Beitrag in Jahrbuch 2020
Allgemeine Entwicklung Repair & Maintenance Information (RMI): Normen und Herausforderungen für die Landtechnik
Einleitung
Die Typgenehmigungs-Verordnung 167/2013 enthält Vorgaben für den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) von landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Die Vorgaben sollen zur Verbesserung des Wettbewerbs auf der Dienstleistungsebene (Aftermarket) durch Angleichung an die für den Automobilsektor geltenden Bestimmungen dienen. Da dies aber weder diskutiert noch an landwirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst wurde, bleibt die tatsächliche Auswirkung abzuwarten.
Die Vorgabe an die Hersteller lautet, unabhängigen Wirtschaftakteuren (Independent Operators IO) diskriminierungsfreien Zugang zu Reparatur-, Wartungs- und On-Board-Diagnose (OBD)-Informationen zu gewähren. Dafür dürfen angemessene Gebühren erhoben werden, die aber in keinem Fall zur Benachteiligung der Betreiber von unabhängigen Werkstätten führen dürfen. Die Bereitstellung soll über ein internetbasiertes Informationssystem mit standardisierten Formaten erfolgen. Die RMI beinhalten sämtliche für Diagnose, Instandhaltung, regelmäßige Überwachung, Reparatur, Neuprogrammierung oder Neuinitialisierung des Fahrzeugs erforderlichen Informationen.
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich der Typgenehmigungsverordnung 167/2013 umfasst die Fahrzeug-Kategorien T, C, R und S [1]. In nachfolgender Darstellung sind die Kategorien dargestellt.
Bild 1: Übersicht der Fahrzeuge, die von der Verordnung 167/2013 erfasst werden [2]
Figure 1: Overview of vehicles covered by the regulation 167/2013 [2]
Dabei gilt die in der delegierten Verordnung 1322/2014 genannte Einschränkung, dass Hersteller kleiner Serien ausgenommen sind. Aus der Verordnung ergibt sich keine Verpflichtung, Teile-Daten im Sinne von detailliert beschriebenen Merkmalen zur Verfügung zu stellen. Die Information kann sich damit beispielsweise auf die Nennung der für eine Reparatur erforderlichen Ersatzteile, verbunden mit einer Arbeitsanweisung zum Einbau, beschränken [3].
Normung & Standardisierung
Die AEF (Agricultural Industry Electronics Foundation) hat in ihrer Richtlinie „AEF Guideline - Ag Requirements for Standard VCI“ die Integration des ISOBUS (ISO 11783) in das Standard Protokoll für VCIs (Vehicle Diagnostics Interface) festgelegt.
Darauf aufbauend wurde der ISO Standard ISO 22172:2019 in zwei Teilen erstellt.
- Teil 1: „User interface requirements for web-based information systems“
- Teil 2: „Vehicle on-board diagnostics“
Die Entwicklung beider Standards wurde im Jahr 2020 abgeschlossen.
Der erste Teil des neuen ISO-Standards beschreibt neben den allgemeinen Informationen und Grundprinzipien auch die Anwendungsfälle sowie die funktionalen und technischen Anforderungen. Die Norm ist eine Orientierungshilfe zur Bereitstellung und Aufbereitung der RMI. Außerdem werden die Vorgaben der EU-Richtlinie hinsichtlich des diskriminierungsfreien Zugangs für unabhängige Wirtschaftakteure präzisiert. [4]
Die technischen Anforderungen unter Abschnitt 7 definieren die zu erhebenden Daten der Nutzer. Dazu gehören neben den Kontaktdaten die Zahlungsinformationen und Nutzungszeiten. Weiterhin sind Anforderungen an die PC-Hard- und Software definiert.
Der zweite Teil der Norm spezifiziert den Zugang zur On-Board-Diagnose (OBD) von Fahrzeugen der Landtechnik. Die Mindestanforderungen an die Hard- und Software werden einschließlich der Anforderungen an die Neuprogrammierung, Kalibrierung und Konfiguration nach Reparaturarbeiten beschrieben. Darüber hinaus enthält die Norm die Spezifikationen für Diagnosewerkzeuge. [5]
Für die Verbindung des Diagnosetools mit dem Fahrzeug sind verschiedene Anschlüsse zulässig:
- SAEJ1939-13, Typ 1+2
- ISOBUS Diagnose Stecker nach ISO 11783-2
- OBD II Diagnose Stecker nach ISO 15031-3, SAE J1962 / ISO 13400-4, Typ A+B
Das dabei verwendete Vehicle Communication Interface (VCI) kann intern im Fahrzeug verbaut sein oder separat extern angeschlossen werden. Weiterhin sind die dazu erforderlichen Verbindungsprotokolle für ISOBUS- und Nicht-ISOBUS-Geräte definiert sowie diverse zulässige BUS-Systeme (CAN, ISOBUS, usw.).
Zusammenfassung
Die Bedeutung von freien, nicht markengebundenen Werkstätten im Bereich der Landtechnik unterscheidet sich grundlegend vom Automobilsektor. Hochspezialisierte und in landwirtschaftlichen Produktionsprozessen eingesetzte Maschinen müssen jederzeit einsatzbereit sein. Dazu muss der Vertragshändler ein umfangreiches Service- und Leistungsangebot permanent vorhalten; eine Eingrenzung auf bestimmte Arbeiten oder Geschäftszeiten wird vom Kunden 'Landwirt' nicht akzeptiert. Auf Grund dieser Rahmenbedingungen haben unabhängige Wirtschaftsakteure im Landmaschinensektor bislang nur eine begrenzte Bedeutung. Ob die neuen gesetzlichen Vorgaben zur Bereitstellung von RMI diese Situation verändern werden, bleibt abzuwarten.
Mit der ISO Norm 22172 wurde in erster Linie eine Hilfestellung für Hersteller geschaffen. Diese Norm unterstützt bei der Umsetzung der RMI-Anforderungen aus der Verordnung 167/2013. Die Forderung nach dem Zugriff für Dritte wird in vielen Fällen eine starke Anpassung der Software erfordern. Die Vielzahl an Maschinen und Geräten in der Landtechnik und die damit verbundene, spezialisierte und oft nicht standardisierte Software, stellt die Hersteller vor große Herausforderungen. Stichtag für die Einführung des OBD-Zugangs bei neuen Typen ist der 01. Juli 2021. Für kleine Serien gilt eine verlängerte Frist bis 01. Juli 2023.
Literatur
[1] Verordnung (EU) Nr. 167/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Februar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen Text von Bedeutung für den EWR.
[2] Schauer, A.: VDMA Bericht zur EU Typgenehmigungsverordnung. Frankfurt: VDMA Landtechnik, 2018.
[3] VDMA: VDMA Positionspapier - Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen. Frankfurt: VDMA Landtechnik, 2018.
[4] ISO 22172-1:2020, Teil 1 - User interface requirements for web-based information systems.
[5] ISO 22172-2:2021, Teil 2 - Vehicle on-board diagnostics.
Autorendaten
Dr.-Ing Magnus Schmitt arbeitet beim VDMA Landtechnik in Frankfurt am Main.