Beitrag in Jahrbuch 2017

Pflanzenschutz-, Dünge- und Bewässerungstechnik Neue technische Lösungen für die präzise und sichere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln

Kurzfassung:

Die Entwicklung von Feldspritzgeräten hat einen hohen Standard erreicht. Moderne Geräte können aufgrund von Automatisierung und Assistenzsystemen eine große Applikationsqualität, kombiniert mit geringen Risiken für Anwender und Umwelt, erreichen.  Aber gerade jetzt, wo eine nie gekannte Präzision in der gleichmäßigen Verteilung von Pflanzenschutzmitteln über die Fläche erreicht wurde, stehen neue Ziele ins Haus. Teilflächenspezifische Applikation heißt das Gebot der Stunde, das, mit den Werkzeugen der Digitalisierung und der Präzisionslandwirtschaft, eine enorme Steigerung der Effizienz bei gleichzeitiger Senkung von Risiken erreichen kann. Dabei steht nicht mehr nur die Verbesserung von einzelnen Funktionen im Fokus, als vielmehr der gesamte Prozess.

Volltext

Einleitung

Wie kann man eine kleine Menge Aktivsubstanz ohne Abdrift auf Nicht-Zielflächen präzise und gleichmäßig über das ganze Feld verteilen? Dies war die dominierende Frage für die Konstruktion von Pflanzenschutzgeräten in den vergangenen Dekaden. Die Entwicklung zielte hauptsächlich auf die gleichmäßige Querverteilung und die Minimierung der Abdrift. Erreicht wurde dies mit den Methoden des Maschinenbaus und der Mess- und Regelungstechnik. Mit den Möglichkeiten, die uns heute durch die Digitalisierung und die Präzisionslandwirtschaft zur Verfügung stehen, haben sich dagegen die technologischen Optionen wesentlich vergrößert. In den letzten zehn Jahren haben diese Werkzeuge dabei geholfen, eine ganze Reihe von Funktionen an Feldspritzgeräten zu verbessern, um die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln noch präziser zu gestalten und um die damit verbundenen Risiken weiter zu senken. Trotzdem, oder gerade deshalb, unterliegt der Pflanzenschutz aktuell einem Transformationsprozess. Die aktuellen Schlüsselwörter bei den Feldspritzgeräten lauten "teilflächenspezifische Applikation" und "Automation". Letzteres bezieht sich nicht mehr nur auf einzelne Funktionen, sondern auf den gesamten "Prozess Pflanzenschutz".

Feldspritzgeräte: Stand der Technik

In modernen Feldspritzgeräten sind eine ganze Reihe von Funktionen automatisiert worden (z.B. [1,2]). Es gibt Maschinen auf dem Markt mit GPS-gesteuerter Teilbreitenschaltung bis hin zur Einzeldüsenschaltung. Dabei kann das ordnungsgemäße Funktionieren einer jeden Düse elektronisch überwacht werden und zudem das aktuelle Tropfenspektrum in Echtzeit auf einem Monitor in der Traktorkabine angezeigt werden. Ein Düsenwechsel, z.B. in auflagenbewerten Randbereichen auf abdriftmindernde Düsentechnik oder auf Randdüsen, kann automatisch vollzogen werden. Es gibt Assistenzsysteme, welche die Gestängehöhensteuerung sowie den Hangausgleich übernehmen. Bei einigen Herstellern kann sich dabei das Gestänge sogar an die Feldtopologie anpassen [3]. Andere Systeme halten die Anhängespritze auch unter hohen Anforderungen, beispielsweise am Hang, in der Spur. In Kurvenfahrten wird die Applikationsrate in den einzelnen Teilbreiten im Gestänge angepasst, um eine gleichmäßige Verteilung zu erzielen [4]. Neuste Entwicklungen erlauben sogar die Kompensation von schwingungsbedingten Unregelmäßigkeiten in der Längsverteilung [5]. Nach der Anwendung kann das Feldspritzgerät auf Knopfdruck von der Kabine aus vollautomatisch gereinigt werden. Druckluftspülungen des Leitungssystems helfen dabei die technische Restmenge im Gerät zu Minimieren. Auch beim Anmischen der Spritzbrühe gibt es mehr Sicherheit für den Anwender. Durch Close Transfer Systeme können Spritzmittel ohne direkten Kontakt in das Gerät eingespült werden [6]. Um die bestmögliche Effizienz bei der Nutzung von Pflanzenschutzmitteln zu garantieren, bieten Sensorsysteme an der Einspülschleuse auf berührungslosem Wege Informationen zur Temperatur und pH-Wert des Wassers. Kategorie 4 Kabinen nach EN 15695-1 schützen den Anwender nicht nur vor Staub und Aerosolen, sondern auch vor Dämpfen, die bei einigen wenigen Pflanzenschutzmitteln entstehen können.    

Alle diese genannten technischen Merkmale sind Beispiele für die fortschreitende Automatisierung der Spritzgerätetechnik. Sie helfen dabei Pflanzenschutzmittel präziser zu applizieren, sparen Pflanzenschutzmittel ein, reduzieren das Abdrift-Risiko oder verbessern den Anwenderschutz. Aber, alle diese Merkmale haben auch gemeinsam, dass sie sich letztlich auf eine einzelne Funktion des Pflanzenschutzgerätes fokussieren.

Teilflächenspezifische Applikation

Die teilflächenspezifische Applikation ist eine der wichtigsten Herausforderungen in der Pflanzenschutztechnik, um einen wesentlichen Schritt bei der Einsparung von Pflanzenschutzmitteln zu machen, was automatisch zu positiven Effekten im Hinblick auf die beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einhergehenden Risiken führt. Um eine solche Bewirtschaftungsweise umzusetzen, sind zwei grundlegende technologische Anforderungen zu lösen. Als erstes werden teilflächenspezifische Informationen über die Verteilung von Unkräutern sowie tierischen und pilzlichen Schaderregern benötigt, um den Einsatz mit verschiedenen Pflanzenschutzmitteln planen zu können. Hier sind entsprechende sensorbasierte Verfahren und Datenaufbereitungstechnologien notwendig. Als zweites braucht es ein Feldspritzgerät, mit dem unterschiedliche Pflanzenschutzmittel getrennt voneinander appliziert werden können. Das kann mit Hilfe der Direkteinspeisung gelöst werden.

Auf dem Markt hat es bereits Versuche gegeben eine teilflächenspezifische Applikation umzusetzen. Auf der Agritechnica 2015 wurde das System "AmaSpot" präsentiert [7]. Dabei handelt es sich um eine Feldspritze, die mit Sensoren zur "Gründetektion" sowie einzelschaltbaren Düsen im 25cm Abstand mit Pulsweitenmodulation ausgestattet ist. Mit diesem System kann jedoch nur eine einzelne Anwendung, die Herbizidbehandlung von Stoppeläckern im Rahmen der pfluglosen Bodenbewirtschaftung, durchgeführt werden. Für andere Zwecke ist eine teilflächenspezifische Applikation mit diesem System nicht möglich, da ein Gründetektor für andere Anwendungsfälle nicht ausreichend Informationen liefert und das Feldspritzgerät nicht über Direkteinspeisung verfügt.

Andere Prototypen mit Direkteinspeisung, die in den letzten 30 Jahren vorgestellt wurden, hatten jeweils im Detail eines oder mehrere der nachfolgenden technischen Probleme: zu lange Reaktionszeiten beim Erreichen der gewünschten Pflanzenschutzmittelkonzentration beim Ein- und Ausschalten, mangelhafte Dosiergenauigkeiten, unzureichende Reinigungsmöglichkeiten und fehlende Schlagkraft [8].

Ein weiterer Feldspritzgeräteprototyp mit Direkteinspeisung, bei dem alle zuvor genannten Probleme gelöst sind, wurde ebenfalls auf der Agritechnica 2015 vorgestellt. Das Gerät wurde in einem gemeinsamen Forschungsprojekt zwischen der Firma Dammann und dem Julius Kühn-Institut entwickelt. Der Prototyp erreicht beim Einschalten sofort die gewünschte Soll-Konzentration, die Dosiergenauigkeit liegt bei flüssig formulierten Pflanzenschutzmitteln in einer Bandbreite von ±7 %, das Gerät kann vollständig gereinigt werden und verfügt über die Schlagkraft einer normalen Feldspritze. Insgesamt können drei verschiedene Pflanzenschutzmittel über drei separate Düsenleitungen unabhängig voneinander ausgebracht werden [8].

Trotzdem gibt es auch hier noch Beschränkungen im praktischen Gebrauch: Festformulierte Pflanzenschutzmittel können über die Direkteinspeisung nicht ausgebracht werden, die Spritze kann allerdings auch als konventionelles System mit Tankmischungen betrieben werden. Die Funktionalität der Teilbreitenschaltung kann bei Pflanzenschutzmitteln mit geringer Dosierung (<0,5 l/ha) gekoppelt mit geringer Fahrgeschwindigkeit (≤6 km/h) eingeschränkt sein. Des Weiteren verdoppelt oder verdreifacht sich die Wasseraufwandmenge mit jeder zusätzlichen Direkteinspeiseeinheit, die gleichzeitig betrieben wird [9]. Praktische Versuche haben jedoch gezeigt, dass die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln dadurch nicht beeinflusst wird [10].

Mit Blick auf die grundsätzlichen Anforderungen an eine teilflächenspezifische Applikation stellt die Sensortechnik zur Unkraut- und Schaderregererkennung derzeit noch das größte Problem dar. Unkrauterkennung mit Kamerasystemen läuft aktuell entweder über "Gründetektoren" oder über Pflanzenerkennung, die aber für die Arbeitsbreiten und Fahrgeschwindigkeiten von Feldspritzgeräten nicht leistungsfähig genug sind.

Prozessbasierte Lösungen

Aufgrund der Digitalisierung der Landwirtschaft stehen enorme Datenmengen zur Verfügung. Diese können genutzt werden, um die Effizienz des Gesamtverfahrens Pflanzenschutz zu erhöhen. In diesem Fall wird nicht nur die Applikation als solche, sondern auch deren Planung, Vorbereitung und Dokumentation berücksichtigt. Ein erster prozessbasierter Ansatz wurde auf der Agritechnica 2015 vorgestellt und prämiert: Der Pflanzenschutz-Anwendungs-Manager (PAM).

Das PAM System erlaubt die automatische Einhaltung von Abstandsauflagen [11]. Zur Umsetzung wurden nationale Pflanzenschutzauflagen in einem webbasierten Applikationskartenservice integriert. Dieser Kartenservice kann allerdings vom Anwender nicht direkt genutzt werden, da er für die Berechnung u.a. auch Felddaten vom Landwirt benötigt. Aus diesem Grund funktioniert das System in der Praxis nur in Zusammenhang mit einer Ackerschlagkartei (FMS/FMIS). Die Funktionsweise ist wie folgt:

Die notwendigen Felddaten (Grenzen, Grenzstrukturen etc.) müssen einmalig erhoben und in die Ackerschlagkartei übertragen werden. Wenn der Anwender eine spezifische Pflanzenschutzmaßnahme plant, werden die relevanten Daten (Feldkoordinaten, Fruchtart, gewähltes Pflanzenschutzmittel etc.) aus der Ackerschlagkartei an den PAM-Service übermittelt. Dieser kalkuliert eine spezifische Applikationskarte, in der alle Abstandsauflagen berücksichtigt sind und sendet diese im ISO-XML Format zurück. Die Karte wird auf das Pflanzenschutzgerät übertragen und dient als Basis für die Applikation. Auf dem Acker kann der Anwender die Applikation starten und die Karte abarbeiten. Er kann auch vor Ort Änderungen vornehmen und das System dokumentiert diese wie den gesamten Prozess. Die vom PAM-Service errechnete Karte und die tatsächliche Applikation werden dann zurück in die Ackerschlagkartei übertragen (vgl. Abbildung 1).

Diese Art von Prozessmanagement kann dem Anwender helfen, die Planung, Durchführung und Dokumentation zu verbessern, indem Wissen, Beratung, Praxis und Maschine miteinander verknüpft werden. In Zukunft wird daran gedacht weitere Informationen über z.B. Wachstumsstadien, spezifische lokale Wetterbedingungen, Online-Applikationsdaten etc. einzubinden, um Kosten und Risiken weiter zu Minimieren.

Bild 1: Entscheidungshilfesystem des Pflanzenschutz-Anwendungs-Managers [12]

Figure 1: Decision support system of the pesticide application manager [12]

Schlussfolgerung

Die Entwicklung in der Pflanzenschutztechnik hat, in Hinblick auf Effizienzsteigerungen, Pflanzenschutzmitteleinsparungen sowie Risikominimierung für Anwender und Naturhaushalt, ein hohen Standard erreicht. Moderne Feldspritzgeräte können in nie gekannter Präzision Pflanzenschutzmittel gleichmäßig über die Fläche verteilen. Da mittlerweile die meisten Funktionen des Spritzgerätes automatisiert sind, kann sich der Anwender auf die Kontrolle des Prozesses konzentrieren. Die Herausforderung für die Zukunft liegt allerdings darin, der gleichmäßigen Behandlung der Fläche den Rücken zu kehren, um zu einer teilflächenspezifischen Behandlung zu kommen. Erste technische Ansätze zur Umsetzung sind in der Entwicklung oder sogar schon auf dem Markt. Die Möglichkeiten zur weiteren Effizienzsteigerung erscheinen durch die Werkzeuge der Digitalisierung und der Präzisionslandwirtschaft enorm, insbesondere dann, wenn zunehmend, statt einzelner Funktionen, der gesamte Prozess des Pflanzenschutzes in den Fokus rückt.


Literatur

[1]          Herbst, A. (2017): Elektronische Systeme bei Pflanzenschutzgeräten. In: Frerichs,       Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2016, S. 1-8.

[2]          Wegener, J.K. (2016): Neues aus der Pflanzenschutztechnik. In: Frerichs, Ludger        (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2015, S. 1-8.

[3]          Horsch (2015): Boomsight - anticipating laser identification system to protect and         control the spraying boom. Stand 28.08.17. URL – http://www.horsch.com/    en/news/406/

[4]          Dammann (2015): Curve Control Application (CCA). Stand 28.08.17. URL –               http://www.dammann-technik.de/curvescontrolapplication-cca/

[5]          Agritechnica (2017): SwingStop pro, Amazone-Werke H. Dreyer GmbH & Co KG.        Stand 18.09.17. URL – https://www.agritechnica.com/de/innovation-award/gold-und-    silber/

[6]          Agrotop (n.d.): Easy Flow closed transfer system. Stand 28.08.17. URL –               https://www.agrotop.com/en/easyflow/easyflow/

[7]          Amazone (2016): AmaSpot sensor nozzle system. Stand 28.08.17. URL –              http://www.go4innovation2016.de/innovations/crop-protection-sprayers/amaspot-         sensor-nozzle-system/

[8]          Krebs, M., Rautmann, D., Nordmeyer, H., Wegener, J.-K. (2015): Development of a    direct injection system without time lag for application of plant protection products.          Landtechnik 70(6), S. 238-252.

[9]          Wegener, J.K., Krebs, M., Rautmann, D., Nordmeyer, H. (2016):            Teilflächenspezifische Applikation von Pflanzenschutzmitteln – Stand der Technik           und aktuelle Herausforderungen. In: DLG (Hrsg.): Tagungsband der Tagung    "Land.Technik für Profis 2016": Pflanzenschutz, S. 33-46.

[10]        Pohl, J.P., Rautmann, D., Nordmeyer, H., von Hörsten, D. (2017): Site-specific            application of plant protection products in Precision Farming by direct injection. Advances in Animal Biosciences 8(2), S. 255-258.

[11]        Scheiber, M., Kleinhenz, B., Röhrig, M. (2013): Pesticide Application Manager (PAM). EFITA-WCCA-CIGR Conference "Sustainable Agriculture through ICT     Innovation", Turin, Italien, 24.-27. Juni 2013, 5 Seiten. Stand 28.08.17.      URL –  http://www.cigr.org/GGTSPU-555dc3ff26f53e90-25678-1267245-              7pMeBssrpUoUzUE7-LOD/Proceedings/uploads/2013/0037.pdf

[12]        ZEPP (2015): PAM - Pesticide Application Manager. Stand 28. August 2017. URL –               http://www.zepp.info/GGTSPU-555dc3ff26f53e90-10070-1016570-       6KsJuq9R5IQN33SG-LOD/images/ZEPP/Projekte/PAM/Flyer_PAM_en_Druck.pdf

 

Empfohlene Zitierweise:
Wegener, Jens Karl: Neue technische Lösungen für die präzise und sichere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2017. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2018. – S. 1-7

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