Beitrag in Jahrbuch 2012

Traktoren Motoren und Getriebe bei Traktoren

Kurzfassung:

Bei Traktordieselmotoren kommt die SCR-Technik (Emissionen, Verbrauch). Das Doppel-kupplungsprinzip erlangte durch das neue DirectDrive von John Deere weitere Bedeutung. Ein neues CVT von John Deere verwendet erstmalig die Doppeljoch-Hydrostatik von Sauer-Danfoss. Das schmale CVT von Same Deutz-Fahr ging in Serie. Diesel-elektrische Fahran-triebe (Prototypen) haben leichte Effizienzdefizite. Strukturen mit elektrischen Hochvolt-Bordnetzen und Steckdosen werden auf breiter Basis erwartet. Die weitere Entwicklung und Beurteilung von Antriebskonzepten wird durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten mit immer besseren Simulationswerkzeugen – auch für Co-Simulationen – unterstützt.

Volltext

Motoren und Getriebe bei Traktoren

Karl Theodor Renius,

Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Technische Universität München

Marcus Geimer,

Lehrstuhl für Mobile Arbeitsmaschinen, Karlsruher Institut für Technologie

Kurzfassung

Bei Traktordieselmotoren kommt die SCR-Technik (Emissionen, Verbrauch). Das Doppel-kupplungsprinzip erlangte durch das neue DirectDrive von John Deere weitere Bedeutung. Ein neues CVT von John Deere verwendet erstmalig die Doppeljoch-Hydrostatik von Sauer-Danfoss. Das schmale CVT von Same Deutz-Fahr ging in Serie. Diesel-elektrische Fahran-triebe (Prototypen) haben leichte Effizienzdefizite. Strukturen mit elektrischen Hochvolt-Bordnetzen und Steckdosen werden auf breiter Basis erwartet. Die weitere Entwicklung und Beurteilung von Antriebskonzepten wird durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten mit immer besseren Simulationswerkzeugen – auch für Co-Simulationen – unterstützt.

Schlüsselwörter

Traktor, Getriebe, Dieselmotor, SCR, CVT, Leistungsverzweigung, elektrische Antriebe

Tractor Engines and Transmission

Karl Theodor Renius,

Chair of Vehicle Technology, Technical University of Munich

Marcus Geimer,

Chair of Mobile Machines, Karlsruhe Institute of Technology

Abstract

SCR technology is more and more applied also for tractor diesel engines (emissions, fuel consumption). The double-clutch principle gained further importance by the new DirectDrive of John Deere. A new CVT of John Deere uses for the first time the double head hydrostatics of Sauer-Danfoss. The narrow power split CVT of Same Deutz-Fahr started in series. Diesel-electric tractor drives (prototypes) have light efficiency deficits. Structures with electric high-voltage grids on-board and for implements are expected on a broader basis. The further development and evaluation of power trains is supported by several interesting scientific publications and continuously improved simulation tools – also for co-simulations.

Keywords

Tractor, power train, diesel engine, SCR, CVT, power split transmission, electric drives

Antriebsstrang

Eine Übersicht zur aktuellen Antriebstechnik von Traktoren wurde mit [1] vorgelegt, während man in [2] über die Energieeffizienz aus Daten von OECD-Testberichten berichtet.

Die Ungleichförmigkeit von Dieselmotoren ist durch höhere Mitteldrücke, eine Abnahme der Zylinderanzahl und ein reduziertes Drehzahlniveau (bei Höchstleistung) stark gestiegen. Torsionsdämpfer und elastische Motoraufhängungen werden dadurch stärker belastet.

Ein Antriebsstrang-Management, bei dem der Dieselmotor im Wirkungsgradoptimum eines Leistungspunkts gefahren wird, bestätigte erneut das Kraftstoffeinsparpotential [3].

Dieselmotoren

Technische Maßnahmen zur Einhaltung zukünftiger Dieselmotor-Emissionen wurden aus US-Sicht in [4] besprochen. In [5] wurde von Fendt die Entwicklung der eingeführten SCR-Abgasnachbehandlung (Selective Catalytic Reduction) berichtet. Besonders hervorgehoben wird der erreichte günstige Kraftstoffverbrauch. Zusätzlich wird nach [6] 4,3 bis 7,9 % AdBlue benötigt.

Der Beitrag [7] diskutiert die Anforderungen an das Motoröl in Bezug auf die reduzierten Emissionen. In [8] wurde eine Strukturierung der weltweit eingesetzten Traktor-Dieselmotoren in Technologiestufen vorgestellt. In [9] wird über die Serieneinführung verstellbarer Schmierölpumpen berichtet, deren bedarfsgesteuerter Ölstrom und modulierter Öldruck seit 2002 in PKW-Serienanwendungen zur Kraftstoffeinsparung beiträgt.

Die Umsetzung der europäischen Abgasvorschriften hält an: Für Leistungen größer 56 kW gilt bereits die Stufe IIIB, für 37 bis 56 kW gilt diese ab 2013. Stufe 4 wird ab 2014 wirksam. Die dafür notwendige SCR-Technik wird wegen der Kraftstoffeinsparungen zum Teil auch schon heute eingesetzt, jetzt auch von John Deere angekündigt. Ob es möglich und sinnvoll ist, für Stufe 4 auf Partikelfilter zu verzichten, ist derzeit noch nicht klar erkennbar.

Alternative Betriebsstoffe

Kraftstoffkosten haben bei modernen Traktoren einen höheren Kostenanteil als früher. Eine aktuelle Übersicht über Biokraftstoffe findet man in [10]. Der Test eines Fendt Vario 820 "greentech" (Mehrpreis 7500 €) ergab für Rapsölbetrieb einen spezifischen Mehrverbrauch in g/kWh bis zu ca. 10 % [11]. Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzellen, wie sie für Erdgas entwickelt werden, sind grundsätzlich auch für Biogas brauchbar, sofern dieses geeignet aufbereitet und der Brennstoffzellenprozess daran angepasst wird [12].

Gestufte und hydrostatisch-stufenlose Fahrantriebe

Gedanken zur weiteren Entwicklung von Teillastschaltgetrieben bis zu 10 Stufen wurden aus ZF-Sicht in [13] dargelegt. John Deere stellte auf der Agritechnica 2011 für die Baureihe 6R überraschend das Getriebe DirectDrive mit 8-fach Lastschaltung nach dem Doppel-kupplungsprinzip vor, Bild 1. Der Motor treibt über die lastschaltbare Reversierung (auch zum Anfahren) zwei nasse Kupplungen an, über die zwischen den geraden und ungeraden Gängen unter Last gewechselt werden kann. Die 8 Grundstufen arbeiten mit 3 nachge-ordneten Fahrbereichen zusammen, kombiniert mit der für John Deere typischen Reversie-rung. Auf Wunsch gibt es Kriechgänge. Das Doppelkupplungsprinzip war schon 1939 von dem Franzosen Adolphe Kégresse (DBP 894 204) und 1940 (nur einige Monate später – vermutlich unabhängig) von dem Landtechniker Rudolf Franke (DBP 923 402) vorgeschla-gen worden [14], wurde später vereinzelt in Lastschaltgetrieben von Traktoren benutzt und z. B. von CNH 2009 auch in einem leistungsverzweigten CVT angewendet [15].

Bild 1: Neues Getriebe John Deere "DirectDrive" mit 8-facher Lastschaltung nach dem Doppelkupplungsprinzip für Baureihe 6R (2012)

Figure 1: New transmission John Deere "DirectDrive" with 8-speed power shift using the double clutch concept for tractor models 6R (2012)

Bild 2: Neues leistungsverzweigtes, stufenloses Getriebe (CVT) von John Deere mit Doppeljoch-Hydrostatik (Sauer-Danfoss) für die neue Reihe 7R (2011)

Figure 2: New John Deere power split CVT using hydrostatic double head unit (Sauer-Danfoss) for new tractor models 7R (2011)

John Deere entwickelte weiterhin für die neue Reihe 7R ein stufenloses, leistungsverzweig-tes CVT (Continuously Variable Transmission) mit zwei in der Schwenkung fest gekoppelten Schrägachsen-Axialkolbeneinheiten (Sauer-Danfoss) [16], Bild 2. Die erstmals bei Traktoren eingesetzte Doppeljoch-Hydrostatik mit Schrägachseneinheiten benötigt keine Drehdurchführungen, hat nur eine Verstellvorrichtung und kurze Verbindungskanäle und ist damit kostengünstig. Die Verstellreihenfolge entspricht nicht ganz der allgemeinen Regel (zuerst nur Pumpe bei voller Motorausschwenkung) [17], kommt aber vermutlich bezüglich Wirkungsgrad dem Optimum sehr nahe.

Das kleine CVT von SDF ging bei Deutz-Fahr 2010 in Serie, Bild 3. Es arbeitet mit primärer Kopplung und Abnahme von zwei Fahrbereichen vorwärts (L, H) am Steg beziehungsweise am rechten Sonnenrad des Summierungsplaneten. Der Rücklauf (R) geht auch vom Steg aus. Das Getriebe baut durch den Verzicht auf Hohlräder und äußere Bremsen besonders schlank - günstig für Schmalspurtraktoren.

Bild 3: Leistungsverzweigtes CVT von Same Deutz-Fahr für unteren Leistungsbereich (2010)

Figure 3: Power split CVT of Same Deutz-Fahr for lower power range (2010)

Zum neuen stufenlosen Valtra-Getriebe (siehe voriges Jahrbuch) erschien mit [18] eine ausführliche technische Beschreibung und in [19] ein Bericht über die Projektabwicklung mit Linde-Schrägscheibeneinheiten (Back-to-back 75/75 ccm).

In [20] wurde die Konstruktion der neuen kleinsten Vario-Version ML 70 für die 200er Familie vorgestellt (ein Fahrbereich) mit auch einem Überblick über den gesamten Vario - Getriebe-baukasten: insgesamt nur 3 Pumpen- und 3 Motorgrößen, alle verstellbar. Publizierte Kenn-felder [21] zeigen erneut deren herausragend gute Wirkungsgrade (von bis zu 96 %).

Carraro präsentierte mit [22] die Entwicklung eines stufenlosen Getriebes nach dem TOROTRAC-Volltoroid-Prinzip mit etwa 90 kW Grenzleistung. Nach dem "geared neutral"-Prinzip erzeugt ein erster leistungsverzweigter Fahrbereich Geschwindigkeiten bis ca. 10 km/h mit stufenlosem Reversieren, an den sich ein zweiter, direkter bis ca. 50 km/h an-schließt. Die mitgeteilten Wirkungsgrade gelten ohne Achsen. Berücksichtigt man diese zusätzlich nach [23], so ergeben sich Gesamtwirkungsgrade im Trend eher etwas unter denen guter hydrostatisch-leistungsverzweigter Konzepte dieser Leistungsklasse.

ZF entwickelte mit dem "Terramatic 11" eine Abrundung seines CVT-Programms nach unten in zwei Leistungsklassen - max. 65 oder 85 kW (ECE R24) [24]. Die Leistungsverzweigung ist primär gekoppelt (45 ccm-Einheiten, eine verstellbar).

Die Erfolge hydrostatisch-leistungsverzweigter Fahrantriebe bei Traktoren beflügelten Ent-wicklungen auch für Baumaschinen. So stellten auf der Bauma 2010 die Firmen Caterpillar, ZF und Bosch Rexroth - DANA serienreife Lösungen für Radlader vor. Ferner entwickelte die 2009 gegründete VDS Getriebe GmbH einen interessanten Getriebebaukasten [25].

Stufenlose mechanische, elektrische und hybride Systeme

Auf der Interalpin 2009 präsentierte Kässbohrer erstmals als Studie einen diesel-elektrischen Pistenbulli mit STW-Komponenten [26] und auf der BAUMA 2010 stand von Caterpillar eine dieselelektrische Planierraupe. Die Gesamtwirkungsgrade liegen vermutlich etwas unter denen guter hydrostatisch-leistungsverzweigter Getriebe.

Elektrische Antriebe sind als Prototypen auch bei Traktoren weiter auf dem Vormarsch. Auf der Agritechnica 2009 präsentierte Belarus mit dem Typ 3023 (Nennleistung ca. 220 kW) einen Traktor mit stufenlosem elektrischen Fahrantrieb aus Asynchrongenerator, Hochvolt-Gleichstrom-Zwischenkreis und Asynchronmotor-Komponenten von Ruselprom, Moskau. Der elektrische Wandler (incl. 2x Leistungs¬elektronik) soll in einem weiten Geschwindig-keitsbereich Volllastwirkungsgrade um 85 bis 86 % erreichen (Firmen-Diagramm), was für sehr gute Komponenten der höchsten Effizienzklasse gerade plausibel erscheint, Bild 4. Rechnet man die Zweigang - Grup¬penwahl und die Achsen hinzu, sind für "Getriebeeingang bis Radnabe" Werte um 78 bis 80 % zu erwarten. Das ist besser als bei einem direkten hydrostatischen Antrieb, aber schlechter als bei den existierenden hydrostatisch - leistungsverzweigten Kon¬zepten dieser Leistungsklasse [27].

Etwas günstiger könnte ein diesel-elek¬trischer Antriebsstrang abschneiden, der mit direkten Radantrieben (über integrierte Planetengetriebe) arbeitet, wie z. B. von der TU Dresden entwickelt [28] und an einem RIGITRAC auf der Agritechnica 2011 vorgestellt. Kritischer Punkt ist hier, den bei Traktoren sehr großen Volllast-Fahrbereich (4 bis 40/50/60 km/h, Spreizung bis 1:15) mit ausreichend guten Wirkungsgraden darzustellen. Das erfordert schaltbare Zusatzstufen. Der Ist-Stand beim RIGITRAC: 2 elektrische Stufen, Spreizung 8,5, Planetengetriebe 4:1.

Ein Konzeptvergleich zwischen einem parallelen, einem seriellen und einem leistungs-verzweigten elektrischen Antrieb [29] zeigt auf theoretischer Basis, dass das parallele System Vorteile in Bezug auf Bauraum und Kosten und das leistungsverzweigte System den besten Wirkungsgrad besitzt.

Die Tagung LAND.TECHNIK AgEng 2011 widmete sich erstmalig in einer eigenen Sektion dem Thema "elektrische Antriebstechnik". Serienreife Lösungen konzentrieren sich auf die Bereitstellung elektrischer Energie mittels eines von der Zapfwelle angetriebenen Gene-rators, [30, 31]. In der Entwicklung befinden sich Konzepte, bei denen die elektrische Energie mit im Traktor integrierten Generatoren ermöglicht wird [32, 33].

Entwicklungswerkzeuge und konstruktive Grundlagen

Aus dem in [15] genannten Projekt zur Entwicklung von Rechenmodellen für verlustbehaftete mechanische und hydraulische Komponenten eines Antriebsstrangs ist eine weitere Dissertation entstanden [34], in der ein dynamisches Simulationsmodell eines Dieselmotors entwickelt und validiert wurde. Im Weiteren wurden zwei dynamische Ansätze einer Betriebsstrategie, das Amortisationsdauerverfahren und das Kapitalwertkriterium, untersucht. In [35] wird eine Simulationsplattform zur Standardisierung einer Schnittstelle für unterneh-mensübergreifende Simulationen von Maschinen vorgeschlagen.

Druckölzuführungen an drehenden Getriebeteilen sollen bis etwa 22 bar bei z. T. hohen Differenzdrehzahlen leckölarm, reibungsarm, verschleißarm und temperaturfest arbeiten. In [36] werden dazu Messergebnisse für "Kolbenringe" aus Grauguss und Kunststoff mitgeteilt.

Der Ölstand in Getriebekammern kann mit Luftüberdruck vorteilhaft gesteuert werden [37], um Plantschverluste klein zu halten und Schmierungsaufgaben mit einem minimalen Ölvorrat im Getriebe zu erfüllen - insbesondere bei gemeinsamen Ölhaushalten mit entnehmbaren Ölvolumina für Geräte und Anhänger.

Die erstmals 1976 in [38] (1977 deutsch in [39]) publizierte Optimierung eines Zahnradpaars nach vorgegebenem Lastkollektiv mit Hilfe voraus berechneter Bauteilwöhlerlinien eingebau-ter Zahnräder wird in zwei neueren Arbeiten bestätigt und weiter ausgebaut [40, 41].

Zusammenfassung

Bei Dieselmotoren wird der durch Emissionsvorschriften getriebene Einzug der SCR-Technik (NOx-Reduktion) durch Kraftstoffeinsparungen beschleunigt. Das Doppelkupplungsprinzip erlangte durch das neue DirectDrive von John Deere weitere Bedeutung. Ein neues CVT vom gleichen Hersteller verwendet erstmalig die kompakte Doppeljoch-Hydrostatik von Sauer-Danfoss. Das angekündigte kleine, schmale leistungsverzweigte CVT von Same Deutz-Fahr ging in Serie. Diesel-elektrische Fahrantriebe wurden in Prototypen vorgestellt, erreichen tendenzmäßig nicht ganz die Effizienz leistungsverzweigter hydrostatischer Konzepte. Strukturen mit elektrischen Hochvolt-Bordnetzen und Steckdosen werden auf breiter Basis erwartet. Die weitere Entwicklung und Beurteilung von Antriebskonzepten wird durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten mit immer besseren Simulationswerkzeugen unterstützt.

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Bibliografische Angaben / Bibliographic Information

Wissenschaftliches Review / Scientific Review

Erfolgreiches Review am 08.08.2012

Empfohlene Zitierweise / Recommended Form of Citation

Geimer, Marcus; Renius, Karl Theodor: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2012. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2012. – S. 1-9

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Renius, Karl Theodor; Geimer, Marcus: Motoren und Getriebe bei Traktoren. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2012. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2012. – S. 1-9

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