Beitrag in Jahrbuch 2019

Traktoren Gesamtentwicklung Traktoren

Kurzfassung:

Die Umsätze deutscher Traktorenhersteller stiegen in 2019 erneut an auf 4,27 Mrd. € (2018: 3,99 Mrd. €), die Inlandszulassungen erholten sich nach dem markanten Rückgang im Vorjahr etwas. Herausragendes Ereignis im Berichtsjahr war die Weltleitmesse Agritechnica. Die meisten Hersteller präsentierten neue oder überarbeitete Traktorbaureihen mit Abgasstufe-V-Motoren. Bei Großtraktoren kann ein weiteres „Hochschieben“ der Leistungsbereiche und ein anhaltender Trend zu Raupenfahrwerken beobachtet werden. Die Digitalisierung treibt die fortschreitende Automatisierung auf Verfahrens- und Betriebsebene an und wird zunehmend für die Fahrerunterstützung genutzt. Serientraktoren mit Leistungselektrik im Antriebsstrang werden weiterhin nicht angeboten, es gibt aber interessante Ansätze zur Nutzung der Elektrik im Traktor-Geräte-Bereich. Komfort- und Sicherheitssysteme aus dem Automobilbereich halten bei Traktoren zunehmend Einzug.

Volltext

Marktsituation

Trotz eines schwachen Dezembers 2019 erhöhte sich der Umsatz deutscher Traktorenhersteller (ohne Claas) 2019 auf 4,27 Mrd. € (2018: 3,99 Mrd. €) [1]. Die produzierten Stückzahlen und die Anzahl in Deutschland neu zugelassener Traktoren nahmen zu, Tabelle 1.

Bei den Marktanteilen konnten John Deere und Fendt ihre deutlichen Spitzenpositionen halten, Tabelle 2 [2]. Bei den Zulassungen ab 51 PS führt Fendt mit 25,5 % [2]. Deutz-Fahr hat sich erholt, Case IH, Steyr und New Holland (CNH) verloren Marktanteile. Wenngleich John Deere seit Jahren Platz 1 belegt, ist der Marktanteil von AGCO (Fendt+MF+Valtra) als Konzern insgesamt etwas höher. Kubota erreicht wieder einen vierten Platz – vor allem durch Stärken im unteren Leistungsbereich.

Tabelle 1: Traktorengeschäft in Deutschland (Stückzahlen), ohne Geländefahrzeuge [1].

Table 1: Tractor business in Germany (units), without terrain vehicles [1]

 

Tabelle 2: Stückzahl-Marktanteile der größeren Anbieter bei den Traktoren-Neuzulassungen in Deutschland in % der Gesamtzulassungen [2].

Table 2: Market shares (% units) of the major tractor suppliers in Germany [2]

 

Detaillierte Zahlen zum Traktorenmarkt Europa (2018) findet man in [3], Verkaufszahlen zu ausgewählten Weltmärkten in [4] und Informationen zur Agrartechnik in Entwicklungs- und Schwellenländern regelmäßig in der japanischen Zeitschrift AMA. Einschätzungen zur weltweiten Landtechnik-Konjunktur wurden in [5] vorgelegt.

Übersichten, Tests, Entwicklungsgrundlagen, Entwicklungstendenzen

Herausragendes Ereignis im Berichtsjahr war wieder die Weltleitmesse Agritechnica. Die DLG als Veranstalterin veröffentlichte im Vorfeld Trendbeiträge für Fachmedien [6], ein Beispiel über Traktoren ist in [7] zu finden. Die traditionelle Traktorenübersicht erschien wieder zur Agritechnica, allerdings in einem neuen Medium [8]. Mit [9] kam 2019 ein neues Grundlagenbuch über Traktoren in englischer Sprache auf den Markt. In 2019 galt die weitaus größte Zahl der weltweiten OECD-Tests der Prüfung von Umsturzschutzstrukturen, die in einigen Ländern Pflicht sind. Aktuelle Zahlen gibt es jeweils bei den OECD-Treffen [10].

Elektrifizierung, Digitalisierung, Emissionsminderung und Effizienzsteigerung sind die beherrschenden Entwicklungsthemen [11]. Eine Umfrage des VDI [12] ergab bei 144 Teilnehmern, dass 4 % in 20 Jahren fest mit einem Verbot des Dieselmotors rechnen und zusätzliche 14 % das vermuten. Allerdings gab es höhere Zustimmungen zu alternativen Kraftstoffen.

Das Leistungsniveau von Standardtraktoren mit Allradantrieb konnte in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angehoben werden – bis über 300 kW. Dieses gelang durch größere, verbesserte Breitreifen, Reifendruckverstellanlagen, flexible Ballastierungssysteme, Nutzung von vertikalen Gerätekräften sowie Einführung von digitalen Assistenzsystemen. Auf dem Acker sind jetzt Traktionsgrenzen erkennbar, weshalb die Hersteller begannen, ihre oberen Baureihen auf Wunsch werksseitig mit Halb- oder Vollraupen auszustatten, erstere bisher nur hinten, neu zusätzlich auch vorne [13]. Diese Lösungen erhöhen die Anschaffungskosten, bieten jedoch im Feld Vorteile, die in [14] für ein Konzept experimentell bewertet wurden: Sinkender Bodendruck (auch in der Tiefe), mehr Zugkraft und weniger Kraftstoffverbrauch.

Die Traktorentwicklung wurde 2019 noch stark von der Abgasgesetzgebung geprägt – im Jahresverlauf mit Umbau auf Stufe-V-Motoren an bestehenden Baureihen oder mit neuen Modellen, die man unter Ausnutzung von Übergangsfristen zur Agritechnica 2019 vorstellte.

Die Digitalisierung treibt die fortschreitende Automatisierung auf Verfahrens- und Betriebsebene weiterhin an [15; 16]. Eine neue Generation von Multifunktions-Betätigungsarmlehnen mit angebauten Touchscreen-ISOBUS-Terminals soll das Zusammenspiel mit Geräten und die Integration mit dem Betriebsbüro verbessern. Einige Hersteller bieten für ihre Traktoren darüber hinaus Telemetrie-Systeme an, etwa für Einweisung, Wartung und Fehlerdiagnose. Für Videodialoge in Echtzeit reichen die Netzwerke allerdings noch nicht aus.

Zur Elektrifizierung/Hybridisierung von Antriebssträngen bei Traktoren und Geräten wurde im Club of Bologna ein umfassender Überblick vorgelegt [17]. In [18] erschien eine interessante Übersicht über den aktuellen Stand der Elektromobilität bei Nutzfahrzeugen. Im Fokus stehen hier vollelektrische Konzepte mit Batterien oder Brennstoffzellen. Das US-Start-up-Unternehmen Nikola will den Straßentransport mit Brennstoffzellen-LKWs revolutionieren und wird dabei von europäischen Konzernen unterstützt, darunter auch CNH Industrial. Bereits eingesetzt werden Gasmotoren (CNG und/oder LNG). Bei Traktor-Dieselmotoren hält der Trend zu kraftstoffsparenden Drehzahlabsenkungen an (auch bei Leerlauf). Steyr stellte auf der Agritechnica 2019 eine Hybridtraktor-Studie mit serieller Grundstruktur vor [19]. Carraro zeigte einen Mild-Hybrid-Antriebsstrang, bei welchem ein neuer 3-Zylinder-Motor aus eigener Entwicklung (55 kW) mit einem E-Motor (20 kW) kombiniert wird [20].

Traktoren mit Stufengetrieben erhalten zunehmend Komfortfunktionen, die bisher den stufenlosen Pendants vorbehalten waren (Fahrpedal-/Fahrhebel-Modi, Fahren ohne Kupplungspedalbetätigung, automatisches Ansteuern der optimalen Motorbetriebspunkte bei Teillast etc.). Angelehnt an den Automobilbau führt man Telefon-Freisprechanlagen, elektronische Diebstahlschutzsysteme (Kabinentüren, Zündschloss, Treibstofftank, Haubenverriegelung) sowie integrierte Kamerasysteme ein. Selbst Head-up-Displays für die Anzeige von wichtigen Traktorinformationen in der Frontscheibe sowie elektronische Assistenten für das automatische Betätigen und Lösen der Feststellbremsen sind im Angebot. Neben mechanischen und hydropneumatischen Kabinenfederungen gibt es neu auch rein pneumatische Systeme.

Traktorentechnik nach Herstellern

Nachfolgend werden ausgewählte Neu- und Weiterentwicklungen vorgestellt. Auch die übrigen, hier nicht erwähnten Traktorenhersteller haben ihre Produkte verbessert.

John Deere präsentierte zur Agritechnica 2019 mehrere neue Baureihen. Die neue 6M-Generation umfasst zehn Modelle mit 4- und 6-Zylindermotoren und löst die bisherigen Baureihen 6M, 6MC und 6RC ab. Die kompakten 4-Zylinder-Modelle 6090M bis 6120M weisen bei Radständen von 2,4 m und Leergewichten um 5,8 t zulässige Gesamtgewichte von über 10 t auf, woraus hohe Nutzlasten resultieren. Alle Modelle wurden mit neuen Kabinen ausgestattet. Für die Kraftübertragung steht das bekannte 4-fach-Lastschaltgetriebe [9] mit unterschiedlichen, im Komfort gestaffelten Betätigungskonzepten zur Verfügung.

Die Baureihe 7R wurde überarbeitet und mit dem Modell 7R330 erneut nach oben erweitert (max. 274 kW, ECE R120), der bisherige 7230R fällt weg. Alle fünf Modelle sind mit einer neuen Kabine ausgestattet, für die in Kombination mit dem stufenlosen AutoPowr-Getriebe auch der von der Baureihe 6R her bekannte CommandPRO-Fahrhebel verfügbar ist. Komplett überarbeitet wurden auch die Großtraktoren 8R. Neben Rad- und Vollraupenfahrwerken (R resp. RT) wird neu auch ein Vierraupenfahrwerk mit einer speziell dafür ausgelegten Vorderachse angeboten (RX), Bild 1. Die neue Kabine mit optionalem CommandPRO-Fahrhebel wird auch hier verbaut. Die maximale Leistung des Topmodells 8R410 wurde noch einmal leicht angehoben, die beiden bisherigen Einstiegsmodelle werden gestrichen. Es bleibt vorerst bei den Volllastschaltgetrieben 16/5 und e23 sowie beim hydrostatisch-mechanischen Stufenlosgetriebe AutoPowr. Bei den zwei größten Traktoren 8R370 und 8R410 soll ab 2021 das neue eAutoPowr mit elektrisch-mechanischer Leistungsverzweigung eingebaut werden (siehe Kapitel „Motoren und Getriebe bei Traktoren“).

Fendt stellte die komplett neue Baureihe 900 Vario mit weiterhin fünf Modellen vor, der Leistungsbereich wurde aber auch hier nach oben geschoben. Das Grundkonzept ähnelt stark demjenigen der 1000er-Baureihe, hier aber mit einem 9 l-MAN-Motor. Die Abgasstufe V wird mit DOC, DPF und SCR, d. h. ohne AGR erfüllt, die Nenndrehzahl liegt bei tiefen 1700 1/min. Auch das modulare Hydrauliksystem – wahlweise mit zwei voneinander unabhängigen Kreisen – steht zur Verfügung. Die Serienfertigung lief im Herbst 2019 an. Auch die 12,4 l-Motoren der 1000er Vario erfüllen neu die Abgasstufe V. Die Baureihe 300 Vario erhält mit dem 314er ein neues Topmodell (max. Leistung 112 kW). Mit „Fendt Dynamic Performance“ gibt es einen Boost, der in Abhängigkeit des Leistungsbedarfes von Nebenverbrauchern wie Lüfter, Lichtmaschine, Klimaanlage und Druckluftkompressor variabel zugeschaltet wird.

Bild 1: Neue Baureihe John Deere 8RX mit Vierraupenfahrwerk und völlig neuer Frontachse [21]. Quelle: John Deere

Figure 1: New tractor family John Deere 8RX with four-track chassis and a brand new front axle [21]. Source: John Deere

 

Bild 2: Neue Kabine mit Bedienkonzept FendtOne für Baureihen 300 und 700 [22]. Quelle: Fendt

Figure 2: New cab design with FendtOne control system for 300 and 700 series [22]. Source: Fendt

 

Die Bestseller-Baureihe Fendt 700 Vario wurde überarbeitet und kommt ab Mitte 2020 als erste mit der neuen Kabine und dem Bedienkonzept „FendtOne“ auf den Markt, Bild 2. Für die Baureihe Vario 200V hat Fendt gemeinsam mit Braun eine automatisierte Fahrzeug- und Geräteführung für die mechanische Bodenpflege im Weinbau entwickelt. Mittels Lasertechnik werden Bodenkontur, Rebstöcke und Pfähle erfasst und die Informationen über ISOBUS zwecks automatischer Seitenführung/Breitenverstellung der Arbeitsgeräte an den Traktor weitergegeben.

CNH überarbeitete die Großtraktoren-Baureihen Case IH Magnum und New Holland T8. Die Topmodelle Magnum 400 AFS Connect und T8.435 Genesis erreichen neu Maximalleistungen von 320 kW (ISO 14396, kein Boost). Als Abgasnachbehandlungssysteme kommen DOC und SCRoF (SCR on Filter) zur Anwendung. Das erweiterte 21/5-Volllastschaltgetriebe (40 und 50 km/h mit reduzierter Motordrehzahl) steht vorerst nur für die Topmodelle zur Verfügung. Die neuen Traktoren bieten selbstzentrierende Lenkung, adaptive Lenkübersetzung, automatische Lenkbremsung am Vorgewende und Funkschlüssel mit Wegfahrsperre.

Tabelle 3: Mittlere und obere Traktorbaureihen von CNH im Überblick

Table 3: Overview of the middle and upper tractor series of CNH

 

 

Überarbeitet wurden auch die mittleren Baureihen, diese verfügen jetzt ebenfalls über die von den kompakten Großtraktoren (Optum, T7 HD und Terrus) her bekannte Optik. Steyr wird zunehmend als Premiummarke für Europa positioniert, die meisten Modelle sind nur noch mit Stufenlosgetrieben verfügbar, Tabelle 3. Das 8-fach-Lastschaltgetriebe (Doppelkupplungsprinzip) wird neu auch für die Baureihen New Holland T5 und Case IH Vestrum angeboten.

Auf Basis des New Holland T6.180 präsentierte CNH als erster Hersteller einen serienreifen Traktor mit Gasantrieb, Bild 3. Der aus dem bekannten N67 abgeleitete 6-Zylinder-Motor arbeitet nach dem Otto-Verfahren und wird ausschließlich mit Methan betrieben (siehe Kapitel „Motoren und Getriebe bei Traktoren“). Zur Verlängerung der Einsatzzeit hat er frontseitig einen CNG-Zusatztank mit Steckanschlüssen. Die Serieneinführung ist für 2021 geplant.

Bild 3: New Holland T6.180 Methane Power (max. 129 kW, ISO) mit CNG-Zusatztank vorne.

Quelle: New Holland

Figure 3: New Holland T6.180 Methane Power (max. 129 kW, ISO) with CNG extra tank in front. Source: New Holland

 

Claas überarbeitete die Baureihen Arion 500/600 und Axion 800. Motorlieferanten sind weiterhin DPS und FPT, womit auch deren Abgastechnologie-Kombinationen für die Stufe V zur Anwendung kommen (AGR/DOC/DPF/SCR resp. DOC/SCRoF). Bei der Ausstattungsvariante CEBIS wurde die Bedienerführung angepasst, ISOBUS gehört hier neu zur Standardausrüstung. Die bereits zur Agritechnica 2017 vorgestellten Neuheiten „CEMOS für Traktoren“ und „Axion 900 TERRATRAC“ gehen 2020 in Serie. Das Assistenzsystem wird für alle Arion- und Axion-Modelle mit CEBIS optional verfügbar sein, das aufwändig gefederte Bandlaufwerk für die beiden Modelle Axion 930 und 960 (max. 261/327 kW, ECE R120). Zur Agritechnica 2019 präsentierte Claas zudem überarbeitete XERION-Modelle mit Abgasstufe-V-Motoren (MTU), die zwei größeren Modelle 4500 und 5000 (max. Leistung 360/390 kW, ECE R120) gibt es neu auch als TS-Version mit Vierraupenfahrwerk (von Zuidberg, Fahrzeugbreite unter 3 m) [23]. Das bisherige Einstiegsmodell 4000 wird durch das Modell 4200 abgelöst (max. 340 kW, ECE R120). Die Abgasnachbehandlungssysteme DOC, DPF und SCR werden in einem Modul zusammengefasst.

Deutz-Fahr präsentierte die Serien 6, 7 und 9 mit Abgasstufe-V-Motoren (AGR, DOC, DPF und SCR wie bei Stufe IV) in der ersten Jahreshälfte 2019 (Modelle > 130 kW). Die neuen Schmalspurtraktoren der Serie 5 (65-83 kW, ECE R120) weisen mit eigenem Stufenlosgetriebe (T3500 CVT mit zwei Fahrbereichen), gefederter Einzelradaufhängung vorne, 4-Rad-Lenkung und Kabinenfederung interessante Ausstattungsmerkmale auf.

Massey Ferguson vollzog den Schritt zu Abgasstufe-V-Motoren im mittleren und oberen Leistungsbereich ebenfalls an den bestehenden Traktorbaureihen. Bei den 6700S, 7700S und 8700S werden die Abgasnachbehandlungssysteme DOC, DPF und SCR in ein „All-in-One“-Modul integriert, Anordnung außerhalb des Motorbereiches. Bei den 8700S-Modellen arbeiten die AGCO-Power-Motoren weiterhin mit zusätzlicher Abgasrückführung. Zur Agritechnica 2019 wurde die neue Baureihe 5700M vorgestellt (max. 70-99 kW, ISO), welche die bisherigen 5700 Global und 6700 Global ablöst (M für mittlere Spezifikation, S für hohe Spezifikation). Die 4-Zylindermotoren mit 4,4 l Hubraum erfüllen die Abgasstufe V. Mit dem Konzepttraktor NEXT wagt man einen Design-Ausblick auf die zukünftige Mittelklasse. Im Frühjahr 2019 präsentierte MF zudem die neue Spezialtraktoren-Baureihe 3700, für Bergregionen wurden die Modelle 3700 AL „Alpine“ abgeleitet (55-71 kW, ISO). Mit einer neuen, breiteren Kabine reihen sich diese zwischen den 3700er (WF) und 4700er ein.

Auch bei Valtra erfolgte der Wechsel auf Abgasstufe-V-Motoren an den bestehenden Baureihen. Die N-Serie kann neu mit einer pneumatischen Vorderachsfederung ausgestattet werden, im Gegensatz zur T-Serie aber mit nur einem Luftbalg. Mit „Powershift Revolution“ nähert sich die Bedienung für die Lastschaltgetriebe an diejenige der stufenlosen Pendants an (Nutzung des „Gaspedals“ nicht nur für Drehzahl-, sondern auch für Geschwindigkeitswunsch, Hill-Hold-Funktion, Fahren ohne Kupplung etc.). Zur Agritechnica 2019 wurde die neueste Version des Head-Up-Displays „SmartGlass“ vorgestellt, mit welchem sich wichtige Traktorinformationen im unteren Bereich der Frontscheibe anzeigen lassen, die Serieneinführung ist für Ende 2020 geplant. Mit der neuen F-Serie bietet Valtra wieder Spezialtraktoren an (Kooperation mit Carraro).

Lindner erweitert die LINTRAC-Baureihe mit dem Modell 130 erneut nach oben, angetrieben von einem 100 kW-Motor von Perkins (4 Zylinder, 3,6 l Hubraum). Die Abgastechnik für die Stufe V (AGR/DOC/DPF/SCR) konnte man kompakt über dem Motor unter der Haube unterbringen. Das stufenlose Getriebe kommt wie beim LINTRAC 110 von ZF (TMT11) und ist an die höhere Leistung angepasst. Die auch hier lenkbare (nach Lindner überwiegend georderte) Hinterachse ermöglicht Reifen bis 34 Zoll. Der Produktionsstart ist für 2020 vorgesehen.

Kubota stellte im August 2019 die Baureihe M8 vor, die vorerst nur für Nordamerika vorgesehen ist. Sie basiert auf der von Buhler Versatile (Kanada) komplett neu entwickelten Nemesis-Baureihe, Bild 4. Die in Blockbauweise gefertigten Modelle M8-191 und M8.211 (140/154 kW) haben 6-Zylinder-Motoren Cummins B6.7 mit DOC/DPF/SCR (Abgasstufe V). Die Lastschalt- und Stufenlosgetriebe stammen von ZF (TPT20/TMT20). Die bisher größte europäische Baureihe M7002 wurde überarbeitet und läuft jetzt unter der Bezeichnung M7003. Die Nennleistungen der großen 4-Zylinder-Motoren mit 6,1 l Hubraum bleiben mit 96/110/125 kW unverändert, die Maximalleistungen werden hingegen um bis zu 15 kW erhöht. Kubota setzt auch für die Stufe V auf die Abgastechnologie-Kombination AGR/DOC/DPF/SCR. Mit „XPress Restart“ bietet man jetzt auch eine automatische Kupplungsfunktion über das Bremspedal an, ebenso eine variable Lenkradübersetzung. Das Modell M5091 in Schmalspurausführung wird mit Triangel-Einzelraupen aus eigener Entwicklung für die Hinterachse angeboten.

Bild 4: Neue Nemesis-Baureihe von Buhler Versatile (140/154 kW, USA 2019) mit ZF-Getrieben. Quelle: Buhler Versatile

Figure 4: New Nemesis series from Buhler Versatile (140/154 kW, USA 2019) with ZF transmissions. Source: Buhler Versatile

 

JCB überarbeitete die Fastrac-Baureihen 4000 und 8000. Beide werden von Abgasstufe-V-Aggregaten von AGCO Power mit 6,6 l resp. 8,4 l Hubraum angetrieben. Die obere Baureihe wird jetzt ebenfalls mit hydropneumatischen Federungssystemen an beiden Achsen ausgestattet. Das maximal zulässige Gewicht auf der Plattform hinter der Kabine wurde für den Einsatz mit Aufbaugeräten oder Schwanenhals-Anhängern (110er-Kugelkopfkupplung) auf 4 resp. 5 t erhöht, das zulässige Gesamtgewicht auf 14 resp. 18 t.

Mit der Vorstellung der Baureihe X7.6 in Abgasstufe-V-Konfiguration (max. 176 kW, ECE R120) führte McCormick neue Modellbezeichnungen ein.

Besondere Bauarten

Der Universal-Geräteträger Syn Trac wird mittlerweile in geringen Stückzahlen gebaut, nach Angaben des Herstellers vorwiegend für Kunden aus dem Kommunalbereich. Das Stufenlosgetriebe VTP1750 von VDS hat einen rein hydrostatischen Fahrbereich zum Reversieren, dazu zwei leistungsverzweigte Fahrbereiche für Vorwärtsfahrt. Für schwere Zugarbeiten steht überdies eine automatisch geschaltete Hi-Lo-Stufe am Getriebeausgang zur Verfügung. Antonio Carraro präsentierte mit der Baureihe Tony 8900 erstmals Spezialtraktoren ohne Knicklenkung (55-74 kW). Nach Fendt und Same/Deutz-Fahr bieten jetzt auch New Holland und McCormick/Landini Schmalspurtraktoren mit Vorderachsfederungen an.

Traktor und Gerät

Der Wunsch nach stufenlosen Zapfwellen konnte bei Traktoren bisher aus mehreren Gründen nicht serienmäßig realisiert werden [9]. Daher wurde z. B. die Anordnung eines elektrisch-leistungsverzweigten Systems zwischen Traktor und Gerät als Prototyp entwickelt [24]. Eine weitere Möglichkeit ist die Installation eines hydrostatisch-mechanischen Einbaugetriebes im Zapfwelleneingang von Geräten oder Anhängern, wie von Bondioli & Pavesi als Prototyp mit primär gekoppelter Verzweigung präsentiert, Bild 5.

    

Bild 5: Stufenloses Einbaugetriebe für zapfwellengetriebene Geräte und Anhänger, Prototyp von Bondioli & Pavesi, Agritechnica 2019. Nach Unterlagen des Herstellers

Figure 5: PTO CVT for implement and trailer input speed control, prototype of Bondioli & Pavesi, Agritechnica 2019. Courtesy material of the company

 

Das neue eAutoPowr von John Deere kann aus dem Zwischenkreis elektrische Leistungen bis 100 kW liefern, z. B. für den Achsantrieb eines Gülletankwagens – nach [25] abhängig vom Schlupf der angetriebenen Traktorräder. Das Gespann wird dadurch schneller (produktiver) und spart Kraftstoff, die Spuren auf dem Acker werden deutlich entschärft, Bild 6.

Elektronische Hubwerksregelungen (EHR) wurden in [26] für acht Traktormarken bezüglich Zugkraftregelung messtechnisch untersucht. Für die bis zu etwa 30 Einzeloperationen am Vorgewende (bei Front- und Heckgeräten [9]) wird in [27] gezeigt, welcher Traktor das schon kann und wieweit sich die derzeit noch mühsame Programmierung je nach Einsatzfall lohnt.

Bild 6: Entschärfte Spuren – im Hintergrund mit eingeschaltetem Achsantrieb des Gülletankwagens. Quelle: top agrar, Huesmann

Figure 6: Reduced ruth depth – in the background with engaged axle drive of the slurry tanker. Source: top agrar, Huesmann

 

Zwei Hersteller präsentierten Systeme zur Verminderung der von Großpackenpressen verursachten Stöße in Traktorkabinen – John Deere durch Eingriff in das Stufenlosgetriebe (Baureihe 7R), New Holland über Vorderachsfederung und Dieselmotor (T7-Modelle).

Zusammenfassung

Die Umsätze deutscher Traktorenhersteller stiegen in 2019 erneut an auf 4,27 Mrd. € (2018: 3,99 Mrd. €), die Inlandszulassungen erholten sich nach dem markanten Rückgang im Vorjahr etwas. Die Traktorentwicklung wurde auch im Berichtsjahr stark von der Abgasgesetzgebung geprägt, viele Hersteller nutzten die möglichen Übergangsfristen aus. Die Digitalisierung treibt die fortschreitende Automatisierung auf Verfahrens- und Betriebsebene an. Elektrifizierung und Hybridisierung bleiben in der Landtechnik wichtige Themen, entsprechende Serientraktoren gibt es aber weiterhin nicht. Der Trend zu Raupenfahrwerken hält insbesondere bei Großtraktoren an. Auch stufenlose Zapfwellen bleiben ein Forschungsthema, die präsentierten Lösungsansätze sind zwischen Traktor und Gerät vorgesehen. Komfort- und Sicherheitssysteme aus dem Automobilbereich halten bei Traktoren zunehmend Einzug.

Literatur

[1]     N.N.: Informationen des VDMA Landtechnik, Frankfurt/M. Stand Februar 2020.

[2]     N.N.: Traktorenmarkt bleibt stabil. top agrar 49 (2020) H. 2, S. 81.

[3]     Neumann, O.: Nach künstlichem Boomjahr wieder auf Normalgrösse geschrumpft. Eilbote 67 (2019), H. 14, S. 6-13.

[4]      N.N.: Tractors: lights and shadows on the world market. Machinery World 18 (2019), H. 7-9, S. 4-5.

[5]     Batisweiler, C.: Am Gängelband der Politiker . Eilbote 67 (2019), H. 51-52, S. 12-16.

[6]     N.N.: Presseinformationen zum Download. URL – https:/www.agritechnica.com/de/presse/downloads - Zugriff am 26.12.2019.

[7]     Stirnimann, R.: Die „grosse“ Digitalisierung ist bei Traktoren umgesetzt. Eilbote 67 (2019), H. 45-46, S. 13-15.

[8]     Stirnimann, R. und Renius, K. Th.: Traktoren 2018/2019. Mobile Maschinen 12 (2019), H. 6, S. 56-63.

[9]     Renius, K. Th.: Fundamentals of Tractor Design. Cham: Springer Verlag 2019.

[10]   N.N.: OECD Coordinating Centre Report. 2020 Annual Meeting, 25.-26.02.2020, Paris.

[11]   (Verschiedene): DLG-VDI-Tagung „Land.Technik für Profis“, Mannheim
12.-13.02.2019. In: Tagungsband. Frankfurt/Main: DLG-Verlag 2019.

[12]   N.N.: Mitgliederbefragung 2019. VDI Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik.

[13]   L'Heureux, J.: Four-Tracked Solution for Large Row Crop Tractors. LAND.TECHNIK AgEng 2019, November 8th-9th 2019 Hannover (D). In: LAND.TECHNIK AgEng 2019. Düsseldorf: VDI Verlag 2019, S. 305-310.

[14]   Fedde, T., Peeters, M. und Stirnimann, R.: Soil pressure and pulling behavior of standard and half-track tractor chassis concepts. LAND.TECHNIK AgEng 2019, November 8th-9th 2019 Hannover (D). In: LAND.TECHNIK AgEng 2019. Düsseldorf: VDI Verlag 2019, S. 35-45.

[15]   Thomasson, J. A. et al.: Autonomous Technologies in Agricultural Equipment: A Review of the State of the Art. ASABE Lecture Series, No. 40. St. Joseph, MI: ASABE 2019.

[16]   Schlingmann, N. et al.: AEF - Partnership to develop open standard for cloud communication. LAND.TECHNIK AgEng 2019, November 8th-9th 2019 Hannover (D). In: LAND.TECHNIK AgEng 2019. Düsseldorf: VDI Verlag 2019, S. 63-67.

[17]   Pickel, P.: Electricity for tractors and tractor-implement systems. Club of Bologna, 29th Members Meeting, Hannover 10.-11.11.2019. Beitrag unter URL – www.clubofbologna.org.

[18]   (Verschiedene): Elektromobilität - Herausforderungen, Chancen und Alternativen. Sonderheft von lastauto omnibus, trans aktuell und Fernfahrer (2020).

[19]   Rahofer, R.: Steyr präsentiert Studie über Lösungen für den Traktor von Morgen. URL – https://www.steyr-traktoren.com/de-at/landwirtschaft/News-Site/Pages/2019-11-10-STEYR-CONCEPT-TRACTOR.aspx - Zugriff am 29.01.2020.

[20]   N.N.: The brand new Mild Hybrid powertrain presented at Agritechnica. URL –https://www.carraro.com/en/media-news/news/post/brand-new-mild-hybrid-powertrain-presented-agritechnica - Zugriff am 29.01.2020.

[21]   Wilmer, H.: John Deere 8RX: Hirsch in Ketten. Profi 31 (2019) H. 12, S. 46-49.

[22]   Wilmer, H.: Eine neue Philosophie. Profi 31 (2019) H. 12, S. 54-56.

[23]   Wilmer, H.: Xerion auf Samtpfoten. Profi 31 (2019) H. 12, S. 40-43.

[24]   Gentz, C. et al.: Entwicklung eines elektrisch leistungsverzweigten Anbaugeräteantriebs. In: VDI-Berichte 2332, S. 205-211. Düsseldorf: VDI-Verlag 2018.

[25]   Duppong, S. A.; Kuhl, M. und Delvaux, O.: Production System Optimization with Electrified Powertrain. In: VDI-Berichte 2361, S. 421-426. Düsseldorf: VDI Verlag 2019.

[26]   Wilmer, H.: Großer EHR-Vergleich: Alle können etwas verbessern. Profi 31 (2019) H.12, S. 18-25.

[27]   Höner, G.: Ohne Hände am Vorgewende. top agrar 49 (2020) H. 1, S. 108-117.

Autorendaten

Dipl.-Ing. Agr. FH, Dipl.-Ing. Wirtschaft FH, Executive MBA Roger Stirnimann ist Dozent für Agrartechnik an der Berner Fachhochschule.

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Karl Theodor Renius ist Professor im Ruhestand am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München.

Empfohlene Zitierweise:
Stirnimann, Roger; Renius, Karl Theodor: Gesamtentwicklung Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2019. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2020. – S. 1-13

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