Beitrag in Jahrbuch 2021

Technik für den Hackfruchtanbau Kartoffeltechnik

Kurzfassung:

Aufgrund der Corona-Pandemie fielen nahezu alle internationalen Messen aus. Die Hersteller hielten sich deshalb mit der Präsentation markanter Neuheiten zurück. Nichtsdestotrotz wurden zahlreiche technische Verbesserungen in allen Bereichen der Kartoffeltechnik vom Legen bis zur Einlagerung vorgenommen. Beachtung findet die mechanische und elektro-chemische Krautregulierung zur Erntevorbereitung. Elektronik und smarte Vernetzung gewinnen weiter an Bedeutung. Es wird erwartet, dass autonome Maschinenkonzepte vermehrt Eingang in die Praxis finden. Der Beitrag liefert dazu eine systematische Einordnung. Zudem wird exemplarisch darüber berichtet, wie mit modularisiert aufgebauten Erntemaschinen eine Nutzung über verschiedene Anbaukulturen hinweg möglich werden kann.

Volltext

Allgemeine Entwicklungen

Nach den trockenen Anbaujahren 2018 und 2019 wurde die Kartoffelbranche 2020 und 2021 von einem weltweiten, Corona-bedingten Absatzeinbruch bei tiefgekühlten, gekühlten und getrockneten Kartoffelprodukten überrascht. Das Überangebot führte in diesen Verwertungssegmenten zu stark gesunkenen Verkaufserlösen. Im Gegensatz zum rückläufigen Verbrauch in Kantinen und in der Gastronomie nahm der Verbrauch von Frischkartoffeln für die häusliche Zubereitung dagegen vorübergehend zu [1]. Dies ist besonders deshalb erwähnenswert, weil etablierte chemische Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Kartoffelbau (u.a. die chemische Sikkation mit dem Wirkstoff Deiquat und die Keimhemmung mit dem Wirkstoff Chlorpropham) seit Herbst 2020 nicht mehr zum Einsatz kommen. Produktschonende Ernte-, Transport- und Lagertechnik, die die empfindliche Kartoffelschale vor Beschädigungen schützt, rückt damit verstärkt in den Fokus der Erzeuger, um dem Endverbraucher auch noch nach längerer Lagerung attraktive Ware anbieten zu können.

Im Herbst 2021 führte die anhaltende Pandemie bei den Herstellern zu Engpässen in den internationalen Lieferketten. Insbesondere elektronische Bauteile waren betroffen. Es ist zu erwarten, dass die angespannte Situation auch noch Auswirkungen auf die Produktion moderner Kartoffeltechnik im Jahr 2022 haben wird. Insbesondere sind selbstfahrende Erntemaschinen und komplexe, elektronisch gesteuerte Maschinen zum Legen und Ernten der Kartoffeln betroffen. Ob diese Engpässe 2022 dazu führen können, dass im Gebrauchtmaschinensektor höhere Preise erzielt werden können, kann derzeit noch nicht abschließend bewertet werden.

Der Strukturwandel und die anhaltende Tendenz zur Spezialisierung im Kartoffelbau führen nach wie vor zu größeren Betriebsstrukturen und Flächen. Damit einher geht ein Trend zu leistungsfähiger werdenden Maschinen. Ein Zuwachs an Leistung kann inzwischen nur noch begrenzt durch die Arbeitsbreite realisiert werden. Hier kommen die Hersteller durch die Vorgaben der deutschen bzw. europäischen Straßenverkehrsordnungen an Ihre Grenzen. Als Konsequenz gewinnen Techniken an Bedeutung, die höhere Arbeitsgeschwindigkeiten ermöglichen, verbesserte Abläufe und Prozesse generieren, sowie „smarte“ Elektronik, Sensorik und Automatisierung in allen Bereichen des Kartoffelanbaus zum Einsatz bringen.

Mit der Verordnung (EU) 167/2013 wurden neue technische Vorschriften für Fahrzeuge und Landmaschinen auf den Weg gebracht, mit denen die Verkehrssicherheit verbessert werden soll [2]. Die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen wurden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Sie stellen die Hersteller jedoch vor erhebliche Herausforderungen, so dass bis heute nicht alle Maschinenbauer in Europa diese Genehmigung erhalten haben. Dies gilt insbesondere auch für die Technik im Kartoffelanbau. Ein Grund für die insgesamt zögerliche Umsetzung der Verordnung ist, dass für das Legen und Pflegen der Kartoffel derzeit 4-reihige Maschinen (4 Reihen à 75 cm = 3 m Arbeitsbreite) zum europäischen Standard gehören. Bei dieser Arbeitsbreite ist die Maschinenbreite bauartbedingt i.d.R. größer als 3 m und erfordert für den Straßentransport häufig Sondergenehmigungen. Inzwischen stehen aber auch für den Kartoffelanbau Maschinen zur Verfügung, mit denen die Anforderungen an eine vollständige, europäische Typgenehmigung erfüllt werden können.

Den höheren Entwicklungskosten dieser Maschinen stehen zwei wichtige Vorteile gegenüber: Einerseits erleichtern die neuen Richtlinien die Zulassung in verschiedenen EU-Staaten. Andererseits wird sich die harmonisierte Zulassung langfristig positiv auf den internationalen Handel von Gebrauchtmaschinen auswirken.

Technik zum Legen und Pflegen der Kartoffel

Kombinierte Legeverfahren

Der Trend, kombinierte Legeverfahren einzusetzen, um Arbeitsgänge und Überfahrten zu reduzieren, hält weiter an. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland derzeit bereits etwa die Hälfte der gesamten Kartoffelanbaufläche mit kombinierten Legeverfahren bestellt wird. Eine einordnende Bewertung der notwendigen Technik wurde in einem früheren Beitrag dieser Reihe bereits vorgenommen [3].

Erosionsmindernde Maßnahmen im Kartoffelbau

Die eingangs beschriebenen Witterungsextreme der vergangenen Jahre lösen eine intensive Suche nach kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen aus, mit denen die Folgen von Trockenheit und Starkregen im Kartoffelanbau reduziert werden können. Dabei ist das Risiko von Bodenverlagerungen nach Regenereignissen im Vegetationsverlauf nicht konstant. Im frühen Vegetationsstadium ist das Wurzelgeflecht der Kartoffeln erst wenig ausgeprägt und das schützende Blätterdach über dem Boden noch nicht geschlossen, wodurch das Risiko tendenziell erhöht ist. Nach dem Reihenschluss bis zum Beginn der Abreife besteht das geringste Risiko von Bodenerosionen, bevor es zur Ernte im Herbst wieder leicht zunimmt. Bild 1 stellt die Zusammenhänge im Vegetationsverlauf der Kartoffel vereinfacht dar.

Bild 1: Risiko von Bodenverlagerungen bei Starkregenereignissen im Vegetationsverlauf
Figure 1: Risk of soil displacement in case of heavy rainfall events during the vegetation period

Im letzten Beitrag dieser Reihe [4] wurden die technischen Möglichkeiten zum Einsatz so genannter Querdammhäufler (Dyker) vorgestellt. Mehrere Hersteller haben inzwischen kontinuierlich arbeitende „Dreistern- bzw. Sechsstern-Dyker“ im Angebot. Bei den elektrohydraulischen Dykern wurde die Regelungstechnik weiter perfektioniert. So stehen inzwischen Dyker zur Verfügung, die mit Hilfe von Applikationskarten gezielt aktiviert und deaktiviert werden
können.

Um die Stabilität des Bodengefüges zu fördern, wird derzeit viel „experimentiert“. Neben Strategien der Fruchtfolgeanpassung wird inzwischen auch die Möglichkeit der Untersaat (Aussaat einer Begleitkultur) auf einzelnen Betrieben untersucht. Vergleichbar den Untersaaten in Mais soll auch hier mit dem Wurzelwerk der Untersaat ein stabilisierender Effekt erreicht werden. Bild 2 zeigt stark vereinfacht, welche Möglichkeiten bestehen. Während in Variante (A) vor allem die Dammkrone und die Flanken mit eingesät werden, beschreibt Variante (B) die Aussaat von Untersaaten an der Dammsohle. Variante (A) stabilisiert mit den Wurzeln der Begleitkultur im frühen Vegetationsstadium die Dammkontur. Variante (B) schützt vor Bodenabtrag zwischen den Dämmen.

Bild 2: Illustration unterschiedlicher Durchwurzelungszonen von Begleitkulturen im Kartoffelbau
Figure 2: Illustration of different rooting-zones in potato ridges by use of companion crops

 

Als Begleitkulturen werden u.a. Weidelgräser, aber auch Saatmischungen aus Blühpflanzen diskutiert, die gleichzeitig Bienen und andere Nützlinge fördern [5]. Nach Aussagen von Praktikern ist die oberflächliche Aussaat dieser Mischungen mit Pneumatikstreuern problemlos möglich [6]. Alternativ können auch Kartoffellegemaschinen so ausgestattet werden, dass in einem Arbeitsgang mit dem Legen die Untersaaten ausgebracht werden. Erste Prototypen und Eigenbaulösungen zu diesem Verfahren stehen zur Verfügung.

Weitgehend ungeklärt ist, über welche Trenngeräte die Erntemaschine verfügen muss, um bei ausreichender Flächenleistung eine zuverlässige Trennung der feinen Wurzeln der Untersaaten von den Kartoffeln zu erzielen. Hier spielt das Wurzelwerk der Untersaat (flachwurzelnd, tiefwurzelnd, horstbildend, etc.) eine entscheidende Rolle. Ob die Trennaggregate der neuentwickelten „Multi-Crop-Erntemaschine“ (siehe Abschnitt Erntemaschinen) hier erfolgreich eingesetzt werden können, muss sich noch zeigen. Bis dahin bleiben Untersaaten im Kartoffelbau vermutlich eine „exotische Sonderlösung“.

Erntevorbereitung

Im letzten Beitrag dieser Reihe wurde eine Systematik der technischen Alternativen zur Reduktion bzw. Sikkation des Kartoffelkrautes vorgestellt [4].

Nach wie vor stehen die kartoffelanbauenden Betriebe vor der Herausforderung einer leistungsstarken, terminorientierten Krautreduzierung ohne den Wirkstoff Deiquat (Reglone ®).

Mechanische Krautminderung durch „Krautstripping“ und mit Krautschlägern

Das Verfahren des Krautzupfens („Krautstripping“) nimmt bis heute eine Sonderstellung ein. Die zwei- und vierreihigen Maschinen arbeiten mit oberirdischen Werkzeugen in Form von Gummifingern oder umlaufenden Gummibändern, die das Kartoffelkraut aus dem Damm rupfen und abkämmen. Obwohl das Verfahren bereits seit Jahren praktiziert wird, ist es nicht stark verbreitet. Es wird vor allem in Gebieten mit Pflanzkartoffelvermehrung eingesetzt und soll verhindern, dass Krankheiten vom Kraut auf die Knolle übertragen werden. Berichte aus der Praxis zeigen, dass krauthängige Sorten nur schwer zu bearbeiten sind und der Damm oberflächlich aufreißen kann. Durch die offenen Risse im Damm gelangt Sonnenlicht an die Knollen und führt zum unerwünschten Ergrünen der Knollen. Während kleinere Grünstellen bei Pflanzkartoffeln zu tolerieren sind, leidet die Vermarktungsfähigkeit als Speisekartoffel.

Bei der Ernte mit „klassischen“ Kartoffelvollerntern ist zudem zu erwarten, dass das verbleibende, feine Restkraut nicht vollständig über die weitmaschige Grobkrautkette aus der Maschine gefördert wird.

Bei den konventionellen Krautschlägern mit horizontaler Schlegelwelle haben einige Hersteller ihre Maschinenpalette und damit vor allem die Arbeitsbreiten deutlich erweitert. Neben zwei- und vierreihigen Krautschlägern im Front- und Heckanbau werden inzwischen auch sechs- und achtreihige Varianten angeboten (vgl. Bild 3 A bis Bild 3 D). Während die zwei- und vierreihigen Maschinen im Frontanbau mit entsprechender Erntetechnik (z.B. zwei- bzw. vierreihige, gezogene Überladeroder) kombiniert werden können, erfordern die Maschinen mit größerer Arbeitsbreite in jedem Fall einen gesonderten Arbeitsgang zur Erntevorbereitung. Vergleichbar den „Butterfly-Mähwerken“ für die Grünlandbewirtschaftung werden dabei auch die sechs- und achtreihigen Krautschläger im Front- und im Heckanbau des Traktors kombiniert. Es ist zu erwarten, dass zukünftig auch 12-reihige Krautschläger kommerziell angeboten werden, da bereits erste Eigenbaulösungen verfügbar sind (Bild 4) [7].

Bild 3: Maschinen und Maschinenkombinationen für das zwei- bis achtreihige Krautschlagen

Figure 3: Machines and machine combinations for two- to eight-row haulm topping

 

Bild 4: Prototyp / Eigenbaulösung für einen 12-reihigen Krautschläger [7]

Figure 4: Prototype / self-made solution for a 12-row haulm topper [7]

 

Hybrid-elektrische Sikkation

Die elektrische Sikkation des Kartoffelkrautes wurde technisch weiterentwickelt [8 - 10]. Sie wird derzeit als „hybrid- elektrische“ Pflanzenschutzlösung diskutiert. Der wesentliche Unterschied zur früheren Vorgehensweise besteht darin, dass vor der elektrischen Behandlung eine gezielte Benetzung der oberirdischen Pflanzenteile mit einer besonders stromleitenden Flüssigkeit erfolgt. Als Konsequenz soll der Strom verstärkt die oberirdischen Pflanzenteile durchfließen und so die in der Vergangenheit beschriebenen Nachteile, insbesondere die Nabelendnekrosen, reduzieren. Nebeneffekt der verbesserten Leitfähigkeit ist, dass die Stromstärke und/oder die Einwirkzeit reduziert werden können. Damit erhöht sich die Flächenleistung der eingesetzten Technik. Pilotbetriebe, die die Technik einsetzen, berichten allerdings nach wie vor von einer sehr begrenzten Flächenleistung, die sich aus der geringen Arbeitsgeschwindigkeit von 3 km/h bis maximal 5 km/h ergibt [8].

Entwicklungen zur Ernte von Kartoffeln

Bei den Kartoffelerntemaschinen haben ein- und vor allem zweireihige Kartoffelvollernter mit Sammelbunker den größten Anteil. Es ist zu vermuten, dass dies an den besonderen Anbaustrukturen und den großen Hof-Feld-Entfernungen liegt (u.a. die in Deutschland verbreitete, jährliche Pacht von weit entfernten Kartoffelflächen). Bei den Einreihern sind Sammelbunker mit einer Bunkerkapazität von 2,0 t bis 5,5 t weiterhin am Markt verfügbar. Bei den Zweireihern werden üblicherweise größere Sammelbunker mit einer Kapazität von 6,0 t bis 8,0 t eingesetzt. In Einzelfällen, unter Verwendung eines besonderen Fahrwerks, werden seit Kurzem auch 9,0 t Bunkerkapazität realisiert.

Aufnahme ohne Dammtrommeln bei zweireihigen Erntemaschinen

Der zuverlässige, verstopfungsfreie Einzug der Kartoffeldämme in die Maschine ist eine Grundvoraussetzung für die mechanisierte Kartoffelernte. Zur Unterstützung des Vorgangs werden üblicherweise Dammtrommeln eingesetzt, die gezielt be- oder entlastet werden. Auf die technischen Zusammenhänge und jüngeren Entwicklungen zur Dammdruckregelung wurde im Rahmen dieser Schriftenreihe bereits hingewiesen [3]. Auf schweren, klebrigen Böden und auf Böden mit einem hohen Anteil scharfkantiger Steine kann es vorteilhaft sein, komplett auf Dammtrommeln zu verzichten. Diese Ausstattungsoption wird inzwischen von mehreren Herstellern angeboten. Bild 5 zeigt exemplarisch die über Tastkufen gesteuerte Aufnahme bei zweireihigen Erntemaschinen. Links (A) als Ausführung bei einer gezogenen Aufnahme und rechts (B) bei einer geschobenen Aufnahme (verändert nach [11]). In beiden Fällen kommen zweierlei Tastkufen zum Einsatz. Zum einen regeln Tastkufen auf der Dammkrone die Tiefenführung, ohne dass Druck auf den Damm ausgeübt wird. Zum anderen werden Tastkufen an der Innen- bzw. Außenseite der Dammflanken geführt, um die automatische Dammmittenfindung zu unterstützen.

 

Bild 5: Gezogene (A) und geschobene (B) Aufnahme mit Tastkufen anstelle von Dammtrommeln für die Kartoffelernte auf schweren Böden. (Bildkomposition [11; 12])

Figure 5: Pulled (A) and pushed (B) intake-systems with feeler skids instead of diabolo rollers for potato harvesting on heavy soils. (Composition [11; 12])

Krauttrennsysteme in gezogenen Erntemaschinen

Wie beschrieben, hat das Verfahren der chemischen Krautminderung durch den Verzicht auf Reglone® einen rasanten Wandel hinter sich. Derzeit stehen nur noch wenige alternative Wirkstoffe zur Verfügung. Die Herausforderung besteht darin, die oberflächlichen Pflanzenteile soweit zu reduzieren, dass der Ernteprozess nicht gestört oder unnötig verzögert wird. Gleichzeitig soll aber noch so viel Restkraut zur Verfügung stehen, dass die etablierten und weit verbreiteten technischen Lösungen zur Grobkrauttrennung mit weitmaschigen Krautketten weiterhin genutzt werden können.

Der grundsätzliche Aufbau von gezogenen Erntemaschinen, die nach dem Prinzip eines Schrägelevators mit umlaufender, weitmaschiger Krautkette (auch Grobkrautband genannt) arbeiten, soll an dieser Stelle nicht näher vertieft werden. Eine Funktionsbeschreibung und Einordnung der Krautkette findet sich u.a. bei [13].

Die Hersteller haben auf die geänderten Rahmenbedingungen reagiert und bieten heute Grobkrautbänder und Abstreifkämme an, die sich gezielt an die jeweils vorherrschenden Erntebedingungen anpassen lassen. Komfortable, hydraulische Verstellmechanismen sind inzwischen bei allen namhaften Herstellern optional verfügbar. Bauartbedingt unterscheiden sich die Länge und die Steigung der Grobkrautbänder. Weiterhin variieren die Anzahl und die Anordnung der eingesetzten Abstreifkämme je nach Hersteller und Maschinentyp. Die Wirklänge und die Wirkintensität unterscheiden sich folglich ebenfalls.

Um kurz geschlegeltes Kartoffelkraut zuverlässig zu trennen, bietet ein Hersteller seit kurzem eine Zupfwalze hinter dem zweiten Siebband beim Übergang auf das erste Trenngerät (Längs-Igelband mit Abstreifwalzen) an (Bild 6). Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Technik insbesondere bei trockenen Erntebedingungen für Speisekartoffeln durchsetzen kann.

Bild 6: Schemazeichnung zur Seitenansicht und Draufsicht einer gezogenen Erntemaschine mit Grobkrautband und zusätzlicher Zupfwalze (verändert nach [14])

Figure 6: Schematic drawing of the side view and top view of a trailed potato harvester with additional plucking roller (modified according to [14])

 

Eine weitere Besonderheit ist das in der Seitenansicht von Bild 6 (Punkt 5) dargestellte „rote“ Rückführband oberhalb des Trenngerätes im hinteren Bereich des Grobkrautbandes. Dieses Rückführband soll in besonders krauthängigen Sorten das Risiko von Kartoffelverlusten, die zurück auf den Acker fallen, deutlich reduzieren.

Mehrnutzungskonzepte für gezogene Erntemaschinen

Erntemaschinen für Kartoffeln sind saisonal genutzte Spezialmaschinen. Um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, arbeiten einige Hersteller verstärkt an modularisierten Maschinenkonzepten, die eine verlängerte Nutzungssaison in diversen Kulturen ermöglichen.

Die Mehrfachnutzung bezieht sich dabei auf die Ernte zusätzlicher Kulturen wie z.B. Zwiebeln, Möhren, Pastinaken, Knollensellerie und andere Feldgemüsearten. Der Anbau dieses Gemüses erfolgt häufig in Flachbeeten, Beeten oder in Dämmen. Dabei ist die Beetbreite bzw. die Reihenweite zwischen den Dämmen auf die Spurweite des Traktors abgestimmt.

Die oben bereits dargestellten Tastsysteme, die auf Dammtrommeln verzichten (Bild 5), können vergleichsweise einfach an die variierenden Anbausysteme (Flächenanbau, Flachbeet, Damm) adaptiert werden. Dazu werden die Taster, die die Damm- bzw. Beetflanken abtasten, so montiert, dass sie horizontal verschoben werden können.

Da sich die Erntezeiträume der Kartoffeln mit denen der anderen Feldkulturen gegebenenfalls überschneiden, können die Maschinen optional mit Schnellwechselsystemen für unterschiedliche Aufnahmen (u.a. Dammaufnahme, durchgehende Beetaufnahme, Schwadaufnahme für abgetrocknete Zwiebeln) ausgestattet werden.

Die vergleichende Komposition in Bild 7 zeigt exemplarisch einen modular aufgebauten Bunkerroder, der mit einer geänderten Konfiguration der Trennaggregate für die Ernte diverser Feldgemüsekulturen vorgesehen ist [12]. Oben (Bild 7; A/A1) ist ein klassischer Bunkerroder mit typischem Grobkrautband und Trenngeräten auf der Basis eines Igelbandes mit umlaufendem Gummifingerband in der Draufsicht dargestellt. Darunter (Bild 7; B/B1) ist die vergleichbare Maschine gezeigt, bei der das Grobkrautband durch ein Igelband und zwei aufeinander folgende Feinkrautelevatoren ersetzt wurde.

Bild 7: Vergleichende Darstellung einer Kartoffelerntemaschine mit einer MultiCrop Erntemaschine

Figure 7: Comparing illustration of a potato harvester with a MultiCrop harvester

Selbstfahrende Erntemaschinen

Bei den Weiterentwicklungen in diesem Maschinensegment liegt der Schwerpunkt auf der vier-reihigen, selbstfahrenden Erntetechnik. In der Praxis weit verbreitet sind 2-achsige Maschinen. Dabei werden auf der hinteren Achse entweder Breitreifen oder alternativ ein oder zwei Raupenfahrwerke links und rechts eingesetzt. Erstmals zeigt ein Hersteller [15] einen 3-achsigen, selbstfahrenden Bunkerroder, wobei 2 Achsen mit Breitreifen die Last des Bunkers abfangen und eine dritte, schmal bereifte Vorderachse die Lenkung der Maschine übernimmt. Die Vorderachse mit schmaler Bereifung unterstützt dabei auch die notwendige, exakte Tiefenführung des Krautschlägers bzw. des Rodeaggregates. Das Konzept, bei dem zwei schmale Reifen vor der Aufnahme laufen, ist inzwischen in dieser Maschinenklasse stark verbreitet
(Bild 8 C, D, E). Deutlich seltener, weil technisch aufwendiger, ist eine Konstruktion des Fahrwerks, die ohne Räder vor der Aufnahme auskommt. Diese spezielle Bauart ermöglicht das „Roden aus der Gare“, d.h. ein Roden des Bestandes aus dem abgesetzten Kartoffeldamm, ohne dass Räder die Flanken der Dämme beschädigen können (Bild 8 A, B).

In der Regel verfügen diese Erntemaschinen ebenfalls über Dammaufnahmeeinrichtungen, bei denen auf eine Dammtrommel verzichtet wird (vgl. Bild 5 bei den zweireihigen, gezogenen Erntemaschinen).

Bild 8 illustriert stark vereinfacht die Fahrwerkskonzepte für vierreihige selbstfahrende Kartoffelerntemaschinen mit Sammelbunker. Dabei werden die Varianten für das „Roden aus der Gare“ (Bild 8 A und B, links) von denen unterschieden, die eine zusätzliche Abstützung des Rodeaggregates über eine Achse vor der Aufnahme verfügen (Bild 8 C bis Bild 8 E).

Die Illustration verdeutlicht außerdem, dass die Last des Sammelbunkers von Breitreifen auf einer Achse, von Breitreifen auf zwei Achsen oder von einem Raupenlaufwerk getragen werden kann.

Bild 8: Vergleiche Darstellung verschiedener Fahrwerkskonzepte in der selbstfahrenden Erntetechnik, Draufsicht, stark vereinfacht

Figure 8: Comparison of different chassis concepts in self-propelled potato harvesters, top view, simplified

Ertragsschätzung und Ertragsermittlung

Seit vielen Jahren wird daran gearbeitet, eine lokale Ertragsermittlung bei Kartoffeln zu realisieren [16]. Inzwischen werden von verschiedenen Herstellern Nachrüstsysteme angeboten. Die verfügbaren Systeme sind in Bild 9 vergleichend dargestellt.

In Abhängigkeit der Siebfähigkeit des Bodens und der Erntebedingungen verfälscht die anhaftende Erde allerdings bei allen Wiegesystemen die realen Ertragsmesswerte. Es ist also nur folgerichtig, dass einzelne Hersteller nicht von lokaler Ertragsermittlung, sondern vom lokalen Massenertrag sprechen. Der Massenertrag wird derzeit mit Hilfe von Korrekturfaktoren (z.B. nach visueller Bonitur) auf die realen, lokalen Erträge umgerechnet.

Bild 9: Technik zur lokalen Ertragsermittlung bei der Kartoffelernte (verändert nach [16])

Figure 9: Digital video-system with remote display on any internet connected device (modified [16])

 

Als Sensoren zur Massekartierung bzw. zur lokalen Ertragsermittlung kommen Kraftmesszellen unter dem Sammelbunker zum Einsatz. Alternativ erfolgt die Messung mit einer Kombination aus Kraftmesszellen unter den Fördergurten (z.B. unter dem Verlesetisch oder unter dem Überlade-Elevator) und einem Sensor für die Bandgeschwindigkeit. Als dritte Variante stehen optische Systeme zur Verfügung, die kontinuierlich den Volumenstrom auf dem Fördergurt erfassen. Für die Zuordnung zur Teilfläche werden die Erträge entsprechend georeferenziert.

Seit kurzem gibt es außerdem ein Verfahren, bei dem mit Hilfe einer Drohne bzw. mit Hilfe von Satelliten-Luftbildaufnahmen die Assimilationsfläche des Kartoffelbestandes erfasst und verrechnet wird. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz wird auf den potentiellen Ertrag der Teilfläche hochgerechnet [17]. Das Verfahren liefert nach ersten Praxiserfahrungen insgesamt plausible Ergebnisse. Es ist zu erwarten, dass die hinterlegten Modelle zukünftig standort- und sortenspezifisch erweitert werden, so dass die Genauigkeit der Ernteprognose einschließlich der zu erwartenden Knollengröße zunimmt.

Obwohl die oben beschriebene Messtechnik zur Ertragsmessung (siehe Bild 9) plausible Werte liefert, ist offensichtlich, dass die Genauigkeit bei der Messung der real geernteten Ware stark vom Anteil anhaftender Resterde abhängig ist. Minimale Erdanhaftungen werden toleriert, weil sie mechanische Belastungen der Knollen bei allen Umlagerungsvorgängen reduzieren können. Größere Mengen anhaftender Resterde sind dagegen kritisch zu werten, weil die Transportkapazität sinkt und Kosten für die Entsorgung der Erde entstehen können.

Die Abreinigung von Resterde und damit auch die Bestimmung der real geernteten Ware kann an verschiedenen Stationen der Verfahrenskette im Kartoffelanbau erfolgen. Bild 10 gibt hierzu von links nach rechts einen schematisierten Überblick.

Bild 10: Verfahrenstechnische Alternativen der Ertragsmessung im Kartoffelanbau

Figure 10: Procedural alternatives for yield measurement in potato production

 

In Abhängigkeit der technischen Möglichkeiten für die Zuordnung der geernteten Kartoffeln zur Fläche wird in der vorgestellten Systematik zwischen lokaler, d.h. teilflächenspezifischer Ertragsmessung (grün), und aufsummierter Ertragsmessung für eine Ackerfläche (blau) unterschiedenen. Folgende Alternativen werden derzeit angeboten:

  • (A) Ertragsschätzung mit Hilfe von Luftaufnahmen
  • (B) Massenerfassung während des Ernteprozesses auf der Erntemaschine
  • (C) Massenerfassung mit Wiegeeinrichtungen an Überladefahrzeugen
  • (D) Massenerfassung in Reinigungsladern bzw. in Feldverladestationen
  • (E) Straßentransportfahrzeuge (LKW und Anhänger) mit entsprechender Messtechnik zur Erfassung der Transportfrachten
  • (F) Wiegesysteme in Form von Bandwaagen oder Kistenwaagen für die kontrollierte Einlagerung und Massenerfassung bei Kartoffeln

Je mehr Stufen der Aufbereitung und Reinigung der Rohware erfolgt sind, desto genauer entspricht die erfasste Masse dem real geernteten bzw. dem vermarktungsfähigen Ertrag. Von links nach rechts nimmt die Genauigkeit der Messung demnach grundsätzlich zu, während die Genauigkeit der Zuordnung zur Teilfläche abnimmt. Im Gegensatz zur Ertragsschätzung per Luftbild kommt erschwerend hinzu, dass Knollenverluste, die im Ernteprozess entstehen können, bei der Massenerfassung im Ernte- und Aufbereitungsprozess völlig unberücksichtigt bleiben. Die derzeit verfügbaren Techniken der Massenerfassung lassen sich deshalb besonders für die Optimierung der Abfuhrlogistik nutzen. Für eine genaue, teilflächenspezifische Ertragsmessung sind noch einige Fragen zu klären.

Logistik-Konzepte im Kontext der Stärkeerzeugung

Reinigungslader und Feldverladestationen

In Deutschland gibt es aktuell sieben Fabriken für die Herstellung von Kartoffelstärke (Stand 2021). Die saisonale Kampagne dieser Fabriken führt zu Liefer- und Logistikkonzepten, die denen der Zuckerrübenernte ähneln. Kartoffeln, die nicht unmittelbar während der Ernte angeliefert werden können, werden analog zu Zuckerrüben häufig in Feldrandmieten zwischengelagert. Für das zeitversetzte Verladen dieser Kartoffeln auf LKWs stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Verbreitet ist die Aufnahme der Kartoffeln mit einem Frontladertraktor, einem Radlader oder einem Bagger in Kombination mit einem mobilen Reinigungslader, der mit einem Dieselaggregat betrieben wird (Bild 11, A). Die Ladeleistung ist im Wesentlichen abhängig von der Kapazität der Ladeschaufel. Die Reinigungslader sind bauartbedingt quasi-stationär. Eine Abreinigung der anhaftenden Erde erfolgt in der Regel mit klassischen Walzentrenngeräten in Form von Rollenseparatoren.

Bild 11: Verfahrenstechnische Alternativen zum Verladen von Kartoffel-Feldrandmieten.
(Bildkomposition Lubo-Reinigungslader, ROPA selbstfahrender Reinigungslader)

Figure 11: Procedural alternatives to load potato clamps at the edge of field.
(Composition Lubo-cleaning loader, ROPA self-propelled cleaning loader)

 

Inzwischen stehen für das Verladen auch Kartoffelreinigungslader („Kartoffelmaus“, Bild 11, B) zur Verfügung, die funktionell wie Rübenreinigungslader aufgebaut sind [11]. Derzeit werden zwei dieser Maschinen in regionaler Nähe zu den Stärkefabriken in Nord- bzw. Süddeutschland eingesetzt. Vorteilhaft ist, dass bei einer Überfahrt die gesamte Miete aufgenommen wird. Im Vergleich zu Traktoren, Radladern und Baggern ist die Anzahl der Überfahrten am Vorgewende damit auf ein Minimum reduziert.

Digitalisierung, Robotik und autonome Arbeitsmaschinen im Kartoffelanbau

Es gibt diverse Gründe für die Hersteller, sich mit dem Thema Robotik auseinanderzusetzen [18]. Einer davon ist der zunehmende Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft. Im letzten Beitrag dieser Reihe [4] wurde bereits auf einen Prototyp zur autonomen Ernte von Kartoffeln und Süßkartoffeln hingewiesen.

Inzwischen wurden mehrere Funktionsmuster der Maschine in der Erntekampagne 2019 für die Ernte von Süßkartoffeln eingesetzt. Süßkartoffeln sind im Vergleich zu Kartoffeln besonders empfindlich und werden deshalb in der Regel mit hohem manuellen Aufwand geerntet. Die Studie belegt, dass die schwere Arbeit des Rodens problemlos von der Maschine erledigt werden kann, während die notwendige, schonende Trennung von Knollen und Beimengen von Hand am Verlesetisch erfolgt. Bild 12 zeigt ein entsprechendes Einsatzfoto.

Bild 12: Funktionsmuster einer autonomen Erntemaschine für Kartoffeln und Süßkartoffeln [19]

Figure 12: Functional model of an autonomous harvester for potatoes and sweet potatoes [19]

 

Zur Vorbereitung des europäischen Feldtages „Potato Europe 2021“, der aufgrund der Corona-Pandemie jedoch nicht stattfand, wurde erstmals die Kombination aus einer konventionellen Legemaschine und einem Roboter vorgestellt und damit „autonomes Legen von Kartoffeln“ in einer praxisnahen Anwendung demonstriert (Bild 13) [20].

Bild 13: Demonstration eines autonomen Zugfahrzeuges vor einer Kartoffel-Legemaschine [20]

Figure 13: Demonstration of an autonomous vehicle in front of a potato planter [20]

 

Die Demonstration dieser Maschinenkombination auf einem Versuchsfeld der Universität Wageningen (Niederlande) erregte großes Medieninteresse. Sie zeigt, dass neue, autonome Zugfahrzeuge mit etablierter Technik kombinierbar sind, wenn die derzeit etablierten Standards (u.a. Koppelpunkte für Mechanik, Hydraulik, Elektrik) genutzt werden.

Derzeit ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, wie sich die rechtliche Situation für autonome Fahrzeuge ändern wird. Im derzeit üblichen Verständnis übernimmt der Fahrer der Zugmaschine die Verantwortung für das Gespann. Dieses Verständnis ist nicht anwendbar, wenn der klassische Traktor durch ein fahrerloses Zugfahrzeug ersetzt wird. Einzelne Hersteller von autonomen, modular aufgebauten Zugfahrzeugen bieten daher nicht nur das Fahrzeug selbst, sondern zusätzlich auch eine Dienstleistung an, mit der der sichere Betrieb der Maschinenkombination auf definierten „fachlich zertifizierten“ Flächen ermöglicht wird. [21]

Es ist zu erwarten, dass mit der Zunahme der Start-Ups im Bereich der Agro-Robotik auch neue Hersteller im Bereich der Kartoffeltechnik auftreten werden. Beobachtet man die aktuelle Fachpresse, so lassen sich verschiedene Szenarien/Visionen für die zukünftige Weiterentwicklung ableiten.

Bild 14 soll dazu dienen, die derzeit diskutierten Alternativen der (teil-)autonomen Bewirtschaftung vereinfacht darzustellen. Gezeigt werden drei typische Arbeitsvorgänge im Anbau von Kartoffeln. Ganz links ist schematisch das Legen der Kartoffeln dargestellt. In der Mitte folgen Pflegemaßnahmen, wie z.B. der chemische Pflanzenschutz. Rechts ist die Ernte der Kartoffeln skizziert. Die Grafik orientiert sich an der Frage: „Mit welcher Technik lassen sich zukünftig autonome Verfahren in den Anbau von Kartoffeln integrieren?“

Bild 14: Visionen und technische Alternativen für die zunehmende Robotik und autonome Bewirtschaftung von Kartoffelanbauflächen im Verlauf der Vegetation

Figure 14: Visions and technical alternatives for increasing robotics and autonomous farming in potato production.

 

Zur Beantwortung der Frage können drei Szenarien dienen:

  • Szenario (A) zeigt einen „älteren“ Standardtraktor, der technisch mit diversen Sensoren nachgerüstet wird, um den Fahrer bei Arbeitsroutinen zu entlasten. Zu den heute schon üblichen, praxisreifen Techniken gehören u.a. GPS-gestützte Lenksysteme, die eine präzise Anschlussfahrt, Parallel-Konturen und eine automatisierte Kalkulation der Flächenleistung ermöglichen. Auf Grund der verfügbaren Leistung der Standardtraktoren lassen sich mit Hilfe dieser Technik alle üblichen Arbeitsgänge im Kartoffelanbau vom Legen des Pflanzgutes über die Pflege bis zur Ernte realisieren.
  • Szenario (B) zeigt einen „Roboterschwarm“. Der Schwarm besteht aus kleinen Einzelrobotern mit eigenem Antrieb, die in der Lage sind, Spezialaufgaben zu erledigen. Diese Roboter sind in der Regel „leicht“ konstruiert. Die installierte Leistung ist häufig elektrisch konzipiert (Photovoltaik) und in der Regel vergleichsweise gering. Die verfügbare Energie wird sowohl für die Vorwärtsbewegung als auch für den Antrieb der Werkzeuge genutzt. Es ist offensichtlich, dass mit zunehmender Bearbeitungstiefe im Boden die Vorfahrt und die Flächenleistung limitiert werden. Als Konsequenz werden diese Roboter derzeit vor allem für die mechanische Unkrautregulierung favorisiert.
  • Szenario (C) ersetzt den Standardtraktor durch einen fahrerlosen, autonomen Zugtraktor mit hoher Leistung. Die Antriebskonzepte sind dabei entweder konventionell (Dieselmotor), Diesel-elektrisch, vollelektrisch oder auf Wasserstoff basiert (technische Details zu den Antriebskonzepten finden sich anderen Beiträgen dieses Jahrbuches). Die Koppelpunkte für die mechanische Anhängung, Hydraulik, Elektrik und Elektronik (ISOBUS) orientieren sich grundsätzlich an den etablierten Standards, wobei einzelne Hersteller auch spezifische Lösungen anbieten.

Derzeit ist die Akzeptanz der fahrerlosen Systeme, die nicht einmal über eine Fahrerkabine verfügen (Bild 14, C), in der Praxis noch nicht gegeben, obwohl der beschriebene Mangel an Fachkräften den Wandel zur Autonomie unterstützt. Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass Zugfahrzeuge, die über keine Fahrerkabine mehr verfügen, eine hohe Zuverlässigkeit aufweisen müssen. Es besteht keine Möglichkeit mehr, fehlerhafte Sensorik durch einen Fahrer zu ersetzen.

Die These des fehlenden „Human-Backups“ kann ebenfalls für die Schwarmrobotik (Bild 14, B) angesetzt werden. Bei einem Schwarm kann der Ausfall eines Roboters durch die Mehrarbeit eines anderen kompensiert werden. Systembedingte Totalausfälle (z.B. ein temporärer Ausfall des GPS-Signals) sind jedoch nur schwer auszugleichen. Dies gilt insbesondere für terminorientierte Pflegemaßnahmen, wie z.B. die (mechanische) Unkrautregulierung im Jugendstadium.

Der Einsatz von einzelnen, photovoltaisch angetriebenen Unkraut-Hackrobotern nimmt im Bereich des Bio-Zuckerrübenanbaus dennoch auf niedrigem Niveau zu. Ob sich die verfügbaren Erfahrungen auf den Anbau von Kartoffeln übertragen lassen, ist derzeit jedoch offen.

Demgegenüber stehen Traktoren, die technisch aufgerüstet werden, um den Fahrer bei Routinearbeiten zu unterstützen (Bild 14, A). Sowohl die Traktorenhersteller als auch die Hersteller der Kartoffeltechnik (Legemaschinen, Maschinen zur Bestandespflege, Erntemaschine) arbeiten daran, die Maschinen mit zusätzlicher Intelligenz auszustatten, um stufenweise den Fahrer zu entlasten und „Autonomie“ einzuführen. Beispiele hierfür sind die seit Jahren vorgestellten Techniken des TIM (Traktor-Implement-Managements). TIM ist dabei sowohl für die Legetechnik als auch für die Erntetechnik verfügbar [22].

Für die Akzeptanz in der Praxis hat diese Vorgehensweise bis dato besondere Bedeutung. Sie ermöglicht es dem Anwender in kritischen Situationen ein „Backup“ zu nutzen. Bei eventuellen Ausfällen einzelner technischer Komponenten kann der Traktor mit Fahrer immer noch alle notwendigen Arbeiten durchführen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Fahrer dann auch die komplexe Bedienung der Traktor-Gerätekombination erledigen kann.

Intelligente, autonome Landmaschinen haben ein erhebliches Potential, Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit (u.a. Erhalt der Biodiversität, Bodenschutz) zu liefern. Derzeit sind jedoch noch nicht alle Rahmenbedingungen für den Einsatz autonomer Fahrzeuge auf frei zugänglichen, landwirtschaftlichen Flächen geklärt. Es bleibt zu hoffen, dass Politik, Gesellschaft und Hersteller an einem Strang ziehen, so dass dem Anbauer auch in Zukunft weiterhin leistungsfähige, wirtschaftliche Technik zur Verfügung steht.

 

Literatur

[1]     AMI: AMI Markt Charts - Fakten und Trends zum EU-Kartoffelmarkt 2021/22. In: AMI Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (Hrsg.), Bonn.

[2]     N.N.: Verordnung (EU) Nr. 167/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. Februar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von Land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32013R0167&qid=1643122869624, Zugriff am: 24.01.2022.

[3]     Klindtworth, M.: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, L. (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2017, Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2018, S. 162-176.

[4]     Klindtworth, M.: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, L. (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2019, Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2020. S. 1-16.

[5]     Voiku, I.: The Technology of co-culturing of potatoes with honey plants and prospects of its technical support. Environment Technology Resources Proceedings of the International Scientific and Practical Conference, June 2019.

[6]     Krick, F.: Untermieter im Kartoffeldamm. In: Kartoffelbau 11/2021, S. 18 ff.

[7]     Nordmann, V.: Zwölfreihig Kraut schlagen. URL: https://lu-web.de/redaktion/news/zwoelfreihig-kraut-schlagen/, Zugriff am: 24.01.2022.

[8]     Ehnts-Gehrdes, A.: Gegen alle Widerstände – Unkrautbekämpfung mittels Strom. In: Lohnunternehmen Heft 11/2021, S. 74 ff.

[9]     Weiss, G.: Kartoffelkraut unter Strom. In: Kartoffelbau, Heft 8/2021, S. 26-28.

[10]   ZASSO: Produktinformationen zu elektrischer Unkrautbekämpfung. URL: https://zasso.com/, Zugriff am: 24.01.2022.

[11]   ROPA: Pressemitteilung, Kartoffelbau 12/2021, S. 73.

[12]   GRIMME: Informationen zum GRIMME EVO All Crop Harvester. URL: www.grimme.com, persönliche Mitteilung des Produktmanagements.

[13]   Peters, R.: Kartoffelanbautechnik. In: Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion. Köller (Hrsg.), Verlag Eugen Ulmer, ISBN 978-3-8252-5198-7, S. 243-267.

[14]    AVR: Pressemitteilung Spirit 7200. URL: https://www.avr.be/de/news/avr-spirit-7200-neuer-sieben-tonnen-bunker-offset-roder-mit-zusaetzlichem-krauttrennsystem, Zugriff am: 24.01.2022.

[15]   Dewulf: Präsentation und Pressemitteilung zur 4-reihigen, selbstfahrenden Kartoffelerntemaschine Dewulf Enduro. URL: https://www.dewulfgroup.com/de/nachrichten-und-veranstaltungen, Zugriff am: 24.01.2022.

[16]   Demmel, M.; Auernhammer, H: Untersuchung der lokalen Ertragsermittlung in einem gezogenen einreihigen Kartoffelroder. Poster zum gleichnamigen Forschungsvorhaben, URL: www.tec.wzw.tum.de/downloads/poster/poster_ertragsermittlung_kartoffelroder.pdf, Zugriff am: 24.01.2022.

[17]   Soilessentials: Produktinformationen zur Wachstumsprognose auf Basis von Satelliten- und Luftbildaufnahmen. URL: https://www.soilessentials.com, Zugriff am: 24.01.2022.

[18]   Herlitzius, T.: Quo Vadis Landtechnik – Zukünftige Entwicklungshorizonte. Vortrag zum Jubiläum „70 Jahre Landtechnik in Köln“, 28.September 2019, URL: https://www.th-koeln.de/anlagen-energie-und-maschinensysteme/praesentationen_16726.php, Zugriff am: 24.01.2022.

[19]   N.N.: Vorstellung des halb-autonomen Kartoffelroders „Harvey-One“ des
Startup-Unternehmens Schmiede.One. URL: https://youtu.be/H0EFzDfW9vA,
Zugriff am: 24.01.2022.

[20]   AGROINTELLI: Demonstration of an autonomous robot, planting potatoes.
URL: https://www.facebook.com/AGROINTELLI/videos/robotti-planting-potatoes/215430897008346/, Zugriff am: 24.01.2022.

[21]   Kamps, P.: AgXeed AgBot – Von der Idee über Konzeption und Prototyp zum marktfähigen Produkt. Online-Vortrag vom 08.12.2021, URL: https://www.th-koeln.de/anlagen-energie-und-maschinensysteme/praesentationen_16726.php, Zugriff am: 24.01.2022.

[22]   Klindtworth, M.: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, L. (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2015, Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2016, S. 171-182.

 

Ein Dank geht an die Kollegen, die mich bei der Recherche zu diesem Beitrag unterstützt haben und an M.Sc. Florian Dieker, Perryfarms (Canada) für seine wertvollen
Informationen, Literaturhinweise und die anregende Diskussion zum Thema Untersaaten im Kartoffelbau.

Autorendaten

Dr. agr. Michael Klindtworth ist bei der GRIMME Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG in Damme (Deutschland) verantwortlich für Übersetzungsmanagement und Terminologie. Weiterhin ist er seit vielen Jahren Dozent für Landtechnik an der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik (PHWT) in Vechta und Diepholz.

Empfohlene Zitierweise:
Klindtworth, Michael: Kartoffeltechnik. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2021. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2022. – S. 1-20

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