.B. für die Bodenbearbeitung oder die Ernte - als Module in einen Geräteträger des Systemtraktors eingehängt werden. Die Arbeitsbreite des Systemtraktors beträgt 14 m, mit Spritzaufsatz kann die Arbeitsbreite bis zu 70 m betragen. Beispielsweise werden mit dem NexCo-Mähdreschermodul Korndurchsätze von 130 bis 200 t/h erzielt, ein 32 m3 großer Kornbunker ist integriert. Durch Controlled Traffic Farming (CTF) mit festen Fahrgassen wird die bodenschonende Arbeitsweise hervorgehoben, weiterhin erlaubt eine um 270° drehbare Kabine den Straßentransport mit einer Breite von 3,5 m. Die technologische Systemauslegung ist prinzipiell für den autonomen Betrieb ausgelegt, Umfeld-Überwachungssysteme sind integriert. Der NeXaT-Systemtraktor wurde beim DLG Innovation Award zur Agritechnica 2022 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet [16]. Da die Preisträger bereits Ende 2021 bekanntgegeben wurden, wurde in einigen Beiträgen des Jahrbuchs 2021 [17] bereits auf den NeXaT-Systemtraktor eingegangen
- Vollautonomer Traktor 8r 410 (John Deere, [18]): Viele Feldroboter werden für den autonomen Betrieb neu konzipiert. Alternativ können vorhandene Maschinen autonomisiert werden, mit Vorteilen hinsichtlich adaptiver Lösungen und Rückfallebenen. Der vollautonome Traktor 8r 410 von John Deere ist hierfür ein Beispiel, wobei die Entwicklung für die großflächige Landwirtschaft gedacht ist. Der Mangel an Arbeitskräften und Arbeiten „rund um die Uhr“ bei kurzen Einsatzfenstern sind weitere autonomiebezogene Begründungen. Der vollautonome Traktor wurde mit einem Grubber mit Tiefenführung präsentiert, weitere Technologien sind ein GPS-Leitsystem, 6 Stereokamerapaare für eine 360-Grad-Hinderniserkennung und Entfernungsberechnung sowie ein neuronales Netz zum automatischen Stoppvorgang. Der Betrieb erfolgt im Zusammenspiel des Landwirts mit dem Operations Center Mobile, Parameter können angepasst werden, die Arbeitsqualität wird überwacht.
- Verfahrenstechnische Einheit VTE (Krone [19], Lemken [20]): Die autonome Verfahrenstechnische Einheit (VTE) ist eine gemeinsame Konzeptstudie von Krone und Lemken, die aus einer Antriebseinheit in Kombination mit verschiedenen Anbaugeräten besteht. Sie wird als Ergänzung zu bewährten Arbeitsprozessen gesehen und wurde in den Bereichen Grubbern, Pflügen, Säen, Mähen, Wenden und Schwaden getestet. Das System mit der Anbauoption einer 3-Punkt-Schnittstelle ermöglicht den Zug- und Schubbetrieb, Sensorsysteme überwachen das Umfeld und die Arbeitsgeräte. Bedienung und Überwachung erfolgten über mobile Endgeräte. Technologien und umfangreiche Erfahrungen beider Unternehmen in den Bereichen ISOBUS, Tractor Implement Management (TIM) und agrirouter werden genutzt. Überlegungen zur gleichbleibenden präzisen Arbeitsqualität, zum Fachkräftemangel oder zu langen Einsatzzeiträumen haben zur Motivation für die Entwicklung beigetragen.
Die drei beschriebenen Neuentwicklungen repräsentieren gleichzeitig die drei Kategorien, in die sich die Vielzahl der Feldroboter aus Forschung, Entwicklung und Produkten einordnen lässt. Im Bild 1 ist eine Auswahl autonomer Landmaschinen in die drei Kategorien Komplettsystem, Anbaugeräte-basiert und App-basiert eingeteilt. Für alle drei Gruppierungen gibt es Beispiele mit unterschiedlichen Größen und unterschiedlichen Maximalgeschwindigkeiten.
Bild 1: Kategorien autonomer Landmaschinen (nach [21])
Figure 1: Categories of autonomous agricultural machinery (modified from [21])
Ein Komplettsystem stellt ein Fahrzeug dar, welches sowohl eine spezifische landwirtschaftliche Applikationstechnik als auch die Antriebseinheit und - typischerweise im Falle der Autonomisierung vorhandener Fahrzeuge - eine Kabine enthält. In der bisherigen personengebundenen Ausprägung landwirtschaftlicher Maschinen werden diese „Selbstfahrer“ genannt.
Die Anbaugeräte-basierte Lösung besteht aus zwei Einheiten, einer applikationsunabhängigen Antriebseinheit (z.B. ein Traktor) und einem applikationsspezifisches Anbaugerät. Da der landwirtschaftliche Prozess als Master fungiert, ist eine entsprechende Kommunikation der beiden Systeme zur Durchführung und zur Qualitätsüberwachung des Prozesses erforderlich (Beispiel Tractor Implement Management TIM als ISOBUS-Lösung).
Die App-basierte Kategorie ähnelt der Komplettsystem-basierten, wobei die Module („Apps“) für den einzelnen landwirtschaftlichen Prozess in eine Geräteträgervorrichtung des Trägerfahrzeugs eingehängt und digital verbunden werden. Damit sind – im Vokabular der Komplettsysteme – flexible Komplettsysteme realisierbar. Für beide Kategorien – App/Komplettsystem-basierte – bestehen fixe Geometrien zwischen Prozessmodul und der Antriebseinheit.
Feldrobotik
Zahlreiche Feldroboter-Systeme wurden und werden im Rahmen von Forschungs-, Entwicklungs- oder Prototypenentwicklung überwiegend hinsichtlich ihrer Grundfunktionen (z.B. Navigation und Unkrautregulierung) untersucht. Die rein technische Integration digitaler Systeme in den landwirtschaftlichen Betrieb bereitet jedoch bereits bei weniger komplexen Systemen im Vergleich zu autonomen Feldrobotern in der Praxis häufig Schwierigkeiten. Diese Erkenntnis hat maßgeblich zur Förderung von „Digitalen Experimentierfeldern“ geführt, um die Praxistauglichkeit der Systeme zu testen, Beispiele sind Robustheit, Qualität, Mensch-Maschine-Schnittstellen oder herstellerübergreifende Kompatibilität unter Integration von Unternehmen, landwirtschaftlichen Betrieben und Forschungseinrichtungen. Die Entwicklungen finden in vielen Ländern statt, Beispiele sind die Swiss Future Farm [22], die Innovation Farm in Österreich [23] oder die Förderung von 14 Experimentierfeldern im Pflanzenbau und in der Tierhaltung in Deutschland [24]. Dies betrifft auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Erlebbarkeit innovativer Technologien [25]. Der Austausch zwischen diesen Einrichtungen gewinnt an Dynamik, so hat sich für die drei aufgeführten Beispiele im deutschsprachigen Raum die jährliche Tagung der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft e.V. hierfür als ein gemeinsamer Schwerpunkt herauskristallisiert [26]. Der Praxiseinsatz autonomer Systeme spielt auch hier eine wichtige Rolle, wobei zunehmend die Systemintegration der Feldrobotik in den landwirtschaftlichen Betrieb evaluiert wird (z.B. juristische oder arbeitswissenschaftliche Fragestellungen, siehe auch „Ausblick – Neue Interdisziplinarität“).
Die Feldrobotik als technologisches Hilfsmittel im Pflanzenbau eröffnet erhebliche Potenziale für nachhaltigere Pflanzenbausysteme im Vergleich zum großflächigen Anbau ausschließlich einer einzigen Nutzpflanzenart. Dies betrifft insbesondere die automatisierte selektive Bearbeitung kleiner und kleinster Flächen bis hin zur einzelnen Pflanze. Verschiedene pflanzenbauliche Lösungsansätze existieren bereits, auch technologische Optionen bis zur Einzelpflanzenbehandlung werden in der Wissenschaft seit vielen Jahren untersucht. Allerdings verhindern der Status quo großer Maschinen und hohe, mit Wirtschaftlichkeit gleichgesetzte Arbeitsgeschwindigkeiten einen Einstieg in die landwirtschaftliche Praxis. Neue marktnahe technologische Entwicklungen und erste kommerziell verfügbare Feldroboter haben die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung neuer Pflanzenbausysteme deutlich verbessert, so dass in 2022 entsprechende Konzepte intensiver mit innovativen Technologien verknüpft wurden. Dies betriff „Pixel Cropping“ [27], „Patch Cropping“ [28] oder „Spot Farming“ [29]. Erste Produkte zum Spot Farming befinden sich bereits im Markt [30; 31].
Prozesstechnische Schlüsselkomponenten für kleinräumige Bearbeitungen stellen intelligente mechatronische Module dar, bei denen typischerweise bildgebende Systeme mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung verwendet werden. So wurden als Beispiel Entwicklungen zur autonomen Feldroboter-Plattform Ecorobotix im Spot-Spraying-Implement verwendet [30]. Das KI-basierte MWLP-Weeder-Modul mit einer 3D-Spektralsensorik und einem Multistempelsystem wird sowohl in der autonomen Feldroboter-Forschungsplattform BoniRob als auch in einem Anbaugerät mit mehreren Modulen zur mechanischen Beikrautregulierung eingesetzt [32]. Beide Systeme sind als Beispiele für den modularen Charakter der Systeme in Bild 2 dargestellt.
Bild 2: Feldroboterschwarm ecoRobotix (links unten), Anbaugerät ecoRobotix ARA (links oben); Feldroboter BoniRob mit MWLP-Weeder (rechts unten), Anbaugerät mit mehreren MWLP-Weeder-Modulen (rechts oben, rotes Anbaugerät in der Bildmitte); Bildquellen: ecoRobotix [30], AGRAVIS Holding GmbH [33], Hochschule Osnabrück, Dr. Wolfram Strothmann [32]
Figure 2: Field robot swarm ecoRobotix (bottom left), implement ecoRobotix ARA (top left); field robot BoniRob with MWLP-Weeder (bottom right), implement with several MWLP-Weeder modules (top right, red implement in the center of the image); image sources: ecoRobotix [30], AGRAVIS Holding GmbH [33], University of Applied Sciences Osnabrück, Dr. Wolfram Strothmann [32]
Wenn man die Optionen für neue Pflanzenbausysteme und den modularen Charakter der Prozessmodule verbindet, so erscheint eine stark maschinenorientierte Beschreibung der Landtechnik – wie in Bild 1 – unvollständig. Vielmehr ist eine Vielzahl an betriebsselektiven Kombinationen von Modulen und Trägerplattformen für die pflanzenbaulichen Verfahren denkbar.
Beispielprojekt Agro-Safety
Die enge Verzahnung der technologischen Auslegung autonomer Systeme mit den prozessspezifischen Randbedingungen wird anhand des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes „Entwicklung eines berührungslosen Sensorkonzeptes zum Personenschutz auf Basis eines Prüfstandes zur funktionalen Sicherheit autonomer Landmaschinen (Agro-Safety)“ verdeutlicht. In dem 2022 abgeschlossenen Projekt wurde in Kooperation mit dem Unternehmen Strautmann und dem TÜV NORD Mobilität eine neue Test- und Validierungsmethode („REDA“: Real Environment Detection Area) konzipiert und hierfür der erste Teststand im Außenbereich für Sensorsysteme an autonomen Agrarmaschinen zum Personenschutz realisiert [34]. Ziel ist die Bewertung von Sensorsystemen zur Integration an autonomen Landmaschinen, die erste REDA-Applikation ist ein vollautonomer Futtermischwagen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 7 km/h [35]. Bild 3 zeigt den autonomen Futtermischwagen und den Teststand.
Bild 3: Teststand Agro-Safety und autonomer Futtermischwagen. [34; 36]
Figure 3: Agro-Safety test stand and autonomous forage mixer. [34; 36]
Im Teststand sind 15 kommerzielle Sensorsysteme verschiedener Messprinzipien (Radar, Ultraschall, Stereokamera, LiDAR und Time-of-Flight) auf einem dynamischen Sensorträger aufgebracht. Auf einem zweiten dynamischen Träger ist ein humanoider Prüfkörper angebracht. Da es derzeit keine standardisierten Prüfkörper für die Kombination öffentlicher Außenbereich/autonome Systeme gibt, wurde ein entsprechender Prüfkörper zur Validierung von Sensorsystemen auf autonomen Landmaschinen vorgeschlagen [37] und eingesetzt [36]. Beide Systeme werden zueinander bewegt, so dass durch den kontinuierlichen Einsatz (24h@365Tage) die Detektionswahrscheinlichkeit für alle auftretenden Wetterbedingungen erfasst wird. Damit können Aussagen zur Robustheit der Sensorsysteme (Sensor/Sensor-Konfiguration/KI-Algorithmen) getroffen werden. Bild 4 zeigt eine von zahlreichen Auswerteoptionen: Für ein einzelnes Sensorsystem werden die Erkennungswahrscheinlichkeiten für verschiedene Wettersituationen betrachtet, „REDAM“ (Real Environment Detection Area Matrix) stellt den Überlapp aller REDAs dar [36]. Die erfolgreichen Systeme oder Kombinationen (Sensorfusion) werden in der realen Applikation (hier: Futtermischwagen) evaluiert.
Das Projekt Agro-Safety hat bereits den Aufbau eines weiteren Teststandes für Sensorsysteme auf einer landwirtschaftlichen Ackerfläche mit einem schienengebundenen Sensorschlitten inspiriert. In dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Projekt AI-Test-Field steht die semantische Umgebungswahrnehmung im Vordergrund [38], der Teststand wurde 2022 in Betrieb genommen.
Bild 4: Generierung einer "Real Environment Detection Area Matrix" (REDAM) für einen 2D LiDARSensor. [36]
Figure 4: Generation of a "Real Environment Detection Area Matrix" (REDAM) for a 2D LiDAR sensor. [36]
Ausblick: Mit "neuer Interdisziplinarität" zur nachhaltigen Transformation
Die obigen Ausführungen zur Feldrobotik und zum Forschungsprojekt Agro-Safety zeigen verschiedene Dimensionen und die Komplexität bei der Praxiseinführung autonomer Arbeitsmaschinen in der Landwirtschaft. Eine Reihe dieser Punkte werden als Gründe für den niedrigen Implementierungsgrad der Feldrobotik in die landwirtschaftlichen Betriebe aufgeführt [39]. An dieser Stelle könnten auch Förderprogramme für die Praxis– wie in Bayern [40] – hilfreich sein, um den ökologischen, ökonomischen und sozialen Nutzen der Systeme zu evaluieren. Eine Arbeitsgruppe des BMEL im Umfeld der Experimentierfelder hat in dem Positionspapier „Adaptive autonome Agrarsysteme“ [41] eine Reihe zielführender Übergangsszenarien aufgezeigt. Neben den drei klassischen Bereichen Landwirtschaft, Technologie und Betriebswirtschaft spielen bei der Praxiseinführung der Feldrobotik zunehmend weitere Bereiche zentrale Rollen, die gelegentlich als „Neue Interdisziplinarität“ zusammengefasst werden. Dies betrifft beispielsweise juristische Fragestellungen, gesellschaftliche Aspekte, Arbeitswissenschaften, Zulassungsverfahren, Service oder Versicherungswesen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz in der Landwirtschaft [42; 43]. Die Aus- und Weiterbildung wird dabei als zentraler Punkt gesehen, hier gibt es eine Vielzahl von Initiativen (z.B. die Wissenstransfer-Strategie FarmWissen mit frei zugänglichen Inhalten [44; 45]. Die Transformation der Robotik in die Arbeitsprozesse der Beteiligten kann – so die Einschätzung in [46] – eine komplexere Aufgabe darstellen als die Robotik selbst.
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Autorendaten
Prof. Dr. Arno Ruckelshausen ist Professor an der Hochschule Osnabrück in der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik, er ist in Lehre und Forschung in den Fachgebieten Physik, Sensorsysteme und Feldrobotik tätig.