Beitrag in Jahrbuch 2020
Technik für Sonderkulturen Indoor Vertical Farming: konsequente Weiterentwicklung des geschützten Anbaus
Indoor Vertical Farming - High Tech Gartenbau mit steigendem Potential
Geschützte Produktionssysteme aus Folien- oder Glasstrukturen werden seit langem zur Erhöhung der Produktivität und Effizienz im Pflanzenbau genutzt. Der Grad an Technisierung reicht dabei von einfachen Schutzabdeckungen über Bewässerungssteuerungen in foliengeschützten Bodenkulturen bis hin zur Vollautomatisierung ganzer Prozesse in hochmodernen Gewächshäusern. Die Gemeinsamkeit dieser Systeme liegt in der Nutzung transparenter Materialien, mit dem Ziel, die Pflanzen vor Witterungseinflüssen weitgehend zu schützen und gleichzeitig die Globalstrahlung als Hauptenergiequelle für Licht und Wärme zu optimieren. Obwohl mit der Intensivierung im geschützten Anbau die Kontrolle und Optimierung der Kulturbedingungen stetig zunimmt, bleibt eine Abhängigkeit gegenüber den Witterungs- und Klimabedingungen und insbesondere dem Einfluss und der Verfügbarkeit der Globalstrahlung bestehen. Daher kommen zur quantitativen und qualitativen Optimierung der Kultur in Jahreszeiten mit geringerer Verfügbarkeit an Globalstrahlung vor allem in den letzten Jahren zunehmend Zusatzbelichtungssysteme zum Einsatz.
Die Pflanzenproduktion in einer Indoor Vertical Farm – oder auch Plant Factory, wie sie in Asien bezeichnet wird – verfolgt hingegen einen anderen Ansatz. Hier steht die vollständige Unabhängigkeit von der Außenwitterung mit dem Ziel einer hochgenauen Steuerung aller Kulturparameter für ganzjährig homogene Produktqualitäten im Vordergrund. Als Kulturraum werden häufig (Lager-) Hallen oder Container-Strukturen verwendet, welche durch vertikal übereinander angeordnete Ebenen die verfügbare Kulturfläche multiplizieren und die Produktionseffizienz pro eingesetzter Grundfläche deutlich steigern. Als Energiequelle für den pflanzlichen Biomasseaufbau werden nahezu ausschließlich künstliche LED-Belichtungssysteme eingesetzt. Vergleichbar zu modernen Gewächshäusern erfolgt die Bewässerung in geschlossenen hydroponischen nutrient film technology (NFT)- / Deep Water oder aeroponischen Nährlösungssystemen. Durch die konsequente Rückführung des kondensierten Wassers aus Transpiration und Evaporation kann gegenüber vergleichbaren Systemen im Gewächshaus der Bewässerungskreislauf weitgehend verlustfrei gestaltet und dadurch eine deutlich höhere Wassernutzungseffizienz erreicht werden. Der intensive Einsatz von Sensorik dokumentiert und regelt kontinuierlich die Wachstumsbedingungen, sodass ganzjährig eine sehr präzise und homogene Klimaführung erreicht wird.
Die Hauptkomponenten einer Indoor Farm sind demnach die geschlossene Struktur der isolierten Hülle sowie die möglichst effizient platzierten Kulturflächen. Neben einigen zylindrischen und/oder rotierenden Sonderbauformen kommen meist vertikal angeordnete Regalsysteme zum Einsatz, wie sie im nachfolgenden Überblick dargestellt sind und welche sich an der Indoor Farm am Standort der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf orientieren (Bild 1). Die Kulturflächen sind jeweils mit LED-Modulen ausgestatten, welche die Fläche homogen ausleuchten und in ihrer spektralen Zusammensetzung, Intensität und Belichtungsdauer angepasst werden können. Wichtiger Bestandteil ist das geschlossene Bewässerungssystem mit integrierter Luftentfeuchtung. Die Klimaführung erfolgt über Klimageräte, einem geringen Luftaustausch mit der externen Umgebung und einem Luftverteilungssystem. Sensoren liefern Daten zum Klima, der atmosphärischen Zusammensetzung, der Nährlösung, der Pflanzenphysiologie und dem Ressourcenverbrauch.
Bild 1: Aufbau und Bestandteile einer Indoor Farm (schwarze Schrift = Struktur / Bauteil; blaue Schrift = Sensorik)
Figure 1: Structure and components of an indoor farm (black labeling = structural components; blue labeling = sensor system)
Indoor Vertical Farming nimmt seit Jahren eine Position als Trendthema ein, welches im steigenden medialen Interesse, aber auch den zunehmenden Investitionen namhafter Firmen wie Bayer [1], Miele [2], IKEA [3] oder dem LEH [4] verdeutlicht wird. Zudem entstehen beispielsweise in Abu Dhabi [5] oder Dänemark [6] Großprojekte im Bereich Indoor Farming. Generell differenzieren sich die Betriebe dabei vor allem in große, stationäre Farmen (z.B. SPREAD, Japan) und kleinere mobile Einheiten (z.B. InFarm, Deutschland), die unterschiedliche Konzepte, Produkte und Märkte ansprechen (Bild 2). Neben der wachsenden Anzahl an Produzenten und dem Angebot schlüsselfertiger Indoor Farming Systeme, ist ein Anstieg der Zulieferer für diesen Markt zu beobachten. Unternehmen aus dem Züchtungsbereich, der Belichtungs- und Automatisierungstechnik oder auch der Logistik sehen in dem expandierenden Markt ein Potenzial, neue Geschäftsfelder zu erschließen und ihre Produktpalette bzw. Dienstleistungen zu erweitern [1]. In der Folge wird ein starker Anstieg des weltweiten Marktvolumens im Bereich des Indoor Vertical Farmings auf 6,4 Milliarden US-$ bis 2023 erwartet, was gegenüber 2020 dem 2,9-fachen entspricht [7]. Bis 2025 wird bereits ein Marktvolumen von bis zu 15,7 Milliarden US-$ erwartet [8].
Bild 2: Beispiele einiger der größten Indoor Farming Konzepte weltweit
Figure 2: Examples of the biggest Indoor Farming concepts worldwide
Die Herausforderungen der Lebensmittelproduktion – starke Treiber für Veränderungen
Die Globale Lebensmittelproduktion sieht sich unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber (Bild 3).
Bild 3: Herausforderungen der Lebensmittelproduktion agieren als starke Treiber für Veränderungen
Figure 3: Challenges for food production who act as strong inducements for change
Klimawandel
Die Gefährdung der globalen Ernährungssicherheit durch den Klimawandel wird in der wissenschaftlichen Literatur seit Jahren als eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bezeichnet [9; 10]. Die veröffentlichte Anzahl wissenschaftlicher Studien pro Jahr mit dem Schwerpunkt auf Klimawandel und Pflanzenbau hat sich beispielsweise seit 1990 um 400 % erhöht [11]. Die pflanzenbauliche Produktion wird auch in Regionen mit hohen Erträgen und modernen Gewächshaussystemen quantitativ und qualitativ stark von der Klimavariabilität/Klimavolatilität beeinflusst [12]. Herausforderungen im Pflanzenbau werden durch steigende/veränderte Temperaturen [13 bis 17], fehlende Wasserverfügbarkeit [18; 16; 19; 20] sowie vermehrt auftretende Unwetter und Starkregenereignisse [21] erwartet. Obwohl die vorliegenden Studien und Modelle regional unterschiedlich ausfallen und hohen Unsicherheiten unterliegen, werden in einigen Regionen wie z. B. Südeuropa mit hoher Wahrscheinlichkeit weitreichende negative Auswirkungen erwartet [22]. Zudem steigt das Risiko, dass durch den Klimawandel aufgrund zunehmender Bodendegradation die landwirtschaftliche Nutzfläche vor allem in Gebieten ohne zusätzliche Bewässerung weiter zurückgeht [23 bis 25]. Auch werden im Rahmen des Klimawandels neben der Produktivität erhebliche Auswirkungen auf weitere Dimensionen der Lebensmittelsicherheit wie Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität erwartet [26; 27; 12]. Als Anpassungsstrategien werden häufig Intensivierung des Anbaus, ökologischer Anbau aber auch hochtechnologische industrielle Ansätze aufgeführt [28].
Nachhaltiger Ressourcenverbrauch
Die zunehmende Wichtigkeit, ressourcenschonende und nachhaltige Systeme in der Nahrungsmittelproduktion zu etablieren, wird vielfältig angeführt. Wasser wird dabei als einer der wichtigsten limitierenden Faktoren für den Pflanzenbau in vielen Regionen der Welt erachtet [29; 30]. Es wird erwartet, das bis 2080 der weltweite Wasserverbrauch zur pflanzenbaulichen Bewässerung trotz des Einsatzes von effizienteren Bewässerungssystemen um weitere 25 % ansteigt [31]. Insbesondere in Gebieten mit geringen Niederschlägen und Bodenwasser sind Maßnahmen notwendig, um die Wassereffizienz zu erhöhen und den Wasserverlust zu minimieren [32]. Der Anbau in Gewächshäusern erreicht sowohl durch die Nutzung von Tropfbewässerung und durch hydroponische Bewässerungssysteme eine deutlich höhere Wassernutzungseffizienz als die Freilandproduktion. Dennoch wird durch den hohen Wasserverbrauch von Gartenbau und Landwirtschaft in Regionen oder Jahreszeiten mit geringem Niederschlag ein steigender Wettbewerb um das verfügbare Wasser erwartet [20]. Weiterhin werden der Nährstoffverbrauch sowie das damit verbundene Thema der Grundwasserbelastung, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, sowie der Verlust an Biodiversität durch die Umwandlung natürlicher Ökosysteme in landwirtschaftliche Nutzfläche als Herausforderungen für die Landwirtschaft im Bereich der Nachhaltigkeit aufgeführt [33; 34]. Neben den Umweltaspekten führt ein effizienterer Umgang mit Ressourcen zur Reduktion von Kosten. In der Folge steigt die Zahl an Unternehmen mit einem Fokus auf ressourcenschonender Produktion erheblich an. Der Klimawandel treibt dabei den weiteren Ausbau von geschützten Produktionssystemen wie Folien- und Gewächshäusern weltweit an [17; 35]. Allerdings bleibt die Abhängigkeit gegenüber äußeren Witterungsbedingungen, insbesondere der Globalstrahlung, bestehen. Der Trend zu witterungsunabhängigen Kultursystemen wie Indoor Farming gewinnt in dem Zusammenhang zunehmende Bedeutung [17].
Bevölkerungszuwachs, steigende Anforderungen, Supply Chains
Die wachsende Weltbevölkerung wird den Nahrungsmittelbedarf deutlich steigern [11]. Laut Angaben der FAO wird die Weltbevölkerung bis 2050 auf etwa 11 Milliarden Menschen ansteigen [36]. Der Hauptzuwachs wird dabei vor allem in Entwicklungsländern wie Afrika erwartet. Bis 2050 wird zudem prognostiziert, das 2/3 der Bevölkerung in urbanen Strukturen lebt [37]. Durch den erwarteten Anstieg an Megastädten wird sich die täglich notwendige Importmenge an Nahrungsmitteln in urbane Regionen, welche teilweise über weite Strecken und mehrere Kontinente transportiert wird, erheblich erhöhen [38]. Die Supply Chains für Agrar- sowie Frucht- und Gemüseprodukte sind gekennzeichnet durch komplexe Produzenten-Netzwerke, die mit großen international agierenden Unternehmen im Handel zusammenarbeiten. Globale und teilweise komplexe Supply Chain-Netzwerke können zudem die Lebensmittelsicherheit sowie die Zuverlässigkeit der Versorgung beeinträchtigen, wie auch die aktuelle Corona-Situation eindringlich aufzeigt [39; 40]. Produzenten müssen sich zudem zunehmend steigenden Anforderungen durch die Konsumenten, den Lebensmitteleinzelhandel, der abnehmenden Industrie und der Politik stellen. Je nach Absatzmarkt werden zudem unterschiedlichste Anforderungen an Label oder Umweltzeichen, die Reduktion von Lebensmittelverlusten oder auch besondere gesundheitsfördernde Aspekte gestellt. Weiterhin haben pflanzliche Rohstoffe neben der Nahrungsmittelindustrie auch für die Pharmaindustrie eine große Bedeutung [41]. Die Verwendung von pflanzlichem Rohmaterial ist teilweise erheblich günstiger als die chemisch hergestellte Substanz [42]. Die weltweit steigende Nachfrage nach hochwertigen pflanzlichen Rohstoffen kann zu einer erheblichen Reduktion vorwiegend wild geernteter Vorkommen führen [43]. Eine Möglichkeit, die natürlichen Bestände zu schützen, wird unter anderem in der Gewebekultur und dem Anbau im großen Stil in Industrieländern gesehen [44].
Technologischer Wandel
Die Digitalisierung beeinflusst heute weite Bereiche unseres täglichen Lebens. Digitale Strategien werden weltweit als wichtiger Treiber für eine nachhaltige Entwicklung im Nahrungsmittelsektor angesehen [45 bis 47]. Die zunehmende Integration von Sensoren in landwirtschaftliche und gartenbauliche Prozesse sowie das Internet of Things (IoT) unterstützen die Entwicklung von Smart Farming mittels Big Data, Robotik und künstlicher Intelligenz [48; 49]. Dies ermöglicht eine höhere Transparenz, kontinuierliches Monitoring und darauf basierende Optimierung auf der Ebene der Produktion sowie entlang der gesamten Supply Chain. Dabei nutzen moderne Gewächshaus-Management-Systeme bereits seit Jahren eine Vielzahl an Sensoren, um die Klimaführung, die Nährlösung oder die Bewässerungssteuerung anzupassen und kontinuierlich zu dokumentieren. Sensoren, welche ein dauerhaftes Monitoring des Ressourcenverbrauchs sowie pflanzenphysiologischer Parameter erlauben, sind jedoch in der Praxis immer noch selten zu finden. Zudem ist der Pflanzenbau im Gewächshaus meist mit einem hohen Anteil an manueller Arbeit verbunden, was auch an der hohen Anzahl an Saisonarbeitskräften immer wieder deutlich wird. Bei der Produktion in Gewächshäusern beschränkt sich die Automatisierung meist auf einfache Aufgaben wie Aussaat, Umpflanzen, Transportieren oder Sortieren [50]. Vollständig autonome Prozesse und intelligente Sensoren sind bis heute die Ausnahme und stellen die Forschung vor allem bei Fruchtgemüse aufgrund der kontinuierlichen Pflegearbeiten, der hohen Variation der Früchte innerhalb einer Kultur, der hohen Empfindlichkeit der Früchte und den variablen Produktionsumgebungen vor erhebliche Herausforderungen [51; 52]. Dennoch wird gerade in der geschützten Pflanzenproduktion ein deutlicher Wandel durch die Fortschritte in Precision Farming sowie datengestützten und intelligenten Systemen erwartet [53].
Indoor Vertical Farming als High-Tech Ansatz – ein Betrag zur Lösung
High-Tech Farmen wie beispielsweise Bioreaktoren zur Algenproduktion, Insektenfarmen zur Eiweiß- oder Tierfutterproduktion und Indoor Vertical Farming zur Produktion von Gemüse und Kräutern oder pflanzlichen Rohstoffen können einen Beitrag zur künftigen Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie leisten. Indoor Vertical Farming ist dabei ein proaktiver Ansatz, um den Pflanzenbau mit innovativen Entwicklungen in urbanen Regionen zu ermöglichen und einen klimasicheren Pflanzenbau zu erreichen [54; 55]. Die Unabhängigkeit der Indoor Vertical Farm von den natürlichen, lokal verfügbaren Ressourcen wie der Globalstrahlung oder den Klimabedingungen ermöglicht eine standortunabhängige, ganzjährige und auf optimale Wachstumsbedingungen ausgelegte Produktion mit präziser Planbarkeit und sehr hoher Flächennutzungseffizienz (Abb. 4). Durch das geschlossene Bewässerungssystem wird zudem sehr effizient der Ressourcenverbrauch von Wasser um bis zu 99 % reduziert, ein Verzicht auf Pestizide erreicht sowie der Austrag in den Boden konsequent verhindert [28]. Auch erlaubt die Standortunabhängigkeit eine Produktion auf kontaminierten oder versiegelten Bodenflächen, wodurch diese verlorenen Flächen erneut zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden können. Durch eine sinnvolle Integration innerhalb dicht besiedelter städtischer Flächen (z. B. Parkplätzen, Lagerhallen, Dachflächen) oder direkt neben weiterverarbeitender Industrie können neue Supply Chain-Konzepte etabliert und Synergieeffekte (z. B. Energie aus Biomasseabfällen [56]) genutzt werden. Hohe Grundstückspreise in Kombination mit Investitions- und Energiekosten erfordern eine hohe Produktivität und Rentabilität. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln zur Ernährungssicherung ist daher sowohl im Gewächshaus als auch in der Indoor Vertical Farm bisher ökonomisch in der Regel nicht tragfähig und es werden vor allem hochwertige Sonderkulturen oder Produkte außerhalb der üblichen saisonalen Verfügbarkeit kultiviert. Das hohe Potential zur Akkumulation an Sekundärmetaboliten und ätherischen Ölen durch biotische und abiotische Stressfaktoren und die ganzjährig homogenen Kulturbedingungen einer Indoor Farm erlauben eine gezielte Qualitätssteuerung, was gegenwärtig vor allem für die Pharmaindustrie, die Lebensmittelindustrie und den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zunehmend von Interesse ist [57]. Mit einem zunehmenden Rückgang an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche können klimaunabhängige Kultursysteme aber zunehmend auch für die Produktion von Getreide und Grundnahrungsmitteln interessant werden [58].
Bild 4: Überblick über relevante Parameter im Vergleich zwischen Produktionssystemen
Figure 4: Overview of relevant parameters in comparison between production systems
Durch die standardisierten Kulturbedingungen, den technikorientierten Ansatz und industrialisierte Prozesse ist Indoor Vertical Farming besonders gut an die Anforderungen des Einsatzes verschiedener Sensoren angepasst und begünstigt die digitale Entwicklung und Automatisierungsansätze. Aufgrund der hohen Komplexität und des notwendigen Know-Hows zum Betrieb einer Indoor Vertical Farm ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sowohl in der Forschung als auch im eigentlichen Betrieb notwendig, was je nach Region eine erhebliche Hürde für die Implementierung solcher Systeme darstellen kann [28]. Zudem bleibt eine wichtige Herausforderung, innovative Ansätze für nachhaltige und effiziente Energieversorgungskonzepte zu entwickeln.
Applied Science Centre for Smart Indoor Farming an der HSWT
Anfang 2020 wurde an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) das erste Applied Science Centre (ASC) mit dem Thema „Smart Indoor Farming“ gegründet [59]. Das ASC for Smart Indoor Farming wird als Plattform dienen, um wichtige Themen rund um das Thema Indoor Farming zu bearbeiten oder Interessenten aus den verschiedenen Themenfeldern zusammenzuführen. Angelehnt an die identifizierten Treiber liegt der Hauptschwerpunkt auf den in Bild 5 aufgeführten Themen. Unterstützt wird das ASC for Smart Indoor Farming durch den Aufbau eines Forschungsschwerpunktes im Themengebiet Indoor Farming an der HSWT. Der Fokus liegt dabei zunächst auf der Produktion, Extraktion und Weiterverarbeitung pflanzlicher Rohstoffe aus unterschiedlichen Pflanzenorganen.
Bild 5: Forschungsthemen im HSWT geförderten Applied Science Centre for Smart Indoor Farming
Figure 5: Research topics of the Applied Science Centre for Smart Indoor Farming funded by the HSWT
Das ASC baut auf Untersuchungen zu verschiedenen Bewässerungs- und Kulturführungssystemen und einem ersten Kulturscreening auf, welche im Rahmen verschiedener Forschungs- und Kooperationsprojekte entstanden sind. Bisher wurden unterschiedliche Pflanzenarten hinsichtlich Kulturführungs- und Bewässerungsstrategien im Rahmen der Inbetriebnahme der Indoor Farm untersucht [60] (Tabelle 1A). Weitere Untersuchungen an verschiedenen kleinwüchsigen Pflanzenarten, Kräutern, aber auch Fruchtgemüsearten erfolgen derzeit bezogen auf die Stoffströme, Ressourceneffizienzen, Akkumulation von Wirkstoffen wie ätherischen Ölen und einer Reduktion des elektrischen Gesamtenergieverbrauchs. Durch die Integration der HSWT in das Forschungsprojekt Cubes Circle im Rahmen des Förderschwerpunkts Agrarsysteme der Zukunft (BMBF) werden zudem potentielle Vernetzungen der Stoffströme zwischen weiteren Produktionssystemen für Fische und Insekten sowie die Einbindung in einen urbanen Raum berücksichtigt [61]. Zukünftige Vorhaben schließen die Nutzung alternativer Energieversorgungskonzepte, die Nutzung von IoT gestützten Kamerasystemen sowie den Einsatz pflanzenphysiologischer Monitoringverfahren zur Etablierung von Regelstrategien und der weiteren Optimierung des Kultursystems ein.
Die bisherigen Ergebnisse zu Pak Choi und Majoran (Tabelle 1B) bestätigten die in der Literatur aufgeführten Vorteile der Indoor Farm bezüglich Flächeneffizienz und dem Wasserverbrauch, weisen jedoch auch deutlich auf den hohen Energieverbrauch hin [57; 62]. Dabei wurde vor allem bei der Kultur von Tomate im Vergleich mit Pak Choi und Majoran die hohe Bedeutung der zu vermarktenden Pflanzenorgane (Blattmasse oder Frucht) sowie der Unterschied zwischen Frischmasse und Trockenmasse deutlich, welche einen Einfluss auf die Ressourceneffizienz und letztlich die Kosten haben. Vielversprechende Ansätze, den elektrischen Energieverbrauch durch Licht- und Temperaturstrategien zu reduzieren, sind bisher sowohl im Modell als auch in pflanzenbaulichen Versuchen sichtbar und werden in weiteren Versuchen quantifiziert [63].
Tabelle 1: Übersicht untersuchter Pflanzenarten und Parameter
Table 1: Overview evaluated plants species and parameters
Ausblick
Trotz der dargestellten Vorteile ist die Skalierbarkeit, Nachhaltigkeit und Kosteneffektivität von Indoor Vertical Farming vor allem durch den hohen Energieverbrauch noch immer unsicher [2]. Der Fokus weiterer Forschung liegt daher auf einer energieeffizienten Produktion pflanzlicher Rohstoffe, welche durch weitere Digitalisierung und Entwicklung die Rentabilität erhöhen soll. Durch interdisziplinäre Vernetzung von Fachgebieten im Themengebiet Indoor Vertical Farming können ein systemorientiertes Denken etabliert und bestehende Strukturen aufgebrochen werden, um geeignete Konzepte und neue Vermarktungsstrukturen zu entwickeln. Um die vor allem in Europa vorherrschende Skepsis gegenüber innovativen Formen der Landwirtschaft, insbesondere der substratlosen Kultur zu verringern [4], eröffnet die Kommunikation des Mehrwerts möglicherweise eine Etablierung neuer spezifischer Label.
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Autorendaten
Prof. Dr. Heike Mempel ist Professorin für Technik im Gartenbau und Qualitätsmanagement und leitet das Applied Science Centre for Smart Indoor Farming an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
M.Sc. Sabine Wittmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSWT im Team von Prof. Mempel.
M.Sc. Ivonne Jüttner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSWT im Team von Prof. Mempel und Betriebsleiterin im ASC for Smart Indoor Farming.
B.Sc. Marvin Spence ist Mitarbeiter im ASC for Smart Indoor Farming.