Beitrag in Jahrbuch 2020

Technik in der Tierhaltung Technik in der Schweinehaltung

Kurzfassung:

In der Entwicklung der Schweinhaltung in Deutschland steht immer mehr das Tierwohl im Vordergrund. Eine Reihe von Labelprogrammen und Gesetzesänderungen stellen die Schweinehaltung und Wissenschaft vor zahlreiche Herausforderungen. Daher ist Ziel vieler Forschungsprojekte der letzten Jahre die Verbesserung des Tierwohls in der Schweinehaltung. Im Jahr 2020 war vor allem die Abschaffung des Kastenstands in der Sauenhaltung ein wichtiges Thema. Sowohl im Deckzentrum als auch im Abferkelstall wurden daher verschiedene neue Haltungssysteme getestet, wobei sich der komplette Verzicht auf eine Fixierung der Sauen als problematisch darstellt. Durch eine kurzzeitige Fixierung und die Anpassung der Haltungsumwelt können jedoch funktionssichere Haltungssysteme geschaffen werden.

Volltext

Wie werden Schweine in Deutschland gehalten?

In den letzten zehn Jahren gab es in Deutschland einen Strukturwandel in der Schweinehaltung, die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe ist um 39 % zurückgegangen, während der Schweinebestand um lediglich 3,9 % gesunken ist. Im Mai 2020 wurden in Deutschland auf ca. 20 400 Betrieben rund 25,5 Mio. Schweine gehalten (1,8 Mio. Zuchtschweine; 11,1 Mio. Mastschweine; 7,9 Mio. Ferkel; 4,7 Mio. Jungschweine) [1]. Im Vergleich zu 2019 sind die Betriebe um 3,7 % und die Schweinebestände um 2,2 % zurückgegangen. Des Weiteren rückt das Thema Tierwohl in der Schweinhaltung vermehrt in den Vordergrund. Im Jahr 2019 kamen 95 % aller in Deutschland produzierten Schweine aus einer qualitätsgesicherten Haltung (QS-System). Insgesamt 21 % der erzeugten Mastschweine stammten aus Betrieben mit verbesserter Haltung, welche an der Initiative Tierwohl teilgenommen haben. Unter 1 % der Schweine wurden auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben gehalten [2]. Im Jahr 2019 kamen in Schlachthöfen der Tönnies Unternehmensgruppe 22 % der geschlachteten Schweine aus Haltungssystemen, in denen Tierwohlmaßnahmen umgesetzt wurden (Haltungsform 2 oder höher) [3].

Welches sind die aktuellen Herausforderungen in der Schweinehaltung?

Die diskutierten und umgesetzten Gesetzesänderungen, Label und Initiativen stellen die Schweinehaltung wie auch die Forschung vor neue Herausforderungen. Die Faktoren, welche das Wohlbefinden der Schweine in allen Haltungsabschnitten am meisten beeinflussen können und somit oft diskutiert werden, sind laut Animal Health and Welfare (AHAW) Panel: die Besatzdichte, der Platzbedarf, das Stalldesign (Raumgestaltung, Lüftung und Güllesystem), die Bodenbeläge, das Angebot an Beschäftigungsmaterial und die Einzelhaltung (Kastenstand) [4 bis 6]. Die meisten Label stellen unter anderem Anforderungen an die Fläche pro Tier, Buchten- und Bodengestaltung (z. B. Einsatz von Festflächen oder Stroheinstreu) sowie das Angebot an organischem Beschäftigungsmaterial. Anforderungen aus den Labeln, wie den Verzicht auf das Kupieren von Schwänzen, die betäubungslose Kastration und die Einzelhaltung von Sauen, sollen auch auf Gesetzesebene umgesetzt werden. Sowohl die betäubungslose Kastration wie auch die Kastenstandhaltung von Sauen im Deckzentrum wurden durch neue Gesetzesänderungen verboten [7; 8]. Auf lange Sicht soll auch das Fixieren von Sauen in der Abferkelbucht auf wenige Tage begrenzt werden. Auch ist es zunehmend wichtig, das Tierwohl in Ställen vereinfacht, einheitlich und wenn möglich automatisiert kontrollieren und beurteilen zu können. In zukünftigen Haltungssystemen muss jedoch nicht nur das Tierwohl gesteigert, sondern aufgrund der Klimaschutzpläne auch die Umwelt geschützt werden.

In Deutschland werden in zahlreichen Projekten Lösungen für diese Herausforderungen gesucht. Im Folgenden finden Sie einen Auszug der in den letzten Jahren abgeschlossenen oder aktuell laufenden Verbundprojekte zu aktuellen Themen in der Schweinehaltung.

  • Schweinehaltung fit für das Tierschutz-Label – Integrierte Entwicklung von Haltungs- und Verfahrenstechnik zur Transformation konventioneller Ställe. (LABEL-FIT; Jan. 2017 - Juli 2020; Förderkennzeichen: 2819200415; www.fisaonline.de)
  • Konsortialprojekt zum Verzicht auf Schwanzkupieren beim Schwein (KoVeSch; Aug. 2018 - Okt. 2021; Förderkennzeichen: 2819109517; www.fisaonline.de)
  • Entwicklung und Prüfung von innovativen Freilaufabferkelbuchten unter den Aspekten von Verhalten, Gesundheit, Leistungen der Tiere sowie Arbeits- und Betriebswirtschaft (Abferkelbucht 2020; Mai 2015 - Mai 2018; Förderkennzeichen: 28RZ37205; www.fisaonline.de)
  • Einfluss verschiedener Abferkel- und Aufzuchtsysteme auf Tierwohl, Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit in der Schweinehaltung – ein interdisziplinärer Ansatz. (InnoPig; Juli 2017 - Aug. 2018; Förderkennzeichen: 2817205513; www.fisaonline.de)
  • Die Entwicklung von innovativen und auch in Zukunft gesellschaftlich akzeptablen Stallkonzepten für die Schweinehaltung auf Basis eines wissenschaftlich begleiteten Diskurses zwischen Agrarwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. (Virtueller Stall der Zukunft; Okt. 2017 - Mai 2019; www.bmel.de)
  • Mehr Tierwohl und geringere Emissionen durch intelligente Schweine in innovativen Ställen (MeTEmSiS; Jan. 2019 - Jan. 2022; Förderkennzeichen: 28RZ3078; www.fisaonline.de)
  • Emissionsminderung Nutztierhaltung (EmiMin; Juli 2018 - Juni 2023; www.ktbl.de)
  • Eigenkontrolle Tiergerechtheit – Praxistauglichkeit von Tierschutzindikatoren bei der betrieblichen Eigenkontrolle, Erarbeitung eines Orientierungsrahmens sowie technische Umsetzung in digitalen Anwendungen. (EiKoTiGer; Nov. 2016 - Okt. 2019; Förderkennzeichen: 2817905715; www.fisaonline.de)
  • Pigs And More – Entwicklung eines Tierwohl-Indikator-basierten Beratungskonzeptes. (PigsAndMore; Okt. 2016 - Dez. 2019; Förderkennzeichen: 2817902515; www.fisaonline.de)
  • Elektronische Kennzeichnung, Überwachung und Management von Schweinen mit UHF-RFID (UTE 2; Feb. 2017 - Aug. 2019; Förderkennzeichen: 28RZ3IP045; www.fisaonline.de)
  • Multivariate Bewertung des Tierwohls durch integrative Datenerfassung und Validierung von Tierwohlindikatoren in Schweinebeständen. (MulTiVis; Jan. 2017 - März 2020; Förderkennzeichen: 2817905315; www.fisaonline.de)
  • Vernetzung vorhandener amtlicher und wirtschaftseigener Daten zu einem treuhänderisch und als Public-Private-Partnership verwalteten Daten-Informations-System zur Verbesserung von Tierwohl und Tiergesundheit beim Schwein. (PPP-InfoS; Okt. 2017 - Aug. 2018; Förderkennzeichen: 28RZ372053; www.fisaonline.de)
  • Weiterentwicklung eines Markenfleischprogramms zu einer tiergerechteren Urproduktion unter Berücksichtigung ökonomischer und sozialer Aspekte (MarkiT; Feb. 2015 - Jan. 2018; Förderkennzeichen: 2817205213; www.fisaonline.de)

Wie sieht die Zukunft der Sauenhaltung aus?

Das Verbot, Sauen einzeln in Kastenständen zu halten, führt zu einem großen Wandel in der Schweinehaltung. Die Gruppenhaltung von Sauen im Wartebereich ist bereits seit 2013 für alle Betriebe verpflichtend. Seit Ende 2019 gilt der Beschluss, dass die Einzelhaltung in einem Kastenstand auch im Deckzentrum (Übergangsfrist 8 Jahre), sowie im Abferkelbereich (Übergangsfrist 15 Jahre) abgeschafft wird. Lediglich die kurzzeitige Fixierung der Sauen wird noch erlaubt sein [7]. Dieser Beschluss und mögliche weitere Entwicklungen zu mehr Tierwohl, sowie die Anforderungen der Tierwohllabel stellen die Landwirte vor eine große Herausforderung. Nach Jais [9] sollten daher bei der Planung von zukunftsfähigen Haltungssystemen für Sauen verschiedene weitere Anforderungen, wie eine geschlossene und eingestreute Liegefläche, kompletter Verzicht auf Kastenstände, Gabe von organischem Beschäftigungsmaterial, erhöhtes Platzangebot (5 m² im Deckzentrum und 6,5 m² im Abferkelbereich) und Zugang zu Außenklima oder Auslauf berücksichtigt werden. Beispiele für zukunftsfähige Haltungssysteme für Sauen wurden bereits von einer Expertengruppe entwickelt und werden in der Broschüre „Gesamtbetriebli­ches Haltungskonzept Schwein – Sauen und Ferkel“ zusammengestellt. Eine Übersicht einiger Planungsbeispiele wurde bereits dieses Jahr veröffentlicht [10].

Deckzentrum ohne Kastenstand

In der Regel werden in Deutschland die Sauen vom Absetzen bis mindestens zur vierten Trächtigkeitswoche in Einzelhaltung im Kastenstand gehalten [11]. Dies wurde bisher in dieser Form praktiziert, da der Zeitraum vor und kurz nach der Besamung verschiedene Risiken birgt. Sauen sind während der Rausche sehr aktiv und Verhaltensweisen wie Flanken-, Bauchstoßen oder Aufreiten, die für diese Phase typisch sind, können zu Verletzungen von Mensch und Tier führen [12; 13]. Zudem kann das Mischen von Sauen in Gruppen kurz nach der Befruchtung eine Stressreaktion hervorrufen, welche die Befruchtung und Implantation beeinträchtigen kann [14; 15]. Jedoch hat die Gruppenhaltung von Sauen während der Rausche auch Vorteile, wie eine verbesserte Erkennung derselben. So können zum Beispiel Sauen, die beim Menschen keinen Duldungsreflex zeigen, diesen in einer Gruppe bei anderen Sauen zeigen und somit als rauschend identifiziert werden [16; 12].

Bei der Haltung von Sauen im Deckzentrum sollte auf verschiedene bauliche Gegebenheiten geachtet werden. In neu gebauten Deckzentren kann die Gruppenhaltung sehr gut mit sogenannten Drei-Flächen-Buchten mit Kastenständen realisiert werden. Hier bieten die Kastenstände die Möglichkeit, die Sauen während der Besamung zeitweise zu fixieren oder einzelnen Sauen sich bei Bedarf von der Gruppe zurückzuziehen. In diesen Buchten ist darauf zu achten, dass die Liegefläche und die Gänge breit genug sind (mind. 2 m), damit die Sauen sich gegenseitig ausweichen können. Ein zu knappes Flächenangebot (mind. 5 m²) und fehlende Fluchtmöglichkeiten (wie z. B. Auslauf, Zwischenwände, Kastenstand) können zu mehr Problemen und Verletzungen führen. Bei einer freien Besamung sollte der Bereich, in welchem die Sauen Kontakt zum Eber aufnehmen, sehr großzügig bemessen sein. In diesem Bereich sollte der Boden trittsicher sein, weswegen hier planbefestigte Böden Spaltenböden vorzuziehen sind. Auch darf die Kontaktfläche zum Eber nicht zu klein sein, damit es aufgrund von konkurrierenden Sauen nicht zu Verletzungen kommt. [16; 9]

In einem Projekt in der LSZ Boxberg werden derzeit verschiedene Gruppenhaltungssysteme von Sauen im Deckzentrum untersucht [17]. In einer untersuchten Variante werden die Sauen in einer Drei-Flächen-Bucht mit Kastenstand und Auslauf im Außenklimastall gehalten. Die Sauen wurden nur kurzzeitig für die Besamung und Trächtigkeitsuntersuchung fixiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass zwischen 80-100 % der Sauen nach 28 Tagen trächtig waren und dieser Anteil mit steigender Wurfnummer (zwischen 2-5) zunahm. Die Umrauscherquote lag bei 9,8 %, wobei Sauen aus dem zweiten Wurf einen großen Teil davon ausmachten [18]. Bei der freien Besamung zeigte sich, dass es wichtig ist einen zügigen Kontakt zwischen Eber und Sau zu ermöglichen, um Unruhen und Aufreiten zu verhindern. Auch das Umtreiben von Sauen wird durch den Duldungsreflex erschwert und die Arbeitssicherheit wird zudem durch Verhaltensweisen wie Aufreiten und Kopfstoßen verringert. Hierbei zeigt sich, dass eine kurzzeitige Fixierung während der Besamung viele Vorteile und auch Zeitersparnisse mit sich bringen kann [16; 12].

Abferkelbuchten ohne Kastenstand

Bisher wurden Sauen in dem Zeitraum von einer Woche vor bis vier Wochen nach dem Abferkeln in einem Kastenstand gehalten. Da dieses Haltungssystem unter anderem die Bewegungsfreiheit sowie die natürlichen Verhaltensweisen und damit das Wohlergehen der Sau extrem einschränkt, soll die dauerhafte Fixierung der Sau im Abferkelstall verboten werden [7]. Als Alternative zum Kastenstand gibt es die Möglichkeiten des freies Abferkelns oder der Bewegungsbuchten. In der freien Abferkelung gibt es keine Möglichkeit, die Sau zu fixieren, während in einer Bewegungsbucht die temporäre Fixierung der Sauen möglich ist. Während freie Abferkelbuchten oft individuell umgesetzt werden, ist das Angebot an Bewegungsbuchten auf dem Markt groß [19]. Die Schutzkörbe in Bewegungsbuchten sind meist in ihrer Länge und Breite an die Sau anpassbar. Bei der Ausrichtung des Schutzkorbes gibt es verschieden Möglichkeiten. Richtet man den Schutzkorb parallel zum Gang aus, ermöglicht dies sowohl eine einfache Geburtenkontrolle als auch die Kontrolle des Futtertrogs von außen. Bei der Befestigung des Schutzkorbes können Standfüße im hinteren Bereich das Risiko erhöhen, dass Ferkel eingeklemmt oder erdrückt werden. Je nach Wurfgröße unterscheiden sich die Anforderungen an die Größe des Ferkelnestes. Bei einem Wurf von vierzehn Ferkeln sollte das Ferkelnest mindestens 0,85 m² groß sein. Von Bedeutung sind auch die Größe und die Form des Bewegungsbereiches. Bei einer trapezförmigen Fläche ist ein langsameres Ablegen der Sauen zu beobachten, welches zu geringeren Verlusten durch Erdrücken führen kann [19]. Im Projekt „Abferkelbuchten 2020“ zeigte sich unter anderem, dass in einer Bucht mit dreieckiger Fläche weniger Ferkel erdrückt wurden als in Buchten mit rechteckiger Fläche [20].

Die größte Herausforderung bei der Abferkelung ohne Fixierung der Sau stellen die hohen Ferkelverluste durch Erdrücken dar. In den letzten Jahren wurden die Alternativen der Kastenstandhaltung im Abferkelbereich in verschiedenen Projekten untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die Verluste durch Erdrücken vor allem in Systemen mit freiem Abferkeln deutlich höher waren ([21]: 25,6 %, davon 70,8 % erdrückt; [22]: 27,5 % gesamt bzw. 16,8 % erdrückt; [23]: 21,9 % gesamt bzw. 11,2 % erdrückt) als in Systemen mit Kastenstand ([21]: 12,3 %, davon 36,1 % erdrückt; [22]: 19,3 % gesamt bzw. 8,95 % erdrückt; [23]: 12,9 % gesamt bzw. 5,2 % erdrückt). Eine weitere Möglichkeit wäre die Gruppenhaltung von ferkelführenden Sauen. Die Ferkelverluste durch Erdrücken können jedoch auch hier höher sein als in Systemen mit Kastenstand ([21]: 19,9 %, davon 70,4 % erdrückt). In den Systemen mit freier Abferkelung werden die meisten Ferkel innerhalb der ersten drei bzw. vier Tage nach der Geburt erdrückt ([21]: 92,7 % in freien Abferkelung bzw. 83,9 % in Gruppenhaltung; [22]: 88 %). Eine kurzzeitige Fixierung der Sau um den Zeitraum der Geburt führte jedoch zu ähnlich niedrigen Verlusten durch Erdrücken wie die bisherige Kastenstandhaltung ([24]: Kurzzeitfixierung 1,15 Ferkel erdrückt, Kastenstand 1,03 Ferkel erdrückt; [22]: Kurzzeitfixierung 7,65 %, Kastenstand 4,5 %). Auch in einem Projekt in Österreich zeigte sich, dass in Abferkelsystemen ohne Fixierung die Verluste durch Erdrücken deutlich höher lagen. Eine Fixierung der Sauen bis zum vierten Lebenstag konnte die Ferkelverluste deutlich reduzieren, wobei eine längere Fixierung keine weitere Reduktion erzielen konnte. Auch eine Fixierung vor der Geburt hatte mehr Vorteile gegenüber einer Fixierung nach der Geburt. Vor allem die Betreuung und Umsetzung der Fixierung nach der Geburt bedeutet einen enormen Arbeitsaufwand [25].

Im Gegensatz zu Deutschland ist in der Schweiz die freie Abferkelung bereits seit 2007 vorgeschrieben. Hierbei zeigte sich, dass die Verluste durch Erdrücken über die Jahre trotz steigender Wurfgröße (2008: 11,9 lebend geborene Ferkel; 2017 12,9 lebend geborene Ferkel) nur leicht anstiegen, während die Ferkelverluste insgesamt stärker stiegen [26]. Dies zeigt, dass diese Systeme auch in Deutschland funktionsfähig umgesetzt werden können. Jedoch sollten die Ursachen für die erhöhten Erdrückungsverluste genauer betrachtet werden, um mögliche Lösungsansätze zu verfolgen. Hierfür wurde in dem Projekt „InnoPig“ das Verhalten der Sauen und Ferkel im Moment des Erdrückens genauer untersucht. Die meisten Ferkel wurden erdrückt, wenn die Sau sich von einer auf die andere Seite legte (68,2 % in freien Abferkelung bzw. 38,2 % in Gruppenhaltung). Darauf folgte der Wechsel von Sitzen zu Liegen (18,2 % in freien Abferkelung, 30,9 % in Gruppenhaltung) und zuletzt das Abliegen (11,4 % in freien Abferkelung, 16,4 % in Gruppenhaltung) [21; 24]. Auch im Projekt „Abferkelbuchten 2020“ zeigte sich, dass die meisten Ferkel (58 %) bei einem Liegepositionswechsel der Sau, vor allem wenn sich die Sau von einer Seite auf die andere rollt, erdrückt wurden, während beim Abliegen 38 % der Ferkel erdrückt wurden. Durch den Kastenstand werden das Abliegen und die Positionswechsel der Sau verlangsamt, was dazu führt, dass die Sau weniger Ferkel erdrückt [23]. Vor allem wenn die Ferkel sich zu nahe bei der Sau aufhalten, kann es bei solchen Bewegungsabläufen vermehrt zu Erdrückungen kommen. Es zeigte sich, dass die Ferkel aus den freien Abferkelbuchten an Lebenstag zwei und drei inaktiver waren und vermehrt bei der Sau lagen als die Ferkel aus der Gruppenhaltung. Ferkel aus der Gruppenhaltung verbrachten insgesamt mehr Zeit im Ferkelnest [21].

Diese Ergebnisse zeigen zwei Möglichkeiten auf, die Verluste durch Erdrücken zu senken. Einerseits kann die Bewegung der Sau zum Zeitpunkt der Geburt, wenn die Ferkel besonders gefährdet sind, durch eine kurzzeitige Fixierung eingeschränkt bzw. verlangsamt werden. Andererseits kann man die Ferkel dabei unterstützen, das Ferkelnest schneller, häufiger und länger aufzusuchen. Eine Studie von Morello et al. [27] zeigte, dass der Aufenthalt der Ferkel im Ferkelnest in freien Abferkelbuchten durch Beleuchtung und Bodentemperatur im Ferkelnest verlängert werden kann. So lagen die Ferkel zu 7,2 % länger in einem erhellten Ferkelnest und durchschnittlich 2,1 % länger pro Grad Erhöhung der Bodentemperatur. Auch eine klare Trennung der jeweiligen Klimabereiche von Sau und Ferkel kann dafür sorgen, dass das Wohlergehen der Sau gesteigert wird und die Ferkel weniger lang bei der Sau liegen. Indem man das Stallklima an die niedrigeren Temperaturbedürfnisse der Sau anpasst und für die Ferkel ein warmes Mikroklima im Ferkelnest schafft, kann erreicht werden, dass die Ferkel schneller und häufiger das Nest aufsuchen [28 bis 30].

Zusammenfassung

Die Schweinehaltung entwickelte sich in den letzten Jahren aufgrund von Forderungen der Verbraucher, der Einführung von Tierwohllabeln und Gesetzesänderungen hin zu mehr Tierwohl. Hierbei stellt vor allem der Beschluss des Verbotes von Kastenständen in der Sauenhaltung die Landwirte vor schwierige Herausforderungen. Für eine optimale Umsetzung des Kastenstandverbotes im Deckzentrum bietet sich eine Drei-Flächen-Bucht mit Fixierungsmöglichkeit an. Die Möglichkeit einer kurzzeitigen Fixierung erleichtert die Besamung und Untersuchung der Sau. Zudem können Verletzungen der Sauen während der Rausche durch ein ausreichendes Platzangebot und trittsichere Böden verringert werden. Für die Umsetzung des Kastenstandverbotes im Abferkelbereich gibt es die Möglichkeit der freien Abferkelbucht oder Bewegungsbucht. Hierbei zeigt sich, dass die Ferkelverluste in Bewegungsbuchten deutlich geringer sind als in freien Abferkelbuchten. Die kurzzeitige Fixierung der Sauen um den Zeitpunkt der Geburt verringert die Anzahl an erdrückten Ferkeln deutlich.

Literatur

[1]     Statistisches Bundesamt: Land und Forstwirtschaft, Fischerei – Viehbestand. (2020).

[2]     Pascher, P. et al.: Situationsbericht 2019/20- Trends und Fakten der Landwirtschaft – 3 - Agrarstruktur. Deutscher Bauernverband e.V. 12.2019.

[3]     Jaeger, W.: Tierwohl in der Tierhaltung - Unsere Verantwortung gemeinsam mit den Erzeugern. URL – https://toennies.de/verantwortung/nachhaltigkeitsthemen/tierwohl-in-der-tierhaltung/, Zugriff am 18.06.2020.

[4]     AHAW: Animal health and welfare aspects of different housing and husbandry systems for adult breeding boars, pregnant, farrowing sows and unweaned piglets ‐ Scientific Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare. EFSA Journal 5 (2007/10/29) H. 10.

[5]     AHAW: Opinion of the Scientific Panel on Animal Health and Welfare on a request from the Commission related to animal health and welfare in fattening pigs in relation to housing and husbandry. (18.10.2007).

[6]     AHAW: The risks associated with tail biting in pigs and possible means to reduce the need for tail docking considering the different housing and husbandry systems - Scientific Opinion of the Panel on Animal Health and Welfare. (20.12.2007).

[7]     Bundesrat: Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. 2019. URL – https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/985/tagesordnung-985.html?cms_topNr=38#top-38, Zugriff am 09.11.2020.

[8]     BMEL: Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung. URL – https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/ferkelkastration201811.html, Zugriff am 13.01.2021.

[9]     Jais, C.: Sauenhaltung zukunftsfähig ausrichten! , Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft 2019.

[10]   top agrar: Sauenställe: der Umbruch steht an. Top Agrar (2020) H. 11, S. 6-11.

[11]   Rohlmann, C.; Verhaagh, M. und Efken, J.: Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Ferkelerzeugung und Schweinemast. Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig 20.05.2020.

[12]   Scholz, A. und Lang, N.: Arbeitsabläufe bei der künstlichen Besamung von Sauen in Gruppenhaltungen. Landesanstalt für Schweinezucht - LSZ 07.2020.

[13]   Scholz, A. und Lang, N.: LSZ_Das Auftreten von Lahmheiten in einer Gruppenhaltung von zu belegenden Sauen. Landesanstalt für Schweinezucht - LSZ 04.2020.

[14]   Salak-Johnson, J. L.: Social status and housing factors affect reproductive performance of pregnant sows in groups. Molecular reproduction and development 84 (2017) H. 9, S. 905-913.

[15]   Knox, R. et al.: Effect of day of mixing gestating sows on measures of reproductive performance and animal welfare. Journal of Animal Science (2014) H. 92, S. 1698-1707.

[16]   Weber, R. und Schiess, C.: Gruppenhaltung von Sauen während der Deckzeit – Erfahrung aus der Praxis. ART-Berichte 2006.

[17]   Görtz, E. M.: Vorstellung der Haltungssysteme mit Gruppenhaltung von Sauen im Deckzentrum im Projekt „Erprobung und Bewertung neuer Haltungsverfahren mit Gruppenhaltung von Sauen im Deckzentrum“. Landesanstalt für Schweinezucht - LSZ 08.2017.

[18]   Lang, N. und Scholz, A.: Gruppenhaltung zu belegender Sauen – ausgewählte Leistungsparameter des Deckbereichs. Landesanstalt für Schweinezucht - LSZ 07.2020.

[19]   Jücker, C.: Bewegungsbuchten in Hülle und Fülle. Top Agrar (2020) H. 11, S. 16-19.

[20]   Hickl, E. und Hoy, S.: Hohe Verluste beim freien Abferkeln. Top Agrar (2018) H. 9, S. 10-15.

[21]   Nicolaisen, T. et al.: The Effect of Sows' and Piglets' Behaviour on Piglet Crushing Patterns in Two Different Farrowing Pen Systems. Animals (2019) H. 9, S. 1-17.

[22]   Lohmeier, R. Y. et al.: Farrowing pens used with and without short-term fixation impact on reproductive traits of sows. Livestock Science (2020) H. 231, S. 1-6.

[23]   Hoy, S.: Noch zu viele Verluste bei freier Abferkelung. Tiergesundheitsmagazin für Nutztierhalter - Der Hoftierarzt (2020) H. 2, S. 2-4.

[24]   Burfeind, O.: Erkenntnisse aus dem Abferkelbereich – Zentrale Ergebnisse des Innopig-Projektes, Teil 1. Bauernblatt (2019), S. 47-49.

[25]   Heidinger, B. et al.: Pro-Sau Abschlussbreicht – Evaluierung von neuen Abferkelbuchten mit Bewegungsmöglichkeit für die Sau. 2017.

[26]   Weber, R. et al.: Piglet Losses in Free-Farrowing Pens: Influence of Litter Size. Agrarforschung Schweiz (2020) H. 11, S. 53-58.

[27]   Morello, G. M. et al.: Higher light intensity and mat temperature attract piglets to creep areas in farrowing pens. Animal 13 (2019) H. 8, S. 1696-1703.

[28]   Burri, M. et al.: Influence of straw length, sow behaviour and room temperature on the incidence of dangerous situations for piglets in a loose farrowing system. Applied Animal Behaviour Science 117 (2009) 3-4, S. 181-189.

[29]   Gao, Y. et al.: Impacts of room temperature on sow behaviour and creep box usage for pre-weaning piglet (Abstract). Nongye Gongcheng Xuebao/Transactions of the Chinese Society of Agricultural Engineering 2011 H. 27, S. 191-194.

[30]   Vasdal, G. et al.: Piglet preference for infrared temperature and flooring. Applied Animal Behaviour Science 122 (2010) 2-4, S. 92-97.

 

Autorendaten

M. Sc. Svenja Opderbeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hohenheim im Fachgebiet Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme.

Empfohlene Zitierweise:
Opderbeck, Svenja: Technik in der Schweinehaltung. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2020. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2021. – S. 1-9

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