Beitrag in Jahrbuch 2020
Technik für Sonderkulturen Präzisionsgartenbau
Präzise Bewirtschaftung im Gartenbau
Der Präzisionsgartenbau zielt auf die präzise Bewirtschaftung unter Berücksichtigung der Variabilität einzelner Pflanzen oder Zonen von Pflanzengruppen. Indem kleinteilige Bedarfe festgestellt und berücksichtigt werden, soll der ökologische Fußabdruck der Lebensmittelproduktion durch verbesserte Ressourceneffizienz verkleinert und die Produktionseffizienz verbessert werden. Insoweit sind die Ziele im Präzisionsgartenbau ähnlich derer in der gesamten Präzisionslandwirtschaft. Im Gartenbau ist die vom Konsumenten wahrgenommene Qualität der Produkte besonders wichtig und es wird eine im Vergleich mit anderen landwirtschaftlichen Kulturen erhöhte Wertschöpfung erreicht. Die Feldgröße ist im Vergleich zu Ackerbaubetrieben meist kleiner. Die Bepflanzungsdichte ist geringer und auch Einzelpflanzen können in einigen Bewirtschaftungsmaßnahmen individuell behandelt werden. Innerhalb des Gartenbaus gibt es jedoch eine weite Spanne, wobei die Feldgemüseproduktion viele Parallelelen mit dem Ackerbau aufweist. Im Vergleich sind die Raumkulturen im Obstbau bei meist einreihiger Bepflanzung einzeln anfahrbar und Bewirtschaftungsmaßnahmen werden im Verlauf einer Kulturperiode häufiger durchgeführt.
Es liegen weltweit wenige Daten vor zum Praxiseinsatz von Methoden des Präzisionsgartenbaus, die immer eng mit der Digitalisierung verknüpft sind. In Florida wurde in einer Umfrage festgestellt, dass vorrangig im Citrusanbau und erst nachfolgend in den übrigen gartenbaulichen Kulturen eine Implementierung stattgefunden hat [1]. Fast alle Citrusproduzenten führten Pflanzenanalysen durch, wobei Gewebeproben genommen und im Labor analysiert werden. Diese stichprobenartige Beprobung ermöglicht jedoch noch keine baumindividuelle Bewirtschaftung, sondern zielt auf die flächeneinheitliche akkurate Bewirtschaftung ab. Über 50 % der befragten Betriebe in Florida nutzen GPS, vorrangig bei
- den Erntehilfen
- baumindividueller Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch das Abschalten von oberen Düsen zur Berücksichtigung der tatsächlichen Baumhöhe
- Bodenkartierungen vor der Pflanzung.
Die größten Flächen, auf denen Präzisionsgartenbau eingesetzt wird, sind in China zu finden, wo aktuell Programme zur Implementierung von der Regierung gefördert werden. Auch in Europa sind zahlreiche Spritzgeräte zur Anpassung des Chemikalienaufwands an die Baumhöhe auf dem Markt. Die Verbreitung wird neben dem Druck der Verbraucher und des Handels durch das neue Zulassungsverfahren in der Wirksamkeitsprüfung von Pflanzenschutzmitteln befördert. Die Direktive 91/414/EEC für Anwendungen in den Raumkulturen Kernobst, Weinrebe und hochwachsende Gemüsekulturen ab dem 1. Januar 2020 schreibt das Laubwandflächenkonzept in der Wirksamkeitsprüfung vor. Die im Pflanzenschutz derzeit eingeführten Verfahren könnten auch für andere Bewirtschaftungsmaßnahmen wirtschaftlich interessant werden. In der Forschung wird bereits die adaptive Ausdünnung von Blüten und Früchten im Fruchtbehangsmanagement diskutiert, wobei für die einzelbaumindividuelle Festlegung der Ausdünnintensität in mehrjährigen Versuchen 2 ‑ 7 Tonnen Mehrertrag ermittelt wurden [2]. Voraussetzung für ein zukünftiges baumindividuelles Fruchtbehangmanagement ist die Erkennung von Blüten und Früchten. Die Detektion von Früchten ist darüber hinaus auch für die Ertragsschätzung von hoher Bedeutung, da bestehende Modelle noch keine verlässliche Methode erbracht haben, um den Ertrag durch Vegetationsindizes zu schätzen. Die Sensorentwicklung zur optischen Erkennung von Pflanzen im Feld wird in einer aktuell deutlich zunehmenden Anzahl von Publikationen untersucht.
Blüten- und Fruchtdetektion
Erste digitale Daten zu Einzelpflanzen im Bestand wurden in den 80er Jahren für Anwendungen im Pflanzenschutz mit Ultraschallsystemen erhoben. Mit der Methode konnte die Baumhöhe gemessen und deren räumliche Verteilung dargestellt werden. Vegetationsindizes liefern im Vergleich zur Baumhöhe noch detailliertere Informationen über das vegetative Wachstum. Die Vegetationsindizes im Feldgemüseanbau und in der Obstproduktion können mit Kamerasystemen an Drohnen oder mit Satellitendaten berechnet werden. In einigen Obstanlagen wurde eine hohe Korrelation zwischen Vegetationsindizes, z. B. dem NDVI (normalized difference vegetation index) und der Anzahl der Blüten gefunden. Die Anzahl der Blüten ist in der Regel mit dem Ertrag korreliert. Dieser Zusammenhang ist jedoch durch zahlreiche Faktoren beeinflusst, z. B. übermäßigem oder geringem Blütenansatz im Vorjahr, Ernährungszustand der Bäume, Bestäubungsrate, Beschattung. Die Anwendung der Photogrammetrie zur direkten Erfassung und Zählung von Blütenbüscheln [3] war ein entscheidender Schritt, um sich der Schätzung des Apfelertrags zu nähern. Bei diesem Ansatz werden bereits die Faktoren ausgeschlossen, die den Ertrag vor der Blüte beeinflussen, was eine praktikablere Lösung im Vergleich zur Verwendung von Vegetationsindizes darstellt. Die Blütenerkennung kann für Ausdünnungsmaßnahmen und frühe Ertragsprognosen genutzt werden.
Tabelle 1: Beispiele für die einzelbaumbezogene Analyse von Früchten direkt in der Anlage
Table 1: Examples of single-tree analysis of fruit directly at tree
Obstart / Type of fruit |
Sensor |
Referenz / Reference |
Apfel / Apple |
LiDAR (Light detection and ranging) |
[4] |
Apfel / Apple |
RGB-Kamera mit Tiefensensor / RGB camera with depth sensor |
[5] |
Citrus |
Thermal-Kamera / Thermal camera |
[6] |
Mango |
Hyperspektralkamera / Hyperspectral imaging |
[7] |
Für genauere Ertragsprognosen ist die direkte Messung der Früchte am Baum notwendig. Hierbei sind besonders die wechselnden Lichtverhältnisse in der Baumkrone und die Verdeckung der Früchte durch das Blattwerk Störfaktoren, die die Genauigkeit der Schätzung negativ beeinflussen. Dennoch wurde die Fruchterkennung auf Basis von LiDAR (Light detection and ranging) Laserscannern [4], der Photogrammetrie und Tiefeninformationen [5] und aus Thermalbildern [6] ermöglicht. Mit dem Laserscanner wurden in Apfelbäumen der Baumform „schlanke Spindel“ ca. 80 % der Äpfel in einem frühen Entwicklungsstadium gefunden, während kurz vor der Ernte > 90 % der Früchte am Baum detektiert werden konnten. Hierbei wurden manuelle Zählungen bei kompletter Ernte und Entlaubung als Referenzdaten verwendet. Basierend auf dieser Methode konnte auch die Fruchtgröße mit Messunsicherheiten < 10 % bestimmt werden [4].
Alternative Lösungen werden derzeit erforscht, z. B. Aufnahmen mit PMD-Kameras und multispektrale Ansätze. Abhängig von der Pigmentierung der Früchte muss die Sensordatenfusion mit Methoden des maschinellen Lernens, die auf die Erkennung von Früchten abzielen, weiter erforscht werden. Auch die Chlorophyllfluoreszenz im Feld [8] könnte hier neue Anwendungen finden. Für Äpfel kann z. B. eine hyperspektrale Messung, die 500-730 nm erfasst, geeignet sein [7; 9]. Zusätzlich kann die Wärmebildtechnik, bei der der Wärmeemissionskoeffizient gemessen wird, die Fruchterkennung in der Produktion unterstützen (Tabelle 1).
Die zerstörungsfreie Analyse der Fruchtqualität ist bereits in Sortieranlagen und Handspektrometern etabliert, erfährt jedoch durch die neuen Entwicklungen in der Fruchtdetektion wichtige Impulse [9]. So können bereits kommerziell genutzte Methoden zur Pigment- und Trockensubstanzbestimmung mit Hilfe der Spektralanalyse im sichtbaren und nahinfraroten Wellenlängenbereich [9] und Anwendung der Photogrammetrie zur Fruchtgrößen- und Fruchtmassebestimmung hinsichtlich Robustheit der Kalibrierungen verbessert werden [10].
Bild 1: 3D Punktwolke einer Birne gemessen mit einem 2D LiDAR Laserscanner montiert auf einer Zahnriemenachse
Figure 1: 3D point cloud of pear, measured by means of mobile 2D LiDAR laser scanner mounted on timing belt axis
Zusammenfassung und Ausblick
In der angewandten Forschung wurden fortschrittliche Techniken für Messungen auf Einzelpflanzenebene entwickelt. Aktuelle Arbeiten konzentrieren sich auf die Erkennung einzelner Organe, wie die Blüten- und Fruchterkennung. Bewirtschaftungsmaßnahmen, die mit Hilfe von Pflanzeninformationen unterstützt werden könnten, sind: Pflanzenschutz, Blüten- und Fruchtausdünnung, aber auch Bewässerung, Frostschutz, Schnitt und Ernte.
Da viele Gartenbaukulturen in den meisten Teilen der Welt in kleinflächigen Anlagen angebaut werden, sollten einzelpflanzenindividuelle Technologien und Strategien für kleine Felder entwickelt werden, die wirtschaftlich tragfähig und für Kleinbauern leicht zu übernehmen sind. Die präzise durchgeführten Bewirtschaftungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Pflanzeninformationen weisen den Weg in Richtung eines nachhaltigen Gartenbaus, da Fehler im Sinne einer Über- oder Unterversorgung vermieden werden können. Die großen Mengen an gewonnenen Daten sind eine Herausforderung hinsichtlich Datensicherheit und eine Chance für das maschinelle Lernen.
Literatur
[1] Ghatrehsamani, S., Wade, T. und Ampatzidis, Y.: The adoption of precision agriculture technologies by Florida growers: a comparison of 2005 and 2018 survey data: Acta Hortic., 2020, 1279. DOI 10.17660/ActaHortic.2020.1279.44.
[2] Penzel, M. et al.: Tree adapted mechanical flower thinning prevents yield loss caused by over thinning of trees with low flower set in apple. European Journal of Horticultural Science, 2021, 86: 86–96. doi.org/10.17660/eJHS.2021/86.1.10.
[3] Dias, P., Tabb, A. und Medeiros, H.: Apple flower detection using deep convolutional networks. Computers in Industry, 2018, 99: 17-28. https://doi.org/10.1016/j.compind.2018.03.010.
[4] Tsoulias, N. et al.: Apple shape detection based on geometric and radiometric features using a LiDAR laser scanner. Remote Sensing, 2020, 12: 2481. https://doi.org/10.3390/rs12152481.
[5] Gené-Mola, J. et al.: Multi-modal deep learning for Fuji apple detection using RGB-D cameras and their radiometric capabilities. Comput. Electron. Agric., 2019, 162, 689–698, doi:10.1016/j.compag.2019.05.016.
[6] Gan, H. et al.: Active thermal imaging for immature citrus fruit detection. Biosystems Engineering, 2020, 198: 291-303. https://doi.org/10.1016/j.biosystemseng.2020.08.015.
[7] Gutiérrez, S., Wendel, A. und Underwood, J.: Ground based hyperspectral imaging for extensive mango yield estimation. Comput. Electron. Agric., 2019, 157, 126–135, doi:10.1016/j.compag.2018.12.041.
[8] Vargas, J. Q. et al.: Unmanned aerial systems (UAS)-based methods for solar induced chlorophyll fluorescence (SIF) retrieval with non-imaging spectrometers: state of the art. Remote Sensing, 2020, 12:1624. https://doi.org/10.3390/rs12101624.
[9] Walsh, K. B. et al.: Review: Visible-NIR ‘point’ spectroscopy in postharvest fruit and vegetable assessment: the science behind three decades of commercial use. Postharvest Biology and Technology, 2020, 168: 111246. doi.org/10.1016/j.postharvbio.2020.111246.
[10] Utai, K. et al.: Mass estimation of mango fruits (Mangifera indica L. cv. ‘Nam Dokmai’) by linking image processing and artificial neural network. Engineering in Agriculture, Environment and Food, 2019, 12: 103-110. https://doi.org/10.1016/j.eaef.2018.10.003.
Autorendaten
Dr. habil. Manuela Zude-Sasse ist Arbeitsgruppenleiterin am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) in Potsdam.