Beitrag in Jahrbuch 2022
Allgemeine Entwicklung DLG-Agrifuture Insights: Effizienz und angepasste Bewirtschaftung im Fokus
Aktuelle Geschäftslage
Nach den pandemiebedingten Marktverschiebungen und Lieferkettenstörungen hat der Krieg in der Ukraine im Jahr 2022 zusätzlich für Turbulenzen an den Märkten gesorgt. Die Erzeugerpreise im Marktfruchtbau sind nach Beginn des Krieges extrem gestiegen, angesichts großer Unsicherheit über die weitere Verfügbarkeit von Getreide aus den beiden wichtigen Erzeugerländern Ukraine und Russland. Darüber hinaus gab es eine Knappheit und Kostensteigerung bei den Düngemitteln, bei den Energiepreisen sowie den Futtermitteln. Die Lage hat sich zum Jahreswechsel 2022/23 relativ entspannt. Marktfruchtpreise sind wieder gesunken, für die Tierhalter sind die Milch- und Schweinepreise gestiegen. Dennoch belasten die hohen Energiepreise sowie die Einkaufs- oder Zukaufpreise für Futtermittel die Kosten für Betriebsmittel in erheblichem Maße, was einen negativen finanziellen Einfluss auf die Tierhaltung hat.
Bild 1: Beurteilung der aktuellen Geschäftslage - Landwirte in Deutschland
Figure 1: Assessment of actual business conditions - farmers in Germany
Im Ackerbau sind die Restriktionen im Bereich Pflanzenschutz und Düngung einschränkende Faktoren. Außerdem stellen zunehmend die Folgen des Klimawandels und eine entsprechende Anpassung an die Bewirtschaftung die Betriebe vor Herausforderungen.
Betrachtet man die aktuelle Geschäftslage der unterschiedlichen Produktionsbereiche, hat der Ackerbau- und Milchviehbereich eine gute bis mittlere Geschäftslage angegeben (Bild 1). Die Schweinebetriebe votieren hier eher im Bereich schlecht. Wobei auffällt, dass eine deutlich negative Bewertung im Gegensatz zum Vorjahr ausbleibt. Dies könnte mit den gestiegenen Erzeugerpreisen zum Zeitpunkt der Befragung im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt zusammenhängen.
Bild 2: Selbsteinschätzung zur wirtschaftlichen Lage von Landwirtschaftsbetrieben
Figure 2: Self-assessment of the economic situation of agricultural companies
Die Viehhaltung steht auch in der Produktion (insbesondere Kosten für Energie und Futter) und Vermarktung (Marktverschiebungen durch Pandemie und afrikanische Schweinepest) vor immensen Herausforderungen. Die Anzahl gehaltener Schweine ist auf einen Tiefstand gesunken. Insgesamt spiegelt die Befragung die tendenziell negativere Stimmung unter den Veredelungsbetrieben im Vergleich zu anderen Betriebszweigen wider, auch angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen. In ganz Europa macht sich die Inflation bemerkbar. Die Kosten für Fremdkapitalzinsen und Leasing sind deutlich gestiegen. Liquidität, Kapitaldienstfähigkeit und Stabilität werden dennoch von allen Produktionsrichtungen als gut bis mittel eingeschätzt, wobei auch hier die Schweinehalter etwas negativer werten (Bild 2).
Die Rentabilität sehen die Schweinehalter deutlich negativer. Hier wirken sich die Preissteigerungen für Energie und Futtermittel für die Veredelung aus.
Der Nachweis der Nachhaltigkeit für die Finanzierung ist ein wichtiges Thema, das die Branche aktuell beschäftigt und woran intensiv gearbeitet wird.
Investitionsneigung: Milchviehhalter und Ackerbauern mit Ökolandbau wollen investieren
Bei der Investitionsneigung der Landwirtschaft ergibt sich ein differenziertes Bild (Bild 3). Die Investitionsbereitschaft bei konventionell wirtschaftenden Ackerbaubetrieben in Deutschland ist im Verhältnis geringer, da in den letzten Jahren von den Betrieben sehr viel investiert wurde. Ökobetriebe wollen sowohl in Deutschland als auch international investieren, Ziel ist hier, eine Effizienzsteigerung zu erzielen. Generell kann man erkennen, dass die Bereitschaft zum Investieren international eine höhere Präferenz aufzeigt als in Deutschland. Insbesondere die Landwirte mit Milchviehhaltung bekunden hier einen hohen Investitionsbedarf, um für die Herausforderungen von Effizienzsteigerungen und Ökologisierung gewappnet zu sein.
Bild 3: Selbsteinschätzung zur Investitionsbereitschaft in den nächsten 12 Monaten bis Ende 2023
Figure 3: Self-assessment of whether an investment is planned in the next 12 months until end 2023
Milchviehhalter in Deutschland konnten im vergangenen Jahr hohe Milchpreise erzielen und nutzen dies, um u. a. weiter in Tierwohl zu investieren.
Die Schweinehaltung in Europa sieht sich zum Teil mit hohen Energie- und Futtermittelpreisen, einer Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest, sowie einer hohen Inflation und gestiegenen Zinsen gegenüber. Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine gesunkene Investitionsbereitschaft der teilnehmenden europäischen Schweinehalter im Vergleich zum Vorjahr (67 % zum Vorjahr), wobei hier aufgrund geringer Rückmeldungen nur von einer Tendenz gesprochen werden kann.
Technikinnovationen im Ackerbau: Effizienter und zielgerichteter Einsatz von Betriebsmitteln im Fokus
Im Bereich der technischen Innovationen beurteilen die befragten Ackerbauern wie im vergangenen Jahr den Bereich der energieeffizienten und bodenschonenden Spur- und Reifensysteme als eine der wichtigsten Innovationen (Bild 4). Durch angepasste Fahrspurplanung und optimierten Reifendruck lassen sich die Traktion verbessern, der Schlupf minimieren und der Produktionsfaktor Boden schützen. Neben einer Ressourcenschonung können so auch Effizienzsteigerungen erreicht werden.
Bild 4: Selbsteinschätzung zu Innovationen im Ackerbau (I)
Figure 4: Self-assessment of innovation in arable farming (I)
Bei der Interoperabilität und Kompatibilität zwischen Landmaschinen, Sensorik und Datendiensten zeigen die Studienergebnisse, dass es einige Zeit dauert, bis die Erkenntnisse aus der Wissenschaft in der Praxis ankommen. Viele Lösungen funktionieren hier nur bedingt untereinander und es treten (noch) Probleme bei der Datenzusammenführung und der -aufbereitung auf. Entsprechend misst die Wissenschaft diesem Techniktrend eine höhere Bedeutung bei als die Landwirtschaft. Cloud-Lösungen für Management und Beratung werden von den Teilnehmern eine geringere Bedeutung zugemessen.
Bild 5: Selbsteinschätzung zu Innovationen im Ackerbau (II)
Figure 5: Self-assessment of innovation in arable farming (II)
Restriktionen im Bereich des chemischen Pflanzenschutzes, aber auch die Reduktion im Bereich der Düngung werden dazu führen, dass der wirtschaftlich sinnvolle Einsatz von Betriebsmitteln im Vordergrund stehen wird. Dies äußert sich sowohl bei den befragten Landwirten, als auch bei der Industrie und der Forschung in einem gestiegenen Bewusstsein für Hack- und Striegeltechnik und dem Smart/Spot Spraying (Bild 5). Im Zuge einer zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit sind auch Technologien gefragt, die Vögel und Insekten schützen.
Verlustarme Beregnungstechnik wird mit der Zunahme von trockenen Anbaujahren wie im Jahr 2022 aufgrund der Klimaveränderungen an Bedeutung gewinnen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass zukünftig der Fokus im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft auf den effizienten und zielgerichteten Einsatz der Betriebsmittel und Ressourcen gerichtet sein wird.
Umwelt- und Klimaschutz im Ackerbau: Anpassung der Bewirtschaftungsweise an verändertes Klima im Fokus
Im Bereich der Umwelt- und Klimamaßnahmen (Bild 6) zeigt sich, dass die Bedeutung von Ökologie und Ressourceneffizienz eine wichtige Rolle spielt und weiter zunehmen wird. Darüber hinaus wurden bereits Anpassungen an die veränderten Anbaubedingungen durch den Klimawandel vorgenommen. Diese Bemühungen werden zukünftig weiter vertieft. Jeweils mehr als ein Drittel der befragten Betriebe planen, Maßnahmen im Bereich Wassermanagement, teilflächenspezifische Bewirtschaftung, einen reduzierten Dieselverbrauch sowie das Anbauspektrum durch angepasste Kulturen zu erweitern.
Auch die GAP 2023 zeigt Wirkung im Produktionsprozess. Bei der erweiterten Fruchtfolge und beim Anbau von Zwischenfrüchten zum Schutz vor Erosion zeigt sich im Vergleich mit der Vorjahresbefragung, dass die geplanten Maßnahmen teilweise bereits umgesetzt wurden.
Bild 6: Selbsteinschätzung zu Umwelt- und Klimamaßnahmen im Ackerbau
Figure 6: Assessment of green measures on arable farm
Zusammenfassung
Der durch Russland begonnene Krieg in der Ukraine hat zu extremen Preissteigerungen geführt und zu einer europaweiten Inflation. Besonders betroffen waren hier auch landwirtschaftliche Betriebsmittel sowie Marktfrüchte, was zu Unsicherheiten und Turbulenzen an den Agrarmärkten führte. Insgesamt steht die Branche vor einem tiefgreifenden Wandel in der Produktion hinsichtlich gesteigerter Ökologisierung und Nachhaltigkeit. Im Fokus des Betriebsalltags steht die Verbesserung der Betriebsmitteleffizienz und Energieeinsparung. Bei den Klima- und Umweltschutzmaßnahmen wird zunehmend deutlich, dass die Landwirte sich den Herausforderungen durch veränderte Anbaubedingungen durch den Klimawandel stellen müssen und werden, zum Beispiel durch den Anbau angepasster Kulturen oder verbessertem Bewässerungsmanagement.
Literatur
[1] DLG e.V.: DLG-Agrifuture Insights - Auswertung der Studie vom Dezember 2022/Januar 2023
Autorendaten
Erik Guttulsröd ist Stellvertretender Geschäftsführer und Bereichsleitung Betriebsführung und Nachhaltigkeit des Fachzentrum Landwirtschaft bei der DLG e.V. in Frankfurt am Main.
Kerstin Hau ist Projektleiterin des Fachzentrum Landwirtschaft bei der DLG e.V. in Frankfurt am Main.