Beitrag in Jahrbuch 2023
Technik für den Hackfruchtanbau Kartoffeltechnik
Allgemeine Entwicklungen
Der Berichtszeitraum war von starken weltpolitischen Unwägbarkeiten geprägt. Nach dem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine im Frühjahr 2022 kam es auf nahezu allen agrarischen Märkten für Düngemittel, Pflanzenschutz, Getreide- und Kartoffelerzeugnisse zu erheblichen Preisschwankungen und -steigerungen [1]. Die inflationären Tendenzen führten schon im Jahr 2022 bei den Herstellern für Kartoffeltechnik zu Preissteigerungen von ca. 8 bis 10 % im Neumaschinengeschäft. Diese Preissteigerungen setzten sich im Jahr 2023 moderat fort. Demgegenüber standen unterdurchschnittliche Erntemengen, die zu stabilen Preisen im Kartoffelgeschäft führten, so dass die Nachfrage nach Maschinen trotz der gestiegenen Investitionskosten insgesamt auf einem hohen Niveau erhalten blieb.
Die Sommertrockenheit in den Jahren 2019 bis 2022 hat Entwicklungen beschleunigt, mit denen einerseits gleichmäßige Bodenfeuchte im Damm unterstützt werden kann, andererseits werden aber auch weiterentwickelte Trenneinrichtungen für trockene Kluten vorgestellt. Wegfallende chemische Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel erschweren den Anbau, fördern andererseits aber auch Verbesserungen bei der Technik zum mechanischen Pflanzenschutz. Eine anhaltende Herausforderung ist es, die wachsenden digitalen Dienste herstellerübergreifend zu verknüpfen, weiter zu automatisieren und den Anbauern damit ein umfassendes digitales, anwenderfreundliches Werkzeug an die Hand zu geben.
Technik zum Legen und Pflegen der Kartoffel
Legeverfahren für vorgekeimte Kartoffeln
Der Anbau von vorgekeimten Kartoffeln stellt bis heute eine Besonderheit dar. Als Vorteile des Verfahrens werden genannt [2]: Vorgekeimte Kartoffeln laufen in der Regel schneller und gleichmäßiger auf. Sie weisen eine zügige Jugendentwicklung auf, so dass die Phase der Ertragsbildung verlängert werden kann. Der frühere Reihenschluss kann dazu beitragen, den Unkrautdruck zwischen den Reihen zu reduzieren. Nachteilig ist der erhebliche Arbeits- und Kapitalaufwand für den Prozess des Vorkeimens in Kisten oder in netzartigen Schläuchen.
Zum Legen von vorgekeimten Pflanzgut haben sich in der Praxis zwei Verfahren etabliert: Einerseits werden konventionelle, vierreihige Legemaschinen eingesetzt, die zusätzlich mit einem geregelten Fördergurt und vibrierenden Förderplatten ausgestattet sind, so dass vorgekeimtes Pflanzgut schonend zu den Bechergurten der Legemaschine gefördert wird. Für das Leeren der Vorkeimkisten sind ein bis zwei Arbeitspersonen bei einer Arbeitsgeschwindigkeit von ca. 3 bis 4 km/h notwendig. Diese Maschinen können nach dem Legen der vorgekeimten Kartoffeln mit einem Kippbunker ausgerüstet werden, so dass für konventionelles Legen (nicht vorgekeimt) alle verfügbaren Automatikfunktionen wie z.B. variable Legeabstände, sortenspezifische Ablagetiefe, Section Control, etc. weiter genutzt werden können.
Alternativ werden insbesondere für den Anbau von Frühkartoffeln 2- bis 8-reihige Spezialmaschinen mit Handbeschickung eingesetzt. Diese Maschinen sind ausschließlich für vorgekeimtes Pflanzgut vorgesehen und erfordern eine Arbeitsperson pro Reihe bei Arbeitsgeschwindigkeiten von maximal 3 bis 4 km/h. In diesem Marktsegment wurde jetzt eine 4-reihige Maschine vorgestellt (Bild 1) [3].
Bild 1: Speziell für vorgekeimte Kartoffeln entwickelte 4-reihige Legemaschine [3].
Figure 1: Especially developed 4-row planter for pre-sprouted potatoes [3].
Neuartig ist, dass anstelle von Bechertellern oder Becherketten mit jeweils einem Becher aus Metall jetzt keimschonende Doppelfördergurte aus Kunststoff/Gummi eingesetzt werden. Sie ermöglichen das manuelle Bestücken von beiden Seiten und damit auch eine höhere Arbeitsgeschwindigkeit. Je Fördergurt sind ein bis zwei stehende Arbeitspersonen vorgesehen, was den Personalaufwand im Vergleich zu den bisherigen Maschinen etwa verdoppelt. Zusätzlich sind ein bis zwei Personen für die Handhabung der Vorkeimkisten nötig [3].
Neuentwicklungen bei kombinierten Legeverfahren und bei der Dammformung
Das Konzept von getragenen 4-reihigen Legemaschinen mit integrierter Bodenbearbeitung ist seit vielen Jahren bekannt und wird inzwischen von mehreren Herstellern angeboten. Neu vorgestellt wurde eine Maschine, bei der der Vorratsbunker, welcher oberhalb der Bodenbearbeitung montiert ist, auf Wiegestäben verschraubt ist. In Kombination mit vorab kalibriertem Pflanzgut kann so indirekt über die abnehmende Masse des Pflanzgutes im Vorratsbunker auch die Anzahl gelegter Knollen pro Hektar kalkuliert und kontinuierlich kontrolliert werden (Bild 2).
Bild 2: Getragene 4-reihige Legemaschine mit integrierter Bodenbearbeitung und Vorratsbunker für Pflanzgut auf Wiegestäben [Eigene Darstellung].
Figure 2: Mounted 4-row potato planter with integrated soil tillage and hopper on weighing bars [own presentation].
Rationelle, kombinierte Legeverfahren gewinnen bei allen Herstellern weiter an Bedeutung. So wurde eine neu entwickelte, angehängte Legekombination mit verlängertem Schwanenhals und teleskopierbarer Achse vorgestellt (Bild 3).
Bild 3: Gezogene 4-reihige Legemaschine mit verlängerter Schwanenhalsdeichsel für die Bodenbearbeitung und neuartigen Werkzeugen für die Dammformung [4].
Figure 3: Trailed 4-row potato planter with extended gooseneck-drawbar for soil tillage and new tools for ridge construction [4].
Die 4-reihige Legemaschine mit 75 cm Reihenabstand ist so konstruiert, dass eine Straßentransportbreite von 3 m eingehalten wird und damit auch die Anforderungen einer vollständigen EU-Typgenehmigung erfüllt werden. Anstelle einer aktiven Bodenbearbeitung, die bisher meist im Frontanbau oder im Heckanbau des Traktors eingesetzt wurde, wird die Bodenbearbeitung (Kreiselegge, Kreiselgrubber, Reihenfräse, Vollfeldfräse) jetzt unter dem Schwanenhals integriert und kann in der Wirktiefe unabhängig von der Pflanztiefe eingestellt werden. Neuartig ist, dass die Maschinen zur Bodenbearbeitung unter dem Schwanenhals bei Bedarf sehr schnell gewechselt und so den Bodenbedingungen angepasst werden können [5].
Die bekannten Arbeitsschritte von Kombi-Legeverfahren (Bodenbearbeitung, chemischer Pflanzenschutz mit gleichzeitiger Applikation von granulierten und flüssigen Präparaten, Reihendüngung unter Fuß, Ablage der Knollen, Enddammaufbau, Erosionsschutz mit Querdammhäuflern) [6] wurden weiter verbessert und insbesondere die Zugänglichkeit für den Fahrer sicherer und komfortabler gestaltet.
Da die Anforderungen an die Dammformung und den Dammaufbau in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund von Sommertrockenheit, künstlicher Bewässerung und häufigeren Starkregenereignissen zugenommen haben, präsentierten gleich mehrere Hersteller neue Lösungsansätze. Auf Interesse stieß die oben vorgestellte Legemaschine (Bild 3) wegen der erstmals integrierten "Hybrid-Dammformung". Dabei sind die Häufelkörper für den Dammaufbau Streichblechen von Pflügen nachempfunden. Sie können mit nachlaufenden Gitterrollen (Stabwalzen) kombiniert werden und ermöglichen so einerseits einen großvolumigen Dammaufbau mit stabilen Dammflanken und andererseits eine krümelige Struktur auf der Dammkrone für verbesserten Gas- und Wärmeaustausch [7].
Als mögliche technische Alternative zu den bisher üblichen Dammformblechen und Gitterrollen wird eine neuartige, rotierende Dammformung vorgestellt, die von der Deutschen Landwirtschafts Gesellschaft (DLG) zur Agritechnica 2023 prämiert wurde [8].
Um die Besonderheiten dieses neuen Werkzeuges zu verstehen, wird nachfolgend ein grober Vergleich zu den bekannten Gitterrollen hergestellt: Bei den derzeit üblichen Legemaschinen übernehmen einzeln aufgehängte, rotierende Gitterrollen (Bild 4, A) den "Feinschliff" der Dammformung nach vorhergehender Ausformung der Dämme mit Hilfe von Häufelscheiben und Häufelkörpern. Die mittig auf der Dammkrone abrollenden Gitterrollen haben außen an den Dammflanken, bedingt durch den größeren Durchmesser, eine höhere Umfangsgeschwindigkeit. Nach Aussagen der Praxis führt dies zu einem streichenden, glättenden Effekt auf den Dammflanken.
Im Gegensatz dazu ist die prämierte Neuentwicklung (Bild 4, B) keine Rolle, sondern ein aus Platten geformtes Vieleck, dass mit Hilfe von Sporen angetrieben wird. Die Montage auf einer gemeinsamen, durchgehenden Welle reduziert den Schlupf auf ein Minimum. Die Platten sollen die Dammflanken fest andrücken. Der Antrieb über die Sporen zwischen den Dämmen, sorgt für eine geringere Umfangsgeschwindigkeit auf der Dammkrone. Theoretisch ergibt sich dadurch ein "Bulldozing-Effekt", der durchaus erwünscht ist, um die Oberfläche "krümelig" zu brechen. Anstelle der oben beschriebenen drei aufeinander folgenden Werkzeuge (zudeckende Häufelscheibe - Häufelkörper - Gitterrolle), wird der Damm hier mit nur einem einzigen Werkzeug aus loser Erde geformt, aufgebaut und an den Flanken angedrückt [8].
Bild 4: Theoretisch wirksamer Durchmesser (klein/groß) zum Antrieb einzelner Gitterrollen (A) im Vergleich zu "rotierenden Dammformern" (B) auf einer durchgehenden Welle [Eigene Darstellung].
Figure 4: Theoretically effective diameter (small/large) for driving single cage rollers (A) compared to the newly introduced rotating ridge formers on a common shaft (B) [own presentation].
Es bleibt abzuwarten, ob sich die neuartigen, rotierenden Dammformer auf einer gemeinsamen Welle trotz der zu erwartenden Nachteile (u.a. erhöhter Zugkraftbedarf, Dammformung bei Kurvenfahrt) bei den Kartoffelanbauern etablieren können.
Bestandspflege und Erntevorbereitung
Der Enddammaufbau beim Legen hat sich in vielen Betrieben etabliert, da das heutige Pflanzgut die damit verbundenen hohen Anforderungen an die Triebkraft sicherer erfüllt [2]. Die begleitende Ausbringung von erosionsmindernden Untersaaten wie beispielsweise Sommergerste oder Kresse konnte sich dagegen bisher nicht durchsetzen. Als Gründe für die Zurückhaltung in der Praxis werden vor allem die Konkurrenz um Wasser und die Problematik der zuverlässigen Beimengentrennung bei der Ernte genannt.
Pflegemaßnahmen in Kartoffelbeständen
Die anhaltende Diskussion um eine Verlängerung der Zulassung des solo und in Kombination angewendeten Wirkstoffs Metribuzin intensiviert die Auseinandersetzung der Praxis mit mechanischen Pflegemaßnahmen. Die meisten Werkzeuge wie beispielsweise Hackmesser, Rollhacken oder Striegel bearbeiten lediglich die Dammflanken. Für die Behandlung der Dammkrone zwischen den Kartoffelpflanzen werden adaptierte Pflanzenschutzspritzen erwartet, die aber noch nicht marktreif sind [2].
Zu beachten ist, dass mit der Zunahme der mechanischen Unkrautregulierung auch die Durchfahrtshäufigkeit in den bisher nicht befahrenen Furchen steigt. Dies wiederum führt zu einem erhöhten Risiko der Klutenbildung beim Befahren feuchter Böden. Wie die Hersteller darauf reagieren, wird im nachfolgenden Abschnitt Kartoffelerntemaschinen näher beschrieben.
Erntevorbereitung durch Krautminderung
Mit dem Wegfall des Wirkstoffes Deiquat zur gezielten chemischen Sikkation wird verstärkt nach technischen Alternativen gesucht. Die elektrische Sikkation, die in einem früheren Beitrag dieser Reihe bereits vorgestellt wurde, findet bisher kaum Akzeptanz in die Praxis. Als wesentlicher Nachteil wird die geringe Flächenleistung angeführt. Zudem werden Nabelendnekrosen und Gefäßbündelverbräunung beschrieben [9]. Aktuelle Studien, in denen die Pflanzenmasse mit einwirkender Hochspannung anstatt mit Totalherbiziden abgetötet wurde, zeigten zudem eine erhebliche Reduzierung der Regenwurm-Biomasse um etwa 30 % [10].
Die derzeit zugelassenen Wirkstoffe sind auf eine deutliche Reduzierung des Blattapparates angewiesen, um die notwendige Wirksamkeit zu erreichen. Aus der Praxis gibt es deshalb eine gesteigerte Nachfrage nach Krautschlägern, die eine größere Arbeitsbreite als die bisher üblichen zwei oder vier Reihen aufweisen. Neben der gleichmäßigen Zerkleinerung des Krautes, dessen gezielte Ablage zwischen den Dämmen und einer komfortabel verstellbaren Arbeitshöhe, gewinnt der erforderliche Kraftstoffeinsatz an Bedeutung. Einzelne Hersteller bieten deshalb eine optimierte Geometrie der Krautschlägel an, mit denen eine Kraftstoffersparnis um bis zu 10 % möglich sein soll [4].
Entwicklungen bei gezogenen Kartoffelerntemaschinen
Technische Entwicklungen, bei denen die gezogene Erntemaschine Einfluss auf die Vorfahrtgeschwindigkeit des Traktors nimmt (Traktor-Implement-Management, TIM), haben vorübergehend an Bedeutung verloren. Stattdessen wurden die maschineninternen Regelkreise weiter optimiert, so dass sich die Maschine bei wechselnden Vorfahrtgeschwindigkeiten automatisch den Belastungszuständen anpasst und so zu einer quasi-autonomen Maschine wird, die den Fahrer deutlich von den sonst üblichen, kontinuierlichen Steuerungsaufgaben entlastet.
In diesem Kontext gewinnen bei allen namhaften Herstellern stufenlos verstellbare, hydraulische Antriebe für Siebbänder und Trenngeräte weiter an Bedeutung, um die Sieb- und Trennleistung bei veränderten Rahmenbedingungen zu erhalten bzw. zu steigern.
Dieses Ausstattungsmerkmal, das seit mehr als 20 Jahren vor allem in selbstfahrenden Kartoffelerntemaschinen zu finden ist, erleichtert die notwendigen Anpassungen bei wechselnden Erntebedingungen.
Weiterentwicklung bei etablierten Trenngeräten
Wie eingangs beschrieben waren die Jahre 2022 und 2023 in Deutschland durch langanhaltende Trockenheit geprägt. Dies führte insbesondere im Jahr 2022 auf vielen Standorten zu ausgetrockneten, harten Böden. Die Erntesaison 2023 war dagegen vielerorts durch anhaltenden Regen, schlechte Befahrbarkeit und kritische Rodebedingungen gekennzeichnet. Erschwerend kamen Kluten hinzu, die entweder in Zusammenhang mit dem veränderten Klima und/oder durch die Zunahme der Überfahrten bei der mechanischen Unkrautregulierung entstanden sind (vgl. Abschnitt Bestandspflege und Erntevorbereitung).
Für die verbesserte Trennleistung auf klutenreichen Böden wurde eine Weiterentwicklung vorgestellt (Bild 5), bei der jetzt zwei von vier Trenngeräten mit umlaufenden Gummifingerbändern ausgestattet sind [11].
Bild 5: 2-reihige Erntemaschine mit 2 Gummifingerband-Trenngeräten ("Doubleselect") [11].
Figure 5: 2-row bunker-harvester with two rubber finger-separators [11].
Vor 10 Jahren wurde auf der Agritechnica das pneumatische Trenngerät "AirSep" vorgestellt. Dieses Trenngerät ist in der Lage, sowohl Steine und Kluten als auch leichte Beimengungen wie z.B. Maisspindeln aus dem Produktstrom zu trennen. Inzwischen wurden zahlreiche Weiterentwicklungen in das Trenngerät integriert, mit denen der Serviceaufwand reduziert und die Produktschonung weiter gefördert werden sollen [4]. Durch die neue Positionierung unmittelbar hinter dem zweiten Siebband sollen die besonderen Vorteile des Trenngerätes mit Bezug auf Leistungsfähigkeit und reduzierte mechanische Belastungen der Kartoffeln besser genutzt werden können. Neben dem in Europa bewährten hydraulischen Antrieb, stellt der Hersteller SPUDNIK (USA) auch ein elektrisches Antriebskonzept für das AirSep für den nordamerikanischen Markt vor. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses Konzept auch im europäischen Markt aufgrund der limitierten Verfügbarkeit entsprechend ausgestatteter Traktoren etablieren kann.
Vorgestellt und prämiert [8] wurde ein weiterentwickeltes Trenngerät namens "ChangeSep" (Bild 6). Das neue Trenngerät ermöglicht erstmals, dass die Ableitwalzen über dem Igelband des zweiten Trenngerätes (1) auf Knopfdruck hydraulisch gegen abstreifende, umlaufende Gummifingerbänder (2) gewechselt werden können ("ChangeSep"). Bekanntermaßen verfangen sich kleinere Kluten und Steine im Igelband (3), während der Hauptproduktstrom abgetrennt und weitergeleitet wird. Die unterschiedliche Wirkung der Walzen (hoher Durchsatz) und der Gummifingerbänder (verbesserte Trenngenauigkeit), kann so in Abhängigkeit des Bodens, der Sorte und/oder der Verwertungsrichtung innerhalb kürzester Zeit angepasst werden. Bei der Nutzung der Maschine für die Ernte von Zwiebeln kann nach Herstellerangaben der Durchsatz erheblich gesteigert werden. Dazu können die Gummifingerbänder hydraulisch oberhalb der Ableitwalze positioniert werden, so dass sich eine kombinierte Wirkung ergibt.
Bild 6: Blick von vorn auf das neu entwickelte Wechseltrenngerät "ChangeSep" nach [12].
Figure 6: View onto the new developed "ChangeSep" [12].
Entwicklungen bei selbstfahrenden Kartoffelerntemaschinen
Zweireihige, selbstfahrende Erntemaschinen haben in Deutschland leicht an Bedeutung verloren. Sie werden international derzeit vor allem dort eingesetzt, wo sich der großflächige Anbau von Kartoffeln auf steinreichen Böden in separierten Beeten etabliert hat.
Wachsende Bedeutung haben hingegen vierreihige Selbstfahrer. Der Markt bietet zwei und dreiachsige Maschinen mit Radfahrwerk an. Hinzu kommen Varianten mit kombiniertem Rad- u. Raupenfahrwerk sowie Maschinen mit beidseitigem Raupenfahrwerk [13]. Jüngere Baureihen sind bei einzelnen Herstellern konstruktiv so vorbereitet, dass die Räder gegen Dreiecksraupen ausgetauscht werden können. Dabei sind jedoch die geänderten Außenmaße (Höhe und Breite) sowie die Fahrgeschwindigkeit für die Straßenzulassung zu beachten. Dieses neue Maschinenkonzept hatte bei den teilweise kritischen Erntebedingungen im Herbst 2023 eine erfolgreiche Bewährungsprobe.
Bei den Selbstfahrern werden als Trenngeräte nach wie vor überwiegend Walzentrenngeräte (Rollenseparator, MultiSep) eingesetzt, die je nach Hersteller in unterschiedlicher Reihenfolge angeordnet sind [14].
Mit der Zahl der Verstellmöglichkeiten in den Trenngeräten steigt auch die Komplexität der Bedienung. Alle namhaften Hersteller haben darauf reagiert und bieten inzwischen eine hochwertige Visualisierung der Abläufe und Einstellungen in der Maschine an. Die digitale Vernetzung der Maschine mit dem Hersteller und mit betrieblichen Farm Management Informationssystemen einschließlich der vorausschauenden Wartung gewinnen an Bedeutung.
Ertragsschätzung, Sensorik zur Bestimmung eines klassifizierten Massenstroms
Erstmals zeigt ein Hersteller den Prototyp eines Lasersensors, mit dem verschiedene Bestandteile des Produktmassenstromes getrennt voneinander erfasst werden können [4]. Das Konzept sieht derzeit eine Installation des Lasersensors nach den Trenngeräten unmittelbar vor dem Bunker vor. Die Technik ermöglicht es, die geerntete Rohware zu vermessen, so dass der Anteil der jeweiligen Größenfraktionen schon bei der Ernte bekannt ist. Zudem werden der Klutenanteil und der Restkrautanteil bestimmt. Damit ist nicht nur eine Ertragskartierung, sondern erstmals auch eine teilflächenspezifische oder sortenspezifische "Kaliber-Kartierung" möglich, mit der eine gezielte Vermarktung zukünftig deutlich verbessert werden kann (Bild 7).
Bild 7: Konzept (links) und exemplarische, grafische Darstellung eines klassifizierten Massenstroms (rechts) nach [15].
Figure 7: Concept and visualization of a classified crop flow in potato harvesters [15].
Bild 7 zeigt den Montageort des Sensors über dem Transportband in den Bunker der Erntemaschine (links) und einen Ausschnitt aus der Bildverarbeitung (rechts), der die Basis für den rechnerisch, klassifizierten Massenstrom bildet. Es wird deutlich, dass der Sensor die Größenunterschiede bei den Kartoffeln erfasst, so dass der reale, teilflächenspezifische Ertrag errechnet werden kann. Das Farbspektrum gibt einen Hinweis auf organische und nicht organische Bestandteile im Gutfluss, der zur Analyse der Beimengen herangezogen wird.
Erstmals kann teilflächenspezifisch der Anteil von Kluten dargestellt werden. Es ist zu erwarten, dass dieser Nebenaspekt insbesondere bei Kartoffelanbauern mit hohem Pachtflächenanteil auf Interesse stößt. Flächen, die dem Anbauer relativ unbekannt sind, können so gezielt bearbeitet und/oder gedüngt (gekalkt) werden, um vorab Steine zu separieren oder den kritischen Klutenanteil bei der Ernte zu reduzieren.
Robotik und autonome Arbeitsmaschinen zur Ernte von Kartoffeln
Die abnehmende Verfügbarkeit von Personal macht es notwendig, dass sich die Hersteller mit dem Thema Robotik auseinandersetzen. Gezeigt wurden weiterentwickelte Ernteroboter, die als Prototyp bereits autonom über die Anbaufläche fahren. Die zu erntende Ware wird im Verfahren des "positive Picking" aus dem Produktstrom entnommen und anschließend direkt in die Kiste gefördert. Dies geschieht derzeit noch mit Personal, das zukünftig durch Handhabungsroboter ersetzt werden könnte. Das Maschinenkonzept dieser einreihigen Erntemaschinen wurde in einem früheren Beitrag dieser Reihe bereits vorgestellt [13]. Neu ist, dass sich mehrere weitgehend autonome Fahrzeuge auf dem Feld die Arbeit der Ernte und die des Transportes teilen. Dieses so genannte Schwarmkonzept wurde 2023 erstmals für den Bereich der Hackfruchternte öffentlich vorgestellt (Bild 8) [16].
Bild 8: Studie zur Schwarmrobotik für die Ernte und den Abtransport von empfindlichen Knollen- und Wurzelfrüchten [Eigene Darstellung].
Figure 8: Concept of swarm robotics for root crop harvesting and transport [own presentation].
Technik zur Einlagerung und Aufbereitung von Kartoffeln
Bei der klassischen Einlagerungstechnik wurden zahlreiche Detaillösungen gezeigt, mit denen die Produktschonung weiter verbessert werden kann. Exemplarisch sind in Bild 9 drei Entwicklungen zu diesem Thema dargestellt.
Bild 9: Ausgewählte Detaillösungen bei Schüttbunkern zur Verbesserung der Produktqualität während der Einlagerung von Kartoffeln [Eigene Darstellung].
Figure 9: Selected detailed solutions of receiving hoppers to improve crop protection [own presentation].
Eine hohe mechanische Belastung erfahren die Kartoffeln, wenn sie vom Dreiseitenkipper bzw. vom LKW in den Annahmebunker übergeben werden. Eine gezielte, unvollständige Entleerung des Annahmebunkers mit Restmengen an Kartoffeln (1) sowie gepolsterte Seitenwände (2) sorgen dafür, dass die neu angelieferte Rohware geschont werden kann, indem sie entweder auf weichem Material oder auf anderen Kartoffeln landet. Bild 9 zeigt auf der rechten Seite außerdem eine technische Weiterentwicklung, bei der die letzte Reinigungswalze
abgesenkt werden kann. Auch hier wird die Produktbelastung reduziert, weil die Kartoffeln entweder mit reduzierter Fallstufe übergeben werden oder ebenfalls auf andere Kartoffeln fallen.
Anhaltender Trend zur opto-elektronischen Sortierung
Zunehmender Personalmangel und gewachsene Ansprüche der Handelspartner an die Rohware verstärken den Trend zum Einsatz opto-elektronischer Sortierverfahren. Aufbauend auf den technischen Anfängen, bei denen die Erkennung von Steinen und Kluten im Vordergrund stand, gewinnen Qualitätsparameter an Bedeutung. Dazu zählt die möglichst exakte Quantifizierung grüner Knollen (Anzahl/Anteil der ergrünten Oberfläche), faule Knollen, angeschnittene Knollen, kleine Risse ("Thumbnails") etc.
Literatur und Quellenhinweise
[1] Hambloch, C.; Grohmann, L.: AMI Markt Charts - Fakten und Trends zum EU-Kartoffelmarkt 2022/23. Hrsg.: AMI Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH, Bonn 2022.
[2] Peters, R.: Pflanzgut gezielt in Keimstimmung bringen. Kartoffelbau (2023), H. 3, S. 8-13.
[3] Peters, R.: ROPA-Gecko, Legemaschine für vorgekeimtes Pflanzgut.
Persönliche Mitteilung und Einsatzfotos der Maschine, 2023.
[4] N.N.: Pressemitteilung zu Neuheiten zur Agritechnica 2023. GRIMME, URL: https://products.grimme.com/de/agritechnica, Zugriff am 22.01.2024.
[5] Feuerborn, B.: Eine für Alle. Praxisbericht GRIMME PRIOS 440. Agrarheute (2022) H. 07, S. 54-59.
[6] Klindtworth, M.: Kartoffeltechnik. DOI: https://doi.org/10.24355/dbbs.084-202001201537-0. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2019. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2020. – S. 1-16.
[7] Schulz, S.: Fahrbericht Kartoffelpflanzmaschine PRIOS 440 Pro von Grimme. Profi (2023), H. 7, S. 26-29.
[8] N.N.: Die Innovation Awards Agritechnica 2023.
Rotierender Dammformer der All-In-One GmbH. DLG, URL: https://www.agritechnica.com/de/presse/aktuelle-meldungen#!/news/die-innovation-awards-agritechnica-2023, Zugriff am 22.01.2024.
[9] Klauk, B.; Rosenhauer, M.; Petersen, J. [2023]: Erfahrungen in der elektrophysikalischen Sikkation von Frühkartoffeln in Rheinland-Pfalz. DOI: 10.5073/JfK.2023.11-12.02. Journal für Kulturpflanzen (2023), H. 75, S. 299-309.
[10] Ruf, T.; Leimbrock, L.; Oluwaroye, M.; Emmerling, C.: Unkräuter mit Strom abtöten - eine bodenschonende Alternative? Kartoffelbau (2023), H. 12, S. 41-43.
[11] N.N.: Neuerungen in der Kartoffeltechnik. ROPA Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH,
URL: www.ropa-maschinenbau.de/news/neuerungen-in-der-kartoffeltechnik-vorstellung-zum-weuthen-kartoffeltag-2023-potatoeurope-2023/, Zugriff am 22.01.2024.
[12] N.N.: Informationen zum GRIMME EVO All Crop Harvester. Persönliche Mitteilung des Produktmanagements, 2021.
[13] Klindtworth, M.: Kartoffeltechnik. DOI: https://doi.org/10.24355/dbbs.084-202202031001-0. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2021. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2022. – S. 1-20.
[14] Steinert, D.: Updates und Upgrades für Pflanzen und Ernte. Praxis Kartoffeln 2023; Landwirtschaftliche Zeitschrift Rheinland (Hrsg.), 2023, URL: https://www.lz-rheinland.de/fileadmin/user_upload/RL_Verlag/Supplements/Praxis_Kartoffeln_2023_.PDF, Zugriff am 22.01.2024.
[15] Harms, H.; Strothmann, W.; Markus, D.; Halbrügge, C.: Sensing and analysing crop characteristics and yield data in potato harvesting. Proceedings of the 80th International Conference on Agricultural Engineering, 10-11 November 2023, Konferenz. In: VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): Land.Technik AgEng 2023, VDI-Berichte, Bd. 2427, Düsseldorf: VDI-Verlag GmbH 2023, ISBN: 978-3-18-092427-4, S. 109-117.
[16] Börnsen, A.: Roden im Schwarm. Profi (2023) H. 12, S. 128-130.
Autorendaten
Dr. Michael Klindtworth ist Mitarbeiter der GRIMME Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG in Damme.